Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wieder bedachte, daß er, ein so gediegener Mann, der alle Menschen liebte, und alle Menschen ihn, er, der bloße Theoretiker des Meuchelmords, ein praktischer Meuchelmörder sein sollte, so oft wurde er von neuer Rührung übermannt. Aus diesem Grunde hatte auch Niemand an einen Ausgleichsversuch gedacht; denn selbst wenn die allgemeine Abneigung gegen den Beleidiger zu überwinden gewesen wäre, so war die Beleidigung zu schwer, um verziehen, um vergessen werden zu können. Nach verschiedenen, mehr oder minder mißglückten Anstrengungen, dem Beisammensein die frühere ungezwungene Heiterkeit zurückzugeben, glaubte man den Abend beschließen zu müssen und brach auf. Mau fühlte die Unheilbarkeit des Risses, der zwei auf so seltene, wo nicht Welt- doch laufgeschichtliche Weise zusammengeführte Herzen für immer wieder aus einander gerissen hatte, man fühlte den Schmerz der Wunde, die in dem bessern dieser beiden Herzen -- wer weiß wie lange -- nachbluten mußte. Man fühlte -- doch wozu es ausmalen? Ein Menschenbund getrennt, in welchem wahrhaftig Berg und Thal zusammenkamen! eine Freundschaft zerspellt, die hoch überm Erdenstaub ihre luftigen Bahnen westöstlich und ostwestlich wandelte! ein Doppelgestirn, darf man ja wohl sagen, auseinandergebrochen! und dieses -- ist dein Werk, Miaulis! Ein Nachtwächter, der in den abgelegenen Theilen der Stadt die Stunde ausrufen wollte, sah zwei wieder bedachte, daß er, ein so gediegener Mann, der alle Menschen liebte, und alle Menschen ihn, er, der bloße Theoretiker des Meuchelmords, ein praktischer Meuchelmörder sein sollte, so oft wurde er von neuer Rührung übermannt. Aus diesem Grunde hatte auch Niemand an einen Ausgleichsversuch gedacht; denn selbst wenn die allgemeine Abneigung gegen den Beleidiger zu überwinden gewesen wäre, so war die Beleidigung zu schwer, um verziehen, um vergessen werden zu können. Nach verschiedenen, mehr oder minder mißglückten Anstrengungen, dem Beisammensein die frühere ungezwungene Heiterkeit zurückzugeben, glaubte man den Abend beschließen zu müssen und brach auf. Mau fühlte die Unheilbarkeit des Risses, der zwei auf so seltene, wo nicht Welt- doch laufgeschichtliche Weise zusammengeführte Herzen für immer wieder aus einander gerissen hatte, man fühlte den Schmerz der Wunde, die in dem bessern dieser beiden Herzen — wer weiß wie lange — nachbluten mußte. Man fühlte — doch wozu es ausmalen? Ein Menschenbund getrennt, in welchem wahrhaftig Berg und Thal zusammenkamen! eine Freundschaft zerspellt, die hoch überm Erdenstaub ihre luftigen Bahnen westöstlich und ostwestlich wandelte! ein Doppelgestirn, darf man ja wohl sagen, auseinandergebrochen! und dieses — ist dein Werk, Miaulis! Ein Nachtwächter, der in den abgelegenen Theilen der Stadt die Stunde ausrufen wollte, sah zwei <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0120"/> wieder bedachte, daß er, ein so gediegener Mann, der alle Menschen liebte, und alle Menschen ihn, er, der bloße Theoretiker des Meuchelmords, ein praktischer Meuchelmörder sein sollte, so oft wurde er von neuer Rührung übermannt. Aus diesem Grunde hatte auch Niemand an einen Ausgleichsversuch gedacht; denn selbst wenn die allgemeine Abneigung gegen den Beleidiger zu überwinden gewesen wäre, so war die Beleidigung zu schwer, um verziehen, um vergessen werden zu können.</p><lb/> <p>Nach verschiedenen, mehr oder minder mißglückten Anstrengungen, dem Beisammensein die frühere ungezwungene Heiterkeit zurückzugeben, glaubte man den Abend beschließen zu müssen und brach auf. Mau fühlte die Unheilbarkeit des Risses, der zwei auf so seltene, wo nicht Welt- doch laufgeschichtliche Weise zusammengeführte Herzen für immer wieder aus einander gerissen hatte, man fühlte den Schmerz der Wunde, die in dem bessern dieser beiden Herzen — wer weiß wie lange — nachbluten mußte. Man fühlte — doch wozu es ausmalen? Ein Menschenbund getrennt, in welchem wahrhaftig Berg und Thal zusammenkamen! eine Freundschaft zerspellt, die hoch überm Erdenstaub ihre luftigen Bahnen westöstlich und ostwestlich wandelte! ein Doppelgestirn, darf man ja wohl sagen, auseinandergebrochen! und dieses — ist dein Werk, Miaulis!</p><lb/> <p>Ein Nachtwächter, der in den abgelegenen Theilen der Stadt die Stunde ausrufen wollte, sah zwei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
wieder bedachte, daß er, ein so gediegener Mann, der alle Menschen liebte, und alle Menschen ihn, er, der bloße Theoretiker des Meuchelmords, ein praktischer Meuchelmörder sein sollte, so oft wurde er von neuer Rührung übermannt. Aus diesem Grunde hatte auch Niemand an einen Ausgleichsversuch gedacht; denn selbst wenn die allgemeine Abneigung gegen den Beleidiger zu überwinden gewesen wäre, so war die Beleidigung zu schwer, um verziehen, um vergessen werden zu können.
Nach verschiedenen, mehr oder minder mißglückten Anstrengungen, dem Beisammensein die frühere ungezwungene Heiterkeit zurückzugeben, glaubte man den Abend beschließen zu müssen und brach auf. Mau fühlte die Unheilbarkeit des Risses, der zwei auf so seltene, wo nicht Welt- doch laufgeschichtliche Weise zusammengeführte Herzen für immer wieder aus einander gerissen hatte, man fühlte den Schmerz der Wunde, die in dem bessern dieser beiden Herzen — wer weiß wie lange — nachbluten mußte. Man fühlte — doch wozu es ausmalen? Ein Menschenbund getrennt, in welchem wahrhaftig Berg und Thal zusammenkamen! eine Freundschaft zerspellt, die hoch überm Erdenstaub ihre luftigen Bahnen westöstlich und ostwestlich wandelte! ein Doppelgestirn, darf man ja wohl sagen, auseinandergebrochen! und dieses — ist dein Werk, Miaulis!
Ein Nachtwächter, der in den abgelegenen Theilen der Stadt die Stunde ausrufen wollte, sah zwei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |