Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Habe doch recht Bedauern gehabt mit dem Herrn Sohn, begann er nun gegen ihn. Der Pfarrer von Y. . . burg ließ den frischen Bissen an der Gabel vor dem Munde schweben und sah den Redner befremdet an. Ich meine das Mißgeschick, das der Herr Sohn heut im Examen gehabt haben, fuhr dieser fort, unbarmherzig direct vorgehend. Wie so? was denn? fragte der Andere und ließ Messer und Gabel sinken, unseligster Entwicklung gewärtig. Wie? Sie wissen es noch nicht? Merkwürdig! rief der kleine Pfarrer und erzählte ihm hierauf, was Jedermann außer dem unglücklichen Vater wußte. Er hatte geglaubt, nur leicht auf ein Hühnerauge tupfen zu können, und nun war ihm die Genugthuung geworden, dieses Hühnerauge dem noch unbewußten Träger weitläufig in seiner ganzen Größe aufdecken zu dürfen. Der Pfarrer von Y . . . burg starrte ihn eine Weile an. Er übersah mit Einem Blicke sein ganzes Verhältniß zu der Gesellschaft. Worte nannten es nicht, nicht Pinsel noch Griffel! Weiterhin wurde ihm klar, daß Kalbsbraten für ihn abermals nur in der Erinnerung leben dürfe. Um nicht mit dem tauben Philipp noch einmal in Conflict zu kommen, legte er so viel Geld auf den Tisch, als die Zeche nach seiner Rechnung betragen mochte, winkte seinem Sohne, der alsbald an Habe doch recht Bedauern gehabt mit dem Herrn Sohn, begann er nun gegen ihn. Der Pfarrer von Y. . . burg ließ den frischen Bissen an der Gabel vor dem Munde schweben und sah den Redner befremdet an. Ich meine das Mißgeschick, das der Herr Sohn heut im Examen gehabt haben, fuhr dieser fort, unbarmherzig direct vorgehend. Wie so? was denn? fragte der Andere und ließ Messer und Gabel sinken, unseligster Entwicklung gewärtig. Wie? Sie wissen es noch nicht? Merkwürdig! rief der kleine Pfarrer und erzählte ihm hierauf, was Jedermann außer dem unglücklichen Vater wußte. Er hatte geglaubt, nur leicht auf ein Hühnerauge tupfen zu können, und nun war ihm die Genugthuung geworden, dieses Hühnerauge dem noch unbewußten Träger weitläufig in seiner ganzen Größe aufdecken zu dürfen. Der Pfarrer von Y . . . burg starrte ihn eine Weile an. Er übersah mit Einem Blicke sein ganzes Verhältniß zu der Gesellschaft. Worte nannten es nicht, nicht Pinsel noch Griffel! Weiterhin wurde ihm klar, daß Kalbsbraten für ihn abermals nur in der Erinnerung leben dürfe. Um nicht mit dem tauben Philipp noch einmal in Conflict zu kommen, legte er so viel Geld auf den Tisch, als die Zeche nach seiner Rechnung betragen mochte, winkte seinem Sohne, der alsbald an <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0118"/> <p>Habe doch recht Bedauern gehabt mit dem Herrn Sohn, begann er nun gegen ihn.</p><lb/> <p>Der Pfarrer von Y. . . burg ließ den frischen Bissen an der Gabel vor dem Munde schweben und sah den Redner befremdet an.</p><lb/> <p>Ich meine das Mißgeschick, das der Herr Sohn heut im Examen gehabt haben, fuhr dieser fort, unbarmherzig direct vorgehend.</p><lb/> <p>Wie so? was denn? fragte der Andere und ließ Messer und Gabel sinken, unseligster Entwicklung gewärtig.</p><lb/> <p>Wie? Sie wissen es noch nicht? Merkwürdig! rief der kleine Pfarrer und erzählte ihm hierauf, was Jedermann außer dem unglücklichen Vater wußte. Er hatte geglaubt, nur leicht auf ein Hühnerauge tupfen zu können, und nun war ihm die Genugthuung geworden, dieses Hühnerauge dem noch unbewußten Träger weitläufig in seiner ganzen Größe aufdecken zu dürfen.</p><lb/> <p>Der Pfarrer von Y . . . burg starrte ihn eine Weile an. Er übersah mit Einem Blicke sein ganzes Verhältniß zu der Gesellschaft. Worte nannten es nicht, nicht Pinsel noch Griffel! Weiterhin wurde ihm klar, daß Kalbsbraten für ihn abermals nur in der Erinnerung leben dürfe. Um nicht mit dem tauben Philipp noch einmal in Conflict zu kommen, legte er so viel Geld auf den Tisch, als die Zeche nach seiner Rechnung betragen mochte, winkte seinem Sohne, der alsbald an<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0118]
Habe doch recht Bedauern gehabt mit dem Herrn Sohn, begann er nun gegen ihn.
Der Pfarrer von Y. . . burg ließ den frischen Bissen an der Gabel vor dem Munde schweben und sah den Redner befremdet an.
Ich meine das Mißgeschick, das der Herr Sohn heut im Examen gehabt haben, fuhr dieser fort, unbarmherzig direct vorgehend.
Wie so? was denn? fragte der Andere und ließ Messer und Gabel sinken, unseligster Entwicklung gewärtig.
Wie? Sie wissen es noch nicht? Merkwürdig! rief der kleine Pfarrer und erzählte ihm hierauf, was Jedermann außer dem unglücklichen Vater wußte. Er hatte geglaubt, nur leicht auf ein Hühnerauge tupfen zu können, und nun war ihm die Genugthuung geworden, dieses Hühnerauge dem noch unbewußten Träger weitläufig in seiner ganzen Größe aufdecken zu dürfen.
Der Pfarrer von Y . . . burg starrte ihn eine Weile an. Er übersah mit Einem Blicke sein ganzes Verhältniß zu der Gesellschaft. Worte nannten es nicht, nicht Pinsel noch Griffel! Weiterhin wurde ihm klar, daß Kalbsbraten für ihn abermals nur in der Erinnerung leben dürfe. Um nicht mit dem tauben Philipp noch einmal in Conflict zu kommen, legte er so viel Geld auf den Tisch, als die Zeche nach seiner Rechnung betragen mochte, winkte seinem Sohne, der alsbald an
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Zitationshilfe: | Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/118>, abgerufen am 18.07.2024. |