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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Zurückweisungen zu reizen schien. Ja, ja, man darf nur knallen und
ausfahren! pflegte sie bei solchen Anlässen spöttisch zu sagen. Endlich
aber erwachte der ungestüme Zorn in ihm, den er so lange gebändigt
hatte. An einem sonnigen Decembernachmittage kam er an ihrem
Haus vorbei; sie hatte ihn den Fußweg kommen sehen und stand hin¬
ter dem Hause, wo das freie Feld sich öffnete und die Berge der
Alb herunter schauten. Er that als führe ihn der Weg nur so vor¬
bei; denn er hatte sich aus Unmuth ein paar Tage nicht blicken lassen.
Als er sie sah, grüßte er und lud sie zum Mitgehen ein, sie schlug
es ab, fragte aber warum er "nirgends hinkomme". Bist brav? fragte
er dagegen. Freilich, erwiderte sie. Gib mir einmal deine Hand, sagte
er. Sie ließ ihm die Hand und er versuchte ihr schnell und verstoh¬
len einen Silberring an den Finger zu stecken. Du thust mir ja so
weh! schrie sie, denn sie fühlte bloß einen Druck und Schmerz am
Finger, ohne zu wissen woher: wer wird Einem auch so weh thun!
Indem sie sich sträubte und ihre Hand aus der seinen zu ziehen suchte,
fiel das Ringlein zu Boden. So! sagte er in ausbrechendem Grimme,
ich hab's nicht hingeworfen, ich brauch's auch nicht aufzuheben, und
wenn du nicht anders wirst, so kann meinetwegen der Handel zu Ende
sein. Komm, Hansele! rief Christine dem Lamme zu, das frei um¬
herging, und in diesem Augenblicke zu ihr gesprungen kam: komm,
dein Herr will dich mitnehmen, der Handel, sagt er, reue ihn. Fried¬
rich gab dem armen Thiere einen Stoß, daß es an die Wand flog,
und ging ohne Abschied fort. Bin ich mit dem Puff gemeint gewe¬
sen? rief ihm Christine nach. Er hörte es nicht mehr, wenigstens
gab er keine Antwort. Sie setzte sich zu dem Lämmchen, das jämmer¬
lich schrie, auf den Boden, streichelte und untersuchte es; es hinkte
ein wenig, hatte aber sonst keinen Schaden genommen. Nachdem sie
es beruhigt, suchte sie nach dem Ringlein, das sie bald im Grase
fand; sie steckte es an den Finger und sah eine Weile seufzend hinter
dem Trotzkopf her, dann zog sie es wieder ab und verbarg es sorg¬
fältig an ihrer Brust.

Friedrich strafte sie mit achttägigem Wegbleiben. Es kam ein
großer Markttag und mit ihm der letzte Tanz vor der geschlossenen
Zeit, die von Weihnachten bis Neujahr dauert. Sonst hatte er im¬
mer dafür gesorgt, daß sein Mädchen zum Tanze kam; diesmal that

Zurückweiſungen zu reizen ſchien. Ja, ja, man darf nur knallen und
ausfahren! pflegte ſie bei ſolchen Anläſſen ſpöttiſch zu ſagen. Endlich
aber erwachte der ungeſtüme Zorn in ihm, den er ſo lange gebändigt
hatte. An einem ſonnigen Decembernachmittage kam er an ihrem
Haus vorbei; ſie hatte ihn den Fußweg kommen ſehen und ſtand hin¬
ter dem Hauſe, wo das freie Feld ſich öffnete und die Berge der
Alb herunter ſchauten. Er that als führe ihn der Weg nur ſo vor¬
bei; denn er hatte ſich aus Unmuth ein paar Tage nicht blicken laſſen.
Als er ſie ſah, grüßte er und lud ſie zum Mitgehen ein, ſie ſchlug
es ab, fragte aber warum er „nirgends hinkomme“. Biſt brav? fragte
er dagegen. Freilich, erwiderte ſie. Gib mir einmal deine Hand, ſagte
er. Sie ließ ihm die Hand und er verſuchte ihr ſchnell und verſtoh¬
len einen Silberring an den Finger zu ſtecken. Du thuſt mir ja ſo
weh! ſchrie ſie, denn ſie fühlte bloß einen Druck und Schmerz am
Finger, ohne zu wiſſen woher: wer wird Einem auch ſo weh thun!
Indem ſie ſich ſträubte und ihre Hand aus der ſeinen zu ziehen ſuchte,
fiel das Ringlein zu Boden. So! ſagte er in ausbrechendem Grimme,
ich hab's nicht hingeworfen, ich brauch's auch nicht aufzuheben, und
wenn du nicht anders wirſt, ſo kann meinetwegen der Handel zu Ende
ſein. Komm, Hanſele! rief Chriſtine dem Lamme zu, das frei um¬
herging, und in dieſem Augenblicke zu ihr geſprungen kam: komm,
dein Herr will dich mitnehmen, der Handel, ſagt er, reue ihn. Fried¬
rich gab dem armen Thiere einen Stoß, daß es an die Wand flog,
und ging ohne Abſchied fort. Bin ich mit dem Puff gemeint gewe¬
ſen? rief ihm Chriſtine nach. Er hörte es nicht mehr, wenigſtens
gab er keine Antwort. Sie ſetzte ſich zu dem Lämmchen, das jämmer¬
lich ſchrie, auf den Boden, ſtreichelte und unterſuchte es; es hinkte
ein wenig, hatte aber ſonſt keinen Schaden genommen. Nachdem ſie
es beruhigt, ſuchte ſie nach dem Ringlein, das ſie bald im Graſe
fand; ſie ſteckte es an den Finger und ſah eine Weile ſeufzend hinter
dem Trotzkopf her, dann zog ſie es wieder ab und verbarg es ſorg¬
fältig an ihrer Bruſt.

Friedrich ſtrafte ſie mit achttägigem Wegbleiben. Es kam ein
großer Markttag und mit ihm der letzte Tanz vor der geſchloſſenen
Zeit, die von Weihnachten bis Neujahr dauert. Sonſt hatte er im¬
mer dafür geſorgt, daß ſein Mädchen zum Tanze kam; diesmal that

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[80/0096] Zurückweiſungen zu reizen ſchien. Ja, ja, man darf nur knallen und ausfahren! pflegte ſie bei ſolchen Anläſſen ſpöttiſch zu ſagen. Endlich aber erwachte der ungeſtüme Zorn in ihm, den er ſo lange gebändigt hatte. An einem ſonnigen Decembernachmittage kam er an ihrem Haus vorbei; ſie hatte ihn den Fußweg kommen ſehen und ſtand hin¬ ter dem Hauſe, wo das freie Feld ſich öffnete und die Berge der Alb herunter ſchauten. Er that als führe ihn der Weg nur ſo vor¬ bei; denn er hatte ſich aus Unmuth ein paar Tage nicht blicken laſſen. Als er ſie ſah, grüßte er und lud ſie zum Mitgehen ein, ſie ſchlug es ab, fragte aber warum er „nirgends hinkomme“. Biſt brav? fragte er dagegen. Freilich, erwiderte ſie. Gib mir einmal deine Hand, ſagte er. Sie ließ ihm die Hand und er verſuchte ihr ſchnell und verſtoh¬ len einen Silberring an den Finger zu ſtecken. Du thuſt mir ja ſo weh! ſchrie ſie, denn ſie fühlte bloß einen Druck und Schmerz am Finger, ohne zu wiſſen woher: wer wird Einem auch ſo weh thun! Indem ſie ſich ſträubte und ihre Hand aus der ſeinen zu ziehen ſuchte, fiel das Ringlein zu Boden. So! ſagte er in ausbrechendem Grimme, ich hab's nicht hingeworfen, ich brauch's auch nicht aufzuheben, und wenn du nicht anders wirſt, ſo kann meinetwegen der Handel zu Ende ſein. Komm, Hanſele! rief Chriſtine dem Lamme zu, das frei um¬ herging, und in dieſem Augenblicke zu ihr geſprungen kam: komm, dein Herr will dich mitnehmen, der Handel, ſagt er, reue ihn. Fried¬ rich gab dem armen Thiere einen Stoß, daß es an die Wand flog, und ging ohne Abſchied fort. Bin ich mit dem Puff gemeint gewe¬ ſen? rief ihm Chriſtine nach. Er hörte es nicht mehr, wenigſtens gab er keine Antwort. Sie ſetzte ſich zu dem Lämmchen, das jämmer¬ lich ſchrie, auf den Boden, ſtreichelte und unterſuchte es; es hinkte ein wenig, hatte aber ſonſt keinen Schaden genommen. Nachdem ſie es beruhigt, ſuchte ſie nach dem Ringlein, das ſie bald im Graſe fand; ſie ſteckte es an den Finger und ſah eine Weile ſeufzend hinter dem Trotzkopf her, dann zog ſie es wieder ab und verbarg es ſorg¬ fältig an ihrer Bruſt. Friedrich ſtrafte ſie mit achttägigem Wegbleiben. Es kam ein großer Markttag und mit ihm der letzte Tanz vor der geſchloſſenen Zeit, die von Weihnachten bis Neujahr dauert. Sonſt hatte er im¬ mer dafür geſorgt, daß ſein Mädchen zum Tanze kam; diesmal that

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/96>, abgerufen am 23.11.2024.