Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

weil in Verwahrung und lass' ihr's anbefohlen sein, bis ich's einmal
nöthiger hab', als just heut; mir ist's nicht so eilig damit, und bei
ihr kommt vielleicht einmal eine Zeit, wo sie ihr Herz von dem Thier¬
lein losmacht und an etwas Anders hängt. -- Er blickte ihr dabei listig
lächelnd ins Gesicht, wo durch die Regenschauer wieder ein Sonnen¬
schein geschlichen kam, und da dem Hirschbauer die Sache weder lieb
noch leid zu sein schien, die Mutter aber beifällig lachte, so fuhr er
fort: So wärm wir also Handels eins, aber das muß ich mir aus¬
bedingen, daß ich unterzwisperts nach meinem Lamm schauen darf,
ob's auch in guter Wartung steht, denn es ist und bleibt mein Eigen¬
thum, und ich will's hier nur eingestellt haben; also von Zeit zu
Zeit werd' ich so frei sein und anfragen, ob's brav gedeiht. Dabei
krabbelte er kunstgerecht an dem Lämmchen herum, wartete keine Ant¬
wort ab, sondern sprang gewandt, wie ein Cavalier, auf andere Dinge
über, schwatzte von dem und jenem, streichelte und neckte den kleinen
Wollkopf, der, dem Aeußern nach noch glücklicher als Christine, sein
gerettetes Lamm festhielt, fragte nach den beiden ältern Söhnen, welche
ja seine Schulkameraden seien, und als die Mutter nicht ermangelte,
dieselben herbeizurufen, so lud er sie kurzweg ein, den "Weinkauf"
über den abgeschlossenen Handel zu trinken, denn derselbe müsse stät
und fest sein. Dabei faßte er die beiden Bursche, die ungefähr in
seinem Alter sein mochten, an den Armen, trieb sie zur Thür hinaus,
ohne ihnen Zeit zu einer Widerrede zu lassen, nahm Abschied und
war mit ihnen fort, ehe Jemand etwas zu thun oder zu sagen wußte.
Die Hirschbäuerin allein war gefaßt genug ihm nachzurufen, er möchte
so frei sein, ihnen bald wieder die Ehre zu schenken.

Der Hirschbauer sah sein Weib eine Weile in stiller Verwunderung
an, während Christine sich wieder auf die Seite machte, um wenig¬
stens dem ersten Anlauf etwaiger Erörterungen auszuweichen, wobei
sie jedoch wohlweislich die Thüre ein wenig offen ließ.

Das hätt'st du auch können bleiben lassen, sagte er endlich ver¬
drießlich: es kommt mir grad vor wie wenn man dem Marder den
Schlüssel zum Taubenschlag ausliefert.

Wenn du dich nur nicht auf Gesichter verstehen wolltest, entgeg¬
nete sie. Hast ihm denn nicht in die Augen gesehen? Der meint's
ehrlich.

weil in Verwahrung und laſſ' ihr's anbefohlen ſein, bis ich's einmal
nöthiger hab', als juſt heut; mir iſt's nicht ſo eilig damit, und bei
ihr kommt vielleicht einmal eine Zeit, wo ſie ihr Herz von dem Thier¬
lein losmacht und an etwas Anders hängt. — Er blickte ihr dabei liſtig
lächelnd ins Geſicht, wo durch die Regenſchauer wieder ein Sonnen¬
ſchein geſchlichen kam, und da dem Hirſchbauer die Sache weder lieb
noch leid zu ſein ſchien, die Mutter aber beifällig lachte, ſo fuhr er
fort: So wärm wir alſo Handels eins, aber das muß ich mir aus¬
bedingen, daß ich unterzwiſperts nach meinem Lamm ſchauen darf,
ob's auch in guter Wartung ſteht, denn es iſt und bleibt mein Eigen¬
thum, und ich will's hier nur eingeſtellt haben; alſo von Zeit zu
Zeit werd' ich ſo frei ſein und anfragen, ob's brav gedeiht. Dabei
krabbelte er kunſtgerecht an dem Lämmchen herum, wartete keine Ant¬
wort ab, ſondern ſprang gewandt, wie ein Cavalier, auf andere Dinge
über, ſchwatzte von dem und jenem, ſtreichelte und neckte den kleinen
Wollkopf, der, dem Aeußern nach noch glücklicher als Chriſtine, ſein
gerettetes Lamm feſthielt, fragte nach den beiden ältern Söhnen, welche
ja ſeine Schulkameraden ſeien, und als die Mutter nicht ermangelte,
dieſelben herbeizurufen, ſo lud er ſie kurzweg ein, den „Weinkauf“
über den abgeſchloſſenen Handel zu trinken, denn derſelbe müſſe ſtät
und feſt ſein. Dabei faßte er die beiden Burſche, die ungefähr in
ſeinem Alter ſein mochten, an den Armen, trieb ſie zur Thür hinaus,
ohne ihnen Zeit zu einer Widerrede zu laſſen, nahm Abſchied und
war mit ihnen fort, ehe Jemand etwas zu thun oder zu ſagen wußte.
Die Hirſchbäuerin allein war gefaßt genug ihm nachzurufen, er möchte
ſo frei ſein, ihnen bald wieder die Ehre zu ſchenken.

Der Hirſchbauer ſah ſein Weib eine Weile in ſtiller Verwunderung
an, während Chriſtine ſich wieder auf die Seite machte, um wenig¬
ſtens dem erſten Anlauf etwaiger Erörterungen auszuweichen, wobei
ſie jedoch wohlweislich die Thüre ein wenig offen ließ.

Das hätt'ſt du auch können bleiben laſſen, ſagte er endlich ver¬
drießlich: es kommt mir grad vor wie wenn man dem Marder den
Schlüſſel zum Taubenſchlag ausliefert.

Wenn du dich nur nicht auf Geſichter verſtehen wollteſt, entgeg¬
nete ſie. Haſt ihm denn nicht in die Augen geſehen? Der meint's
ehrlich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="70"/>
weil in Verwahrung und la&#x017F;&#x017F;' ihr's anbefohlen &#x017F;ein, bis ich's einmal<lb/>
nöthiger hab', als ju&#x017F;t heut; mir i&#x017F;t's nicht &#x017F;o eilig damit, und bei<lb/>
ihr kommt vielleicht einmal eine Zeit, wo &#x017F;ie ihr Herz von dem Thier¬<lb/>
lein losmacht und an etwas Anders hängt. &#x2014; Er blickte ihr dabei li&#x017F;tig<lb/>
lächelnd ins Ge&#x017F;icht, wo durch die Regen&#x017F;chauer wieder ein Sonnen¬<lb/>
&#x017F;chein ge&#x017F;chlichen kam, und da dem Hir&#x017F;chbauer die Sache weder lieb<lb/>
noch leid zu &#x017F;ein &#x017F;chien, die Mutter aber beifällig lachte, &#x017F;o fuhr er<lb/>
fort: So wärm wir al&#x017F;o Handels eins, aber das muß ich mir aus¬<lb/>
bedingen, daß ich unterzwi&#x017F;perts nach meinem Lamm &#x017F;chauen darf,<lb/>
ob's auch in guter Wartung &#x017F;teht, denn es i&#x017F;t und bleibt mein Eigen¬<lb/>
thum, und ich will's hier nur einge&#x017F;tellt haben; al&#x017F;o von Zeit zu<lb/>
Zeit werd' ich &#x017F;o frei &#x017F;ein und anfragen, ob's brav gedeiht. Dabei<lb/>
krabbelte er kun&#x017F;tgerecht an dem Lämmchen herum, wartete keine Ant¬<lb/>
wort ab, &#x017F;ondern &#x017F;prang gewandt, wie ein Cavalier, auf andere Dinge<lb/>
über, &#x017F;chwatzte von dem und jenem, &#x017F;treichelte und neckte den kleinen<lb/>
Wollkopf, der, dem Aeußern nach noch glücklicher als Chri&#x017F;tine, &#x017F;ein<lb/>
gerettetes Lamm fe&#x017F;thielt, fragte nach den beiden ältern Söhnen, welche<lb/>
ja &#x017F;eine Schulkameraden &#x017F;eien, und als die Mutter nicht ermangelte,<lb/>
die&#x017F;elben herbeizurufen, &#x017F;o lud er &#x017F;ie kurzweg ein, den &#x201E;Weinkauf&#x201C;<lb/>
über den abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Handel zu trinken, denn der&#x017F;elbe mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tät<lb/>
und fe&#x017F;t &#x017F;ein. Dabei faßte er die beiden Bur&#x017F;che, die ungefähr in<lb/>
&#x017F;einem Alter &#x017F;ein mochten, an den Armen, trieb &#x017F;ie zur Thür hinaus,<lb/>
ohne ihnen Zeit zu einer Widerrede zu la&#x017F;&#x017F;en, nahm Ab&#x017F;chied und<lb/>
war mit ihnen fort, ehe Jemand etwas zu thun oder zu &#x017F;agen wußte.<lb/>
Die Hir&#x017F;chbäuerin allein war gefaßt genug ihm nachzurufen, er möchte<lb/>
&#x017F;o frei &#x017F;ein, ihnen bald wieder die Ehre zu &#x017F;chenken.</p><lb/>
        <p>Der Hir&#x017F;chbauer &#x017F;ah &#x017F;ein Weib eine Weile in &#x017F;tiller Verwunderung<lb/>
an, während Chri&#x017F;tine &#x017F;ich wieder auf die Seite machte, um wenig¬<lb/>
&#x017F;tens dem er&#x017F;ten Anlauf etwaiger Erörterungen auszuweichen, wobei<lb/>
&#x017F;ie jedoch wohlweislich die Thüre ein wenig offen ließ.</p><lb/>
        <p>Das hätt'&#x017F;t du auch können bleiben la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;agte er endlich ver¬<lb/>
drießlich: es kommt mir grad vor wie wenn man dem Marder den<lb/>
Schlü&#x017F;&#x017F;el zum Tauben&#x017F;chlag ausliefert.</p><lb/>
        <p>Wenn du dich nur nicht auf Ge&#x017F;ichter ver&#x017F;tehen wollte&#x017F;t, entgeg¬<lb/>
nete &#x017F;ie. Ha&#x017F;t ihm denn nicht in die Augen ge&#x017F;ehen? Der meint's<lb/>
ehrlich.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0086] weil in Verwahrung und laſſ' ihr's anbefohlen ſein, bis ich's einmal nöthiger hab', als juſt heut; mir iſt's nicht ſo eilig damit, und bei ihr kommt vielleicht einmal eine Zeit, wo ſie ihr Herz von dem Thier¬ lein losmacht und an etwas Anders hängt. — Er blickte ihr dabei liſtig lächelnd ins Geſicht, wo durch die Regenſchauer wieder ein Sonnen¬ ſchein geſchlichen kam, und da dem Hirſchbauer die Sache weder lieb noch leid zu ſein ſchien, die Mutter aber beifällig lachte, ſo fuhr er fort: So wärm wir alſo Handels eins, aber das muß ich mir aus¬ bedingen, daß ich unterzwiſperts nach meinem Lamm ſchauen darf, ob's auch in guter Wartung ſteht, denn es iſt und bleibt mein Eigen¬ thum, und ich will's hier nur eingeſtellt haben; alſo von Zeit zu Zeit werd' ich ſo frei ſein und anfragen, ob's brav gedeiht. Dabei krabbelte er kunſtgerecht an dem Lämmchen herum, wartete keine Ant¬ wort ab, ſondern ſprang gewandt, wie ein Cavalier, auf andere Dinge über, ſchwatzte von dem und jenem, ſtreichelte und neckte den kleinen Wollkopf, der, dem Aeußern nach noch glücklicher als Chriſtine, ſein gerettetes Lamm feſthielt, fragte nach den beiden ältern Söhnen, welche ja ſeine Schulkameraden ſeien, und als die Mutter nicht ermangelte, dieſelben herbeizurufen, ſo lud er ſie kurzweg ein, den „Weinkauf“ über den abgeſchloſſenen Handel zu trinken, denn derſelbe müſſe ſtät und feſt ſein. Dabei faßte er die beiden Burſche, die ungefähr in ſeinem Alter ſein mochten, an den Armen, trieb ſie zur Thür hinaus, ohne ihnen Zeit zu einer Widerrede zu laſſen, nahm Abſchied und war mit ihnen fort, ehe Jemand etwas zu thun oder zu ſagen wußte. Die Hirſchbäuerin allein war gefaßt genug ihm nachzurufen, er möchte ſo frei ſein, ihnen bald wieder die Ehre zu ſchenken. Der Hirſchbauer ſah ſein Weib eine Weile in ſtiller Verwunderung an, während Chriſtine ſich wieder auf die Seite machte, um wenig¬ ſtens dem erſten Anlauf etwaiger Erörterungen auszuweichen, wobei ſie jedoch wohlweislich die Thüre ein wenig offen ließ. Das hätt'ſt du auch können bleiben laſſen, ſagte er endlich ver¬ drießlich: es kommt mir grad vor wie wenn man dem Marder den Schlüſſel zum Taubenſchlag ausliefert. Wenn du dich nur nicht auf Geſichter verſtehen wollteſt, entgeg¬ nete ſie. Haſt ihm denn nicht in die Augen geſehen? Der meint's ehrlich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/86
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/86>, abgerufen am 02.05.2024.