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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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selbst sich des Schlemmens enthielt, manche Flasche mehr absetzte; und
endlich konnte es dem Alten doch auch nicht ganz gleichgiltig sein,
den einzigen Sohn, in dessen Hände dereinst die Sonne kommen sollte,
so einschlagen und in sich gehen zu sehen. Von dem Vorfall mit der
Amtmännin erfuhr er nichts, denn diese hatte ihre Pille stillschwei¬
gend verschluckt; und als es ihm nach einiger Zeit auffiel, daß Frie¬
drich kein Fleisch mehr ins Amthaus trug, so entschuldigte dieser sein
Wegbleiben damit, daß die Amtmännin nicht undeutlich die Absicht
blicken lasse, ihm ihre Köchin zu kuppeln, worauf der Alte sein Be¬
tragen höchlich billigte. Er ließ schon in der Stille sein Auge unter
zwei oder drei Posthalterstöchtern in der Gegend umherschweifen, denn
wie die alten Grafen von Würtemberg auf den Herzogshut, so war
der Sonnenwirth mit allen erdenklichen Mitteln darauf bedacht, der
Sonne durch Verbindung mit einer Postgerechtigkeit, die durch Hei¬
rath am wohlfeilsten zu erlangen war, einen höheren Aufschwung zu
geben. Noch immer zwar blieb er in Mienen und Worten streng
gegen seinen Sohn, denn er hielt es, wie er sagte, für gerathen, den
Burschen "in der Stange zu reiten"; aber wenn er sich von ihm un¬
beachtet glaubte, so schmunzelte er oft recht behaglich hinter ihm her.
Unter diesen Umständen mußte auch die Stiefmutter zu einer berech¬
neten Freundlichkeit aufthauen, denn bei eintretenden Veränderungen
wurde Friedrich, ob es ihr nun gefallen mochte oder nicht, eine
bedeutende Person für sie. Uebrigens dauerte diese Consideration, wie
die Frau Amtmännin es genannt haben würde, nur kurze Zeit: nach¬
dem ihr der Fischer eines Tages seinen heimlichen Bericht abgestattet
hatte, begann auf ihrem Gesichte ein zweideutiges Lächeln stehend zu
werden, welches hinter Friedrich's Rücken oft eben so höhnisch als das
seines Vaters wohlgefällig war. Diesem hatte sie längst seine Plane
abgelauscht und wußte ihn durch gelegentlich hingeworfene Reden eifrig
darin zu bestärken. Zu dem Fischer sagte sie bei jener Gelegenheit:
Ich hab' mir's von Anfang eingebild't, daß der Bub' nicht gut thun
wird, es ist seine Art nicht. -- So einem reichen Söhnlein, erwi¬
derte der Fischer, hätt' man Zuchthaus und Alles verziehen. Ich
möcht' nur auch sehen, wie man selbigenfalls mit unser Einem um¬
ging'; da wär' kein Aufkommen mehr. Wiewohl, der begehrt doch
den Berg abe, er kann eben das Glück nicht vertragen.

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ſelbſt ſich des Schlemmens enthielt, manche Flaſche mehr abſetzte; und
endlich konnte es dem Alten doch auch nicht ganz gleichgiltig ſein,
den einzigen Sohn, in deſſen Hände dereinſt die Sonne kommen ſollte,
ſo einſchlagen und in ſich gehen zu ſehen. Von dem Vorfall mit der
Amtmännin erfuhr er nichts, denn dieſe hatte ihre Pille ſtillſchwei¬
gend verſchluckt; und als es ihm nach einiger Zeit auffiel, daß Frie¬
drich kein Fleiſch mehr ins Amthaus trug, ſo entſchuldigte dieſer ſein
Wegbleiben damit, daß die Amtmännin nicht undeutlich die Abſicht
blicken laſſe, ihm ihre Köchin zu kuppeln, worauf der Alte ſein Be¬
tragen höchlich billigte. Er ließ ſchon in der Stille ſein Auge unter
zwei oder drei Poſthalterstöchtern in der Gegend umherſchweifen, denn
wie die alten Grafen von Würtemberg auf den Herzogshut, ſo war
der Sonnenwirth mit allen erdenklichen Mitteln darauf bedacht, der
Sonne durch Verbindung mit einer Poſtgerechtigkeit, die durch Hei¬
rath am wohlfeilſten zu erlangen war, einen höheren Aufſchwung zu
geben. Noch immer zwar blieb er in Mienen und Worten ſtreng
gegen ſeinen Sohn, denn er hielt es, wie er ſagte, für gerathen, den
Burſchen „in der Stange zu reiten“; aber wenn er ſich von ihm un¬
beachtet glaubte, ſo ſchmunzelte er oft recht behaglich hinter ihm her.
Unter dieſen Umſtänden mußte auch die Stiefmutter zu einer berech¬
neten Freundlichkeit aufthauen, denn bei eintretenden Veränderungen
wurde Friedrich, ob es ihr nun gefallen mochte oder nicht, eine
bedeutende Perſon für ſie. Uebrigens dauerte dieſe Conſideration, wie
die Frau Amtmännin es genannt haben würde, nur kurze Zeit: nach¬
dem ihr der Fiſcher eines Tages ſeinen heimlichen Bericht abgeſtattet
hatte, begann auf ihrem Geſichte ein zweideutiges Lächeln ſtehend zu
werden, welches hinter Friedrich's Rücken oft eben ſo höhniſch als das
ſeines Vaters wohlgefällig war. Dieſem hatte ſie längſt ſeine Plane
abgelauſcht und wußte ihn durch gelegentlich hingeworfene Reden eifrig
darin zu beſtärken. Zu dem Fiſcher ſagte ſie bei jener Gelegenheit:
Ich hab' mir's von Anfang eingebild't, daß der Bub' nicht gut thun
wird, es iſt ſeine Art nicht. — So einem reichen Söhnlein, erwi¬
derte der Fiſcher, hätt' man Zuchthaus und Alles verziehen. Ich
möcht' nur auch ſehen, wie man ſelbigenfalls mit unſer Einem um¬
ging'; da wär' kein Aufkommen mehr. Wiewohl, der begehrt doch
den Berg abe, er kann eben das Glück nicht vertragen.

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[67/0083] ſelbſt ſich des Schlemmens enthielt, manche Flaſche mehr abſetzte; und endlich konnte es dem Alten doch auch nicht ganz gleichgiltig ſein, den einzigen Sohn, in deſſen Hände dereinſt die Sonne kommen ſollte, ſo einſchlagen und in ſich gehen zu ſehen. Von dem Vorfall mit der Amtmännin erfuhr er nichts, denn dieſe hatte ihre Pille ſtillſchwei¬ gend verſchluckt; und als es ihm nach einiger Zeit auffiel, daß Frie¬ drich kein Fleiſch mehr ins Amthaus trug, ſo entſchuldigte dieſer ſein Wegbleiben damit, daß die Amtmännin nicht undeutlich die Abſicht blicken laſſe, ihm ihre Köchin zu kuppeln, worauf der Alte ſein Be¬ tragen höchlich billigte. Er ließ ſchon in der Stille ſein Auge unter zwei oder drei Poſthalterstöchtern in der Gegend umherſchweifen, denn wie die alten Grafen von Würtemberg auf den Herzogshut, ſo war der Sonnenwirth mit allen erdenklichen Mitteln darauf bedacht, der Sonne durch Verbindung mit einer Poſtgerechtigkeit, die durch Hei¬ rath am wohlfeilſten zu erlangen war, einen höheren Aufſchwung zu geben. Noch immer zwar blieb er in Mienen und Worten ſtreng gegen ſeinen Sohn, denn er hielt es, wie er ſagte, für gerathen, den Burſchen „in der Stange zu reiten“; aber wenn er ſich von ihm un¬ beachtet glaubte, ſo ſchmunzelte er oft recht behaglich hinter ihm her. Unter dieſen Umſtänden mußte auch die Stiefmutter zu einer berech¬ neten Freundlichkeit aufthauen, denn bei eintretenden Veränderungen wurde Friedrich, ob es ihr nun gefallen mochte oder nicht, eine bedeutende Perſon für ſie. Uebrigens dauerte dieſe Conſideration, wie die Frau Amtmännin es genannt haben würde, nur kurze Zeit: nach¬ dem ihr der Fiſcher eines Tages ſeinen heimlichen Bericht abgeſtattet hatte, begann auf ihrem Geſichte ein zweideutiges Lächeln ſtehend zu werden, welches hinter Friedrich's Rücken oft eben ſo höhniſch als das ſeines Vaters wohlgefällig war. Dieſem hatte ſie längſt ſeine Plane abgelauſcht und wußte ihn durch gelegentlich hingeworfene Reden eifrig darin zu beſtärken. Zu dem Fiſcher ſagte ſie bei jener Gelegenheit: Ich hab' mir's von Anfang eingebild't, daß der Bub' nicht gut thun wird, es iſt ſeine Art nicht. — So einem reichen Söhnlein, erwi¬ derte der Fiſcher, hätt' man Zuchthaus und Alles verziehen. Ich möcht' nur auch ſehen, wie man ſelbigenfalls mit unſer Einem um¬ ging'; da wär' kein Aufkommen mehr. Wiewohl, der begehrt doch den Berg abe, er kann eben das Glück nicht vertragen. 5 *

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/83>, abgerufen am 23.11.2024.