Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Friedrich lachte und trug das Fleisch in die Küche. Da, Jungfer,
sagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.

Das Mädchen ließ mit einem leisen Schrei den Korb fallen und
flüchtete sich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und
Gedrücktes in ihrem Wesen und sah, obwohl noch jugendlich und nicht
unschön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der
Amtmännin, die sie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich
aber als Dienstmagd zu sich genommen hatte.

Es ist nicht so ernstlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur
sachte mit der Braut! Das Fleischle da hätt' so sauber bleiben kön¬
nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben soll.

Er hob das Fleisch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd
und verließ die Küche, indem er brummte: Was sich die nicht einbil¬
det, und ist nur so ein Flügel.

Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau
Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein
eingeschenkt, zu dem er sich nicht lange nöthigen ließ.

Hat's draußen was abgesetzt? fragte sie. Ich meinte einen Fall
zu hören.

O der Jungfer ist nur ein kleiner Poss' passirt. Darauf hab' ich
weiter gar nichts gesagt als "Sachte mit der Braut!" und da ist sie
gleich ganz schiefrig geworden.

Die gestrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf
den Mosje Friedrich an, sagte sie, ob er aus dem Sprichwort Ernst
machen will. Das Mädchen ist aus einer sehr guten, aber während
der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen
Familie. Nun, dafür hat sie sich desto besser in der Welt fortbringen
gelernt; das ist auch eine Aussteuer. Sie ist schon bei einem adeligen
Geheimenrath in Diensten gewesen, und weiß was Mores sind. Das
gäb' eine Wirthin, die den vornehmsten Gästen gewachsen wäre.

Sie sagte dies Alles auf eine scherzhafte Weise, in welcher gleich¬
wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte sie hinzu, Wirthe
sehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthssöhnen
wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.

Conträr, im Gegentheil, versetzte der junge Mensch, ich seh' bei
einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich ist

Friedrich lachte und trug das Fleiſch in die Küche. Da, Jungfer,
ſagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.

Das Mädchen ließ mit einem leiſen Schrei den Korb fallen und
flüchtete ſich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und
Gedrücktes in ihrem Weſen und ſah, obwohl noch jugendlich und nicht
unſchön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der
Amtmännin, die ſie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich
aber als Dienſtmagd zu ſich genommen hatte.

Es iſt nicht ſo ernſtlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur
ſachte mit der Braut! Das Fleiſchle da hätt' ſo ſauber bleiben kön¬
nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben ſoll.

Er hob das Fleiſch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd
und verließ die Küche, indem er brummte: Was ſich die nicht einbil¬
det, und iſt nur ſo ein Flügel.

Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau
Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein
eingeſchenkt, zu dem er ſich nicht lange nöthigen ließ.

Hat's draußen was abgeſetzt? fragte ſie. Ich meinte einen Fall
zu hören.

O der Jungfer iſt nur ein kleiner Poſſ' paſſirt. Darauf hab' ich
weiter gar nichts geſagt als „Sachte mit der Braut!“ und da iſt ſie
gleich ganz ſchiefrig geworden.

Die geſtrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf
den Mosje Friedrich an, ſagte ſie, ob er aus dem Sprichwort Ernſt
machen will. Das Mädchen iſt aus einer ſehr guten, aber während
der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen
Familie. Nun, dafür hat ſie ſich deſto beſſer in der Welt fortbringen
gelernt; das iſt auch eine Ausſteuer. Sie iſt ſchon bei einem adeligen
Geheimenrath in Dienſten geweſen, und weiß was Mores ſind. Das
gäb' eine Wirthin, die den vornehmſten Gäſten gewachſen wäre.

Sie ſagte dies Alles auf eine ſcherzhafte Weiſe, in welcher gleich¬
wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte ſie hinzu, Wirthe
ſehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthsſöhnen
wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.

Conträr, im Gegentheil, verſetzte der junge Menſch, ich ſeh' bei
einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0075" n="59"/>
        <p>Friedrich lachte und trug das Flei&#x017F;ch in die Küche. Da, Jungfer,<lb/>
&#x017F;agte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe.</p><lb/>
        <p>Das Mädchen ließ mit einem lei&#x017F;en Schrei den Korb fallen und<lb/>
flüchtete &#x017F;ich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und<lb/>
Gedrücktes in ihrem We&#x017F;en und &#x017F;ah, obwohl noch jugendlich und nicht<lb/>
un&#x017F;chön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der<lb/>
Amtmännin, die &#x017F;ie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich<lb/>
aber als Dien&#x017F;tmagd zu &#x017F;ich genommen hatte.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t nicht &#x017F;o ern&#x017F;tlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur<lb/>
&#x017F;achte mit der Braut! Das Flei&#x017F;chle da hätt' &#x017F;o &#x017F;auber bleiben kön¬<lb/>
nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Er hob das Flei&#x017F;ch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd<lb/>
und verließ die Küche, indem er brummte: Was &#x017F;ich die nicht einbil¬<lb/>
det, und i&#x017F;t nur &#x017F;o ein Flügel.</p><lb/>
        <p>Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau<lb/>
Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein<lb/>
einge&#x017F;chenkt, zu dem er &#x017F;ich nicht lange nöthigen ließ.</p><lb/>
        <p>Hat's draußen was abge&#x017F;etzt? fragte &#x017F;ie. Ich meinte einen Fall<lb/>
zu hören.</p><lb/>
        <p>O der Jungfer i&#x017F;t nur ein kleiner Po&#x017F;&#x017F;' pa&#x017F;&#x017F;irt. Darauf hab' ich<lb/>
weiter gar nichts ge&#x017F;agt als &#x201E;Sachte mit der Braut!&#x201C; und da i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
gleich ganz &#x017F;chiefrig geworden.</p><lb/>
        <p>Die ge&#x017F;trenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf<lb/>
den Mosje Friedrich an, &#x017F;agte &#x017F;ie, ob er aus dem Sprichwort Ern&#x017F;t<lb/>
machen will. Das Mädchen i&#x017F;t aus einer &#x017F;ehr guten, aber während<lb/>
der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen<lb/>
Familie. Nun, dafür hat &#x017F;ie &#x017F;ich de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er in der Welt fortbringen<lb/>
gelernt; das i&#x017F;t auch eine Aus&#x017F;teuer. Sie i&#x017F;t &#x017F;chon bei einem adeligen<lb/>
Geheimenrath in Dien&#x017F;ten gewe&#x017F;en, und weiß was Mores &#x017F;ind. Das<lb/>
gäb' eine Wirthin, die den vornehm&#x017F;ten Gä&#x017F;ten gewach&#x017F;en wäre.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;agte dies Alles auf eine &#x017F;cherzhafte Wei&#x017F;e, in welcher gleich¬<lb/>
wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte &#x017F;ie hinzu, Wirthe<lb/>
&#x017F;ehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirths&#x017F;öhnen<lb/>
wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen.</p><lb/>
        <p>Conträr, im Gegentheil, ver&#x017F;etzte der junge Men&#x017F;ch, ich &#x017F;eh' bei<lb/>
einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich i&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0075] Friedrich lachte und trug das Fleiſch in die Küche. Da, Jungfer, ſagte er, und die Frau hat mir einen Kuß aufgetragen als Zugabe. Das Mädchen ließ mit einem leiſen Schrei den Korb fallen und flüchtete ſich hinter den Herd. Sie hatte etwas Demüthiges und Gedrücktes in ihrem Weſen und ſah, obwohl noch jugendlich und nicht unſchön, doch blaß und verblüht aus. Sie war eine Verwandte der Amtmännin, die ſie unter dem Namen einer Hausjungfer, eigentlich aber als Dienſtmagd zu ſich genommen hatte. Es iſt nicht ſo ernſtlich gemeint, Jungfer, lachte Friedrich. Nur ſachte mit der Braut! Das Fleiſchle da hätt' ſo ſauber bleiben kön¬ nen, wie Ihre Tugend von meinetwegen bleiben ſoll. Er hob das Fleiſch vom Boden auf, warf es ihr auf den Herd und verließ die Küche, indem er brummte: Was ſich die nicht einbil¬ det, und iſt nur ſo ein Flügel. Als er wieder in's Zimmer kam, um zu fragen was die Frau Amtmännin auf morgen zu befehlen habe, fand er ein Glas Wein eingeſchenkt, zu dem er ſich nicht lange nöthigen ließ. Hat's draußen was abgeſetzt? fragte ſie. Ich meinte einen Fall zu hören. O der Jungfer iſt nur ein kleiner Poſſ' paſſirt. Darauf hab' ich weiter gar nichts geſagt als „Sachte mit der Braut!“ und da iſt ſie gleich ganz ſchiefrig geworden. Die geſtrenge Frau lachte recht gnädig. Es kommt ja nur auf den Mosje Friedrich an, ſagte ſie, ob er aus dem Sprichwort Ernſt machen will. Das Mädchen iſt aus einer ſehr guten, aber während der Minderjährigkeit des Herzogs unterdrückten und herabgekommenen Familie. Nun, dafür hat ſie ſich deſto beſſer in der Welt fortbringen gelernt; das iſt auch eine Ausſteuer. Sie iſt ſchon bei einem adeligen Geheimenrath in Dienſten geweſen, und weiß was Mores ſind. Das gäb' eine Wirthin, die den vornehmſten Gäſten gewachſen wäre. Sie ſagte dies Alles auf eine ſcherzhafte Weiſe, in welcher gleich¬ wohl etwas Aufmunterndes lag. Aber freilich, fügte ſie hinzu, Wirthe ſehen mehr auf äußeres als auf inneres Metall, und bei Wirthsſöhnen wird man ohne Zweifel den gleichen Gout antreffen. Conträr, im Gegentheil, verſetzte der junge Menſch, ich ſeh' bei einem Mädle auf's Herz, und nicht auf die Batzen. Liebreich iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/75
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/75>, abgerufen am 27.11.2024.