Amtsmiene gegen ihn an, weil er ihn einmal in Untersuchung gehabt hatte, und ihn nun, wo nicht mit Worten und Werken, so doch mit Geberden polizeilich überwachen zu müssen glaubte. Dagegen war er bei der Frau Amtmännin sehr gut angeschrieben, und zwar, zu seiner eigenen Verwunderung, besser als er es verdiente, denn er hatte sich schon manche boshafte Bemerkung über ihr Pantoffelregiment erlaubt. Vielleicht war ihr nichts davon zu Ohren gekommen; genug, die stolze kräftige Frau empfand eine gewisse Theilnahme für den jungen Bur¬ schen, der schon so früh über die Schranken der bürgerlichen Ordnung gesprungen war. Es schien ihr nicht unangenehm zu sein, wenn sie ihren Fleischbedarf von ihm in's Haus getragen bekam, und der alte Sonnenwirth, der keine Art von Gnadenschimmer aus den Augen ließ, sorgte alsbald dafür, seinem Sohne dieses Ehrenrecht auf dem Wege des Herkommens zu überweisen. Die gestrenge Frau pflegte ihn dabei sehr huldvoll zu behandeln, sie reichte ihm manchmal ein Glas Wein, ermahnte ihn zu vernünftiger Aufführung, ergötzte sich aber besonders gerne an seinen eigenthümlichen freimüthigen Aeuße¬ rungen. An solchen ließ es Friedrich selten mangeln; denn wenn er einmal seine Schüchternheit gegen Vornehmere überwunden hatte, so that er seiner Zunge, zumal wenn aufgemuntert, keine Gewalt mehr an. Die Gunst der Amtmännin ebnete ihm auch sonst noch seinen Pfad; der Schütz und die Schaarwächter, welche die Polizei im Flecken handhabten, ließen diese Stimmung ihrer Gebieterin nicht unbeachtet und drückten bei manchen Unregelmäßigkeiten des jungen Burschen, bei manchen kleinen Verstößen gegen die öffentliche Ordnung alle ihre Augen zu.
Unter diesen Umständen war er eines Morgens mit seinem Korbe ins Amthaus eingetreten. Die Amtmännin prüfte den Inhalt und sagte wohlgefällig: Das gibt ein schönes Brätchen, ich hab' alle Con¬ sideration vor Seines Vaters Geschmack, sag' Er ihm einen Gruß und ich sei wohl zufrieden.
O, ich hab's selber ausgewählt, Frau Amtmännin, erwiderte Friedrich.
Um so besser, so darf Er's auch selber in die Küche tragen. Geh' Er, mein Sohn, und bring' Er's der Kathrine hinaus. Daß Er sich aber nicht untersteht, dem Mädchen zu flattiren; ich habe mir sagen lassen, daß Er ein galanter Junker sei.
Amtsmiene gegen ihn an, weil er ihn einmal in Unterſuchung gehabt hatte, und ihn nun, wo nicht mit Worten und Werken, ſo doch mit Geberden polizeilich überwachen zu müſſen glaubte. Dagegen war er bei der Frau Amtmännin ſehr gut angeſchrieben, und zwar, zu ſeiner eigenen Verwunderung, beſſer als er es verdiente, denn er hatte ſich ſchon manche boshafte Bemerkung über ihr Pantoffelregiment erlaubt. Vielleicht war ihr nichts davon zu Ohren gekommen; genug, die ſtolze kräftige Frau empfand eine gewiſſe Theilnahme für den jungen Bur¬ ſchen, der ſchon ſo früh über die Schranken der bürgerlichen Ordnung geſprungen war. Es ſchien ihr nicht unangenehm zu ſein, wenn ſie ihren Fleiſchbedarf von ihm in's Haus getragen bekam, und der alte Sonnenwirth, der keine Art von Gnadenſchimmer aus den Augen ließ, ſorgte alsbald dafür, ſeinem Sohne dieſes Ehrenrecht auf dem Wege des Herkommens zu überweiſen. Die geſtrenge Frau pflegte ihn dabei ſehr huldvoll zu behandeln, ſie reichte ihm manchmal ein Glas Wein, ermahnte ihn zu vernünftiger Aufführung, ergötzte ſich aber beſonders gerne an ſeinen eigenthümlichen freimüthigen Aeuße¬ rungen. An ſolchen ließ es Friedrich ſelten mangeln; denn wenn er einmal ſeine Schüchternheit gegen Vornehmere überwunden hatte, ſo that er ſeiner Zunge, zumal wenn aufgemuntert, keine Gewalt mehr an. Die Gunſt der Amtmännin ebnete ihm auch ſonſt noch ſeinen Pfad; der Schütz und die Schaarwächter, welche die Polizei im Flecken handhabten, ließen dieſe Stimmung ihrer Gebieterin nicht unbeachtet und drückten bei manchen Unregelmäßigkeiten des jungen Burſchen, bei manchen kleinen Verſtößen gegen die öffentliche Ordnung alle ihre Augen zu.
Unter dieſen Umſtänden war er eines Morgens mit ſeinem Korbe ins Amthaus eingetreten. Die Amtmännin prüfte den Inhalt und ſagte wohlgefällig: Das gibt ein ſchönes Brätchen, ich hab' alle Con¬ ſideration vor Seines Vaters Geſchmack, ſag' Er ihm einen Gruß und ich ſei wohl zufrieden.
O, ich hab's ſelber ausgewählt, Frau Amtmännin, erwiderte Friedrich.
Um ſo beſſer, ſo darf Er's auch ſelber in die Küche tragen. Geh' Er, mein Sohn, und bring' Er's der Kathrine hinaus. Daß Er ſich aber nicht unterſteht, dem Mädchen zu flattiren; ich habe mir ſagen laſſen, daß Er ein galanter Junker ſei.
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Amtsmiene gegen ihn an, weil er ihn einmal in Unterſuchung gehabt
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Geberden polizeilich überwachen zu müſſen glaubte. Dagegen war er
bei der Frau Amtmännin ſehr gut angeſchrieben, und zwar, zu ſeiner
eigenen Verwunderung, beſſer als er es verdiente, denn er hatte ſich
ſchon manche boshafte Bemerkung über ihr Pantoffelregiment erlaubt.
Vielleicht war ihr nichts davon zu Ohren gekommen; genug, die ſtolze
kräftige Frau empfand eine gewiſſe Theilnahme für den jungen Bur¬
ſchen, der ſchon ſo früh über die Schranken der bürgerlichen Ordnung
geſprungen war. Es ſchien ihr nicht unangenehm zu ſein, wenn ſie
ihren Fleiſchbedarf von ihm in's Haus getragen bekam, und der alte
Sonnenwirth, der keine Art von Gnadenſchimmer aus den Augen
ließ, ſorgte alsbald dafür, ſeinem Sohne dieſes Ehrenrecht auf dem
Wege des Herkommens zu überweiſen. Die geſtrenge Frau pflegte
ihn dabei ſehr huldvoll zu behandeln, ſie reichte ihm manchmal ein
Glas Wein, ermahnte ihn zu vernünftiger Aufführung, ergötzte ſich
aber beſonders gerne an ſeinen eigenthümlichen freimüthigen Aeuße¬
rungen. An ſolchen ließ es Friedrich ſelten mangeln; denn wenn er
einmal ſeine Schüchternheit gegen Vornehmere überwunden hatte, ſo
that er ſeiner Zunge, zumal wenn aufgemuntert, keine Gewalt mehr
an. Die Gunſt der Amtmännin ebnete ihm auch ſonſt noch ſeinen
Pfad; der Schütz und die Schaarwächter, welche die Polizei im Flecken
handhabten, ließen dieſe Stimmung ihrer Gebieterin nicht unbeachtet
und drückten bei manchen Unregelmäßigkeiten des jungen Burſchen,
bei manchen kleinen Verſtößen gegen die öffentliche Ordnung alle ihre
Augen zu.
Unter dieſen Umſtänden war er eines Morgens mit ſeinem Korbe
ins Amthaus eingetreten. Die Amtmännin prüfte den Inhalt und
ſagte wohlgefällig: Das gibt ein ſchönes Brätchen, ich hab' alle Con¬
ſideration vor Seines Vaters Geſchmack, ſag' Er ihm einen Gruß und
ich ſei wohl zufrieden.
O, ich hab's ſelber ausgewählt, Frau Amtmännin, erwiderte Friedrich.
Um ſo beſſer, ſo darf Er's auch ſelber in die Küche tragen. Geh'
Er, mein Sohn, und bring' Er's der Kathrine hinaus. Daß Er ſich
aber nicht unterſteht, dem Mädchen zu flattiren; ich habe mir ſagen
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/74>, abgerufen am 23.11.2024.
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