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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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sterben, aber die Sach' ist doch nach seinem Schnabel gegangen.
Das Leben ist der höchste Preis, den ein Vogel oder ein Mensch ein¬
setzen kann, und mehr als das Leben kann man Einem auch nicht
nehmen. Wenn Einer nun seinen Sinn fest darauf richtet, daß er
denkt: die und die Nuß will ich nicht beißen! so muß ihm zum
Allerersten das Leben wohlfeiler sein als der Schnabel. Dann wird's
aber auch ganz gewiß nach seinem Schnabel gehen, und wird oft
nicht einmal das Leben kosten. So sagst du jetzt, du mögest den
Dürren nicht.

Für mein Leben nicht! rief das Mädchen leidenschaftlich.

Just, wie ich sagen wollte! Du bekennst also selber, daß dir dein
Leben nicht so lieb ist, als es dir lieb wär', des dürren Stecken ohne
zu sein, und vorhin hast du ja gesagt, du wolltest lieber in die Fils
springen. Damit pressirt's übrigens gerade nicht so sehr, nur muß
es dein völliger Ernst sein, und zwar so, daß du dich lieber todt
schlagen ließest. Sieh, dein Leben wird dir doch lieber sein, als eine
trockene Haut, oder ein heiler Rücken. Was ein heiler Rücken werth
ist, das weiß ich aus Erfahrung, und ich kenn' auch des Vaters
schwere Hand.

Ja, ich auch.

Du wirst sie aber doch nicht so fürchten, wie den Tod.

Nein, das gerade nicht.

Nun sieh, jetzt kannst du an dir selbst die Probe machen, ob's
ein Ernst ist oder eine bloße Redensart mit dem was du gesagt hast.
Die Menschen brauchen viel leere Redensarten. Da sagt Einer:
Das und das lass' ich mir um's Leben nicht gefallen! und nachher,
Wenn's drauf und dran kommt, läßt er sich's gefallen um des Esau's
Linsengericht oder auch noch um weniger, oder weil er einen Buckel voll
Schlag' fürchtet. Nimm dir einmal die Sach' genau in Augenschein.
Was kann dir der Vater thun? Umbringen wird er dich nicht, du bist
ja sein eigen Fleisch und Blut. Aber puffen wird er dich, dessen
kannst du gewiß sein, und mach' dir nur keinen blauen Dunst darüber.

Magdalene seufzte.

Auch sonst wird's dir übel gehen; du wirst ein wahres Hunde¬
leben haben, mehr noch als bisher. So leib mir's thut, dir das für

ſterben, aber die Sach' iſt doch nach ſeinem Schnabel gegangen.
Das Leben iſt der höchſte Preis, den ein Vogel oder ein Menſch ein¬
ſetzen kann, und mehr als das Leben kann man Einem auch nicht
nehmen. Wenn Einer nun ſeinen Sinn feſt darauf richtet, daß er
denkt: die und die Nuß will ich nicht beißen! ſo muß ihm zum
Allererſten das Leben wohlfeiler ſein als der Schnabel. Dann wird's
aber auch ganz gewiß nach ſeinem Schnabel gehen, und wird oft
nicht einmal das Leben koſten. So ſagſt du jetzt, du mögeſt den
Dürren nicht.

Für mein Leben nicht! rief das Mädchen leidenſchaftlich.

Juſt, wie ich ſagen wollte! Du bekennſt alſo ſelber, daß dir dein
Leben nicht ſo lieb iſt, als es dir lieb wär', des dürren Stecken ohne
zu ſein, und vorhin haſt du ja geſagt, du wollteſt lieber in die Fils
ſpringen. Damit preſſirt's übrigens gerade nicht ſo ſehr, nur muß
es dein völliger Ernſt ſein, und zwar ſo, daß du dich lieber todt
ſchlagen ließeſt. Sieh, dein Leben wird dir doch lieber ſein, als eine
trockene Haut, oder ein heiler Rücken. Was ein heiler Rücken werth
iſt, das weiß ich aus Erfahrung, und ich kenn' auch des Vaters
ſchwere Hand.

Ja, ich auch.

Du wirſt ſie aber doch nicht ſo fürchten, wie den Tod.

Nein, das gerade nicht.

Nun ſieh, jetzt kannſt du an dir ſelbſt die Probe machen, ob's
ein Ernſt iſt oder eine bloße Redensart mit dem was du geſagt haſt.
Die Menſchen brauchen viel leere Redensarten. Da ſagt Einer:
Das und das laſſ' ich mir um's Leben nicht gefallen! und nachher,
Wenn's drauf und dran kommt, läßt er ſich's gefallen um des Eſau's
Linſengericht oder auch noch um weniger, oder weil er einen Buckel voll
Schlag' fürchtet. Nimm dir einmal die Sach' genau in Augenſchein.
Was kann dir der Vater thun? Umbringen wird er dich nicht, du biſt
ja ſein eigen Fleiſch und Blut. Aber puffen wird er dich, deſſen
kannſt du gewiß ſein, und mach' dir nur keinen blauen Dunſt darüber.

Magdalene ſeufzte.

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leben haben, mehr noch als bisher. So leib mir's thut, dir das für

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[45/0061] ſterben, aber die Sach' iſt doch nach ſeinem Schnabel gegangen. Das Leben iſt der höchſte Preis, den ein Vogel oder ein Menſch ein¬ ſetzen kann, und mehr als das Leben kann man Einem auch nicht nehmen. Wenn Einer nun ſeinen Sinn feſt darauf richtet, daß er denkt: die und die Nuß will ich nicht beißen! ſo muß ihm zum Allererſten das Leben wohlfeiler ſein als der Schnabel. Dann wird's aber auch ganz gewiß nach ſeinem Schnabel gehen, und wird oft nicht einmal das Leben koſten. So ſagſt du jetzt, du mögeſt den Dürren nicht. Für mein Leben nicht! rief das Mädchen leidenſchaftlich. Juſt, wie ich ſagen wollte! Du bekennſt alſo ſelber, daß dir dein Leben nicht ſo lieb iſt, als es dir lieb wär', des dürren Stecken ohne zu ſein, und vorhin haſt du ja geſagt, du wollteſt lieber in die Fils ſpringen. Damit preſſirt's übrigens gerade nicht ſo ſehr, nur muß es dein völliger Ernſt ſein, und zwar ſo, daß du dich lieber todt ſchlagen ließeſt. Sieh, dein Leben wird dir doch lieber ſein, als eine trockene Haut, oder ein heiler Rücken. Was ein heiler Rücken werth iſt, das weiß ich aus Erfahrung, und ich kenn' auch des Vaters ſchwere Hand. Ja, ich auch. Du wirſt ſie aber doch nicht ſo fürchten, wie den Tod. Nein, das gerade nicht. Nun ſieh, jetzt kannſt du an dir ſelbſt die Probe machen, ob's ein Ernſt iſt oder eine bloße Redensart mit dem was du geſagt haſt. Die Menſchen brauchen viel leere Redensarten. Da ſagt Einer: Das und das laſſ' ich mir um's Leben nicht gefallen! und nachher, Wenn's drauf und dran kommt, läßt er ſich's gefallen um des Eſau's Linſengericht oder auch noch um weniger, oder weil er einen Buckel voll Schlag' fürchtet. Nimm dir einmal die Sach' genau in Augenſchein. Was kann dir der Vater thun? Umbringen wird er dich nicht, du biſt ja ſein eigen Fleiſch und Blut. Aber puffen wird er dich, deſſen kannſt du gewiß ſein, und mach' dir nur keinen blauen Dunſt darüber. Magdalene ſeufzte. Auch ſonſt wird's dir übel gehen; du wirſt ein wahres Hunde¬ leben haben, mehr noch als bisher. So leib mir's thut, dir das für

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/61>, abgerufen am 27.11.2024.