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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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fährliche Kunst, die er schon gelernt hat, eh' er hinter den Ohren
trocken war.

Nu, wenn's weiter nichts ist, sagte der ältere Müller, so wollt'
ich nur, er thät' alles wegbüren, was mit Geweih und Hauer
in Wald und Feld spaziert. Das wär' ein Verdienst, für das man
ihm, weiß Gott, bei allen Gemeinden im Ländle das Bürgerrecht
geben dürfte.

Freilich, stimmte der Knecht ein, Wildern ist keine Sünd', nur
darf's nicht herauskommen.

Und gegen diesen festen Glaubenssatz wagte selbst der hartnäckig
grollende Fischer nichts einzuwenden.

Was hat ihn denn zum zweiten Mal in das Ding da, das man
nicht gern beim Namen nennt, gebracht? fragte der Knecht weiter.

Seine Gewaltthätigkeit, antwortete der Fischer.

Eine Prügelei, erwiderte der jüngere Müller gleichmüthig.

Was die Prügelei betrifft, da kann ich nicht wider ihn sein, sagte
der Aeltere. Gib Acht, Peter, das mußt dir erzählen lassen, das ist
ein Staatsstückle. Der Kreuzwirth -- den kennst du ja, er hat sei¬
nen Namen nicht umsonst, denn er ist gar ein frommer Kreuzträger
und eine wahre Kreuzspinne dabei -- der hatte von jeher ein scheeles
Aug' auf den Frieder gehabt.

Auf den Alten auch. Der verzeiht's ihm heut' noch nicht, daß
er ihn beim Kirchenconvent angebracht, weil er einen Ochsen ge¬
schlachtet hatte am Sonntag. Der Sonnenwirth wurde damals um
ein Pfund Heller gestraft.

Auch den Frieder, fuhr der ältere Müller fort, hat er einmal
bei seinem Vater verschwätzt, so daß er Hiebe von ihm kriegte. Der
Alte hat nachher selber eingestanden, er habe dasmal seinem Sohn
Unrecht gethan.

Ja, fiel der Jüngere ein, ich hab's mit meinen eigenen Ohren
gehört, und ich war dabei, wie er zum Frieder sagte, er solle es nur
dem Kreuzwirth bei Gelegenheit wieder eintränken.

Und die ist auch gekommen, fuhr der Aeltere fort. Denn so eine
Teufelsgelegenheit bleibt niemals aus. Nun, was geschieht? Auf dem
Heimweg vom Kirchheimer Markt trifft der Frieder mit dem Kreuz¬
wirth zusammen, und der fängt an ihn zu hänseln und zu rätzen,

fährliche Kunſt, die er ſchon gelernt hat, eh' er hinter den Ohren
trocken war.

Nu, wenn's weiter nichts iſt, ſagte der ältere Müller, ſo wollt'
ich nur, er thät' alles wegbüren, was mit Geweih und Hauer
in Wald und Feld ſpaziert. Das wär' ein Verdienſt, für das man
ihm, weiß Gott, bei allen Gemeinden im Ländle das Bürgerrecht
geben dürfte.

Freilich, ſtimmte der Knecht ein, Wildern iſt keine Sünd', nur
darf's nicht herauskommen.

Und gegen dieſen feſten Glaubensſatz wagte ſelbſt der hartnäckig
grollende Fiſcher nichts einzuwenden.

Was hat ihn denn zum zweiten Mal in das Ding da, das man
nicht gern beim Namen nennt, gebracht? fragte der Knecht weiter.

Seine Gewaltthätigkeit, antwortete der Fiſcher.

Eine Prügelei, erwiderte der jüngere Müller gleichmüthig.

Was die Prügelei betrifft, da kann ich nicht wider ihn ſein, ſagte
der Aeltere. Gib Acht, Peter, das mußt dir erzählen laſſen, das iſt
ein Staatsſtückle. Der Kreuzwirth — den kennſt du ja, er hat ſei¬
nen Namen nicht umſonſt, denn er iſt gar ein frommer Kreuzträger
und eine wahre Kreuzſpinne dabei — der hatte von jeher ein ſcheeles
Aug' auf den Frieder gehabt.

Auf den Alten auch. Der verzeiht's ihm heut' noch nicht, daß
er ihn beim Kirchenconvent angebracht, weil er einen Ochſen ge¬
ſchlachtet hatte am Sonntag. Der Sonnenwirth wurde damals um
ein Pfund Heller geſtraft.

Auch den Frieder, fuhr der ältere Müller fort, hat er einmal
bei ſeinem Vater verſchwätzt, ſo daß er Hiebe von ihm kriegte. Der
Alte hat nachher ſelber eingeſtanden, er habe dasmal ſeinem Sohn
Unrecht gethan.

Ja, fiel der Jüngere ein, ich hab's mit meinen eigenen Ohren
gehört, und ich war dabei, wie er zum Frieder ſagte, er ſolle es nur
dem Kreuzwirth bei Gelegenheit wieder eintränken.

Und die iſt auch gekommen, fuhr der Aeltere fort. Denn ſo eine
Teufelsgelegenheit bleibt niemals aus. Nun, was geſchieht? Auf dem
Heimweg vom Kirchheimer Markt trifft der Frieder mit dem Kreuz¬
wirth zuſammen, und der fängt an ihn zu hänſeln und zu rätzen,

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[31/0047] fährliche Kunſt, die er ſchon gelernt hat, eh' er hinter den Ohren trocken war. Nu, wenn's weiter nichts iſt, ſagte der ältere Müller, ſo wollt' ich nur, er thät' alles wegbüren, was mit Geweih und Hauer in Wald und Feld ſpaziert. Das wär' ein Verdienſt, für das man ihm, weiß Gott, bei allen Gemeinden im Ländle das Bürgerrecht geben dürfte. Freilich, ſtimmte der Knecht ein, Wildern iſt keine Sünd', nur darf's nicht herauskommen. Und gegen dieſen feſten Glaubensſatz wagte ſelbſt der hartnäckig grollende Fiſcher nichts einzuwenden. Was hat ihn denn zum zweiten Mal in das Ding da, das man nicht gern beim Namen nennt, gebracht? fragte der Knecht weiter. Seine Gewaltthätigkeit, antwortete der Fiſcher. Eine Prügelei, erwiderte der jüngere Müller gleichmüthig. Was die Prügelei betrifft, da kann ich nicht wider ihn ſein, ſagte der Aeltere. Gib Acht, Peter, das mußt dir erzählen laſſen, das iſt ein Staatsſtückle. Der Kreuzwirth — den kennſt du ja, er hat ſei¬ nen Namen nicht umſonſt, denn er iſt gar ein frommer Kreuzträger und eine wahre Kreuzſpinne dabei — der hatte von jeher ein ſcheeles Aug' auf den Frieder gehabt. Auf den Alten auch. Der verzeiht's ihm heut' noch nicht, daß er ihn beim Kirchenconvent angebracht, weil er einen Ochſen ge¬ ſchlachtet hatte am Sonntag. Der Sonnenwirth wurde damals um ein Pfund Heller geſtraft. Auch den Frieder, fuhr der ältere Müller fort, hat er einmal bei ſeinem Vater verſchwätzt, ſo daß er Hiebe von ihm kriegte. Der Alte hat nachher ſelber eingeſtanden, er habe dasmal ſeinem Sohn Unrecht gethan. Ja, fiel der Jüngere ein, ich hab's mit meinen eigenen Ohren gehört, und ich war dabei, wie er zum Frieder ſagte, er ſolle es nur dem Kreuzwirth bei Gelegenheit wieder eintränken. Und die iſt auch gekommen, fuhr der Aeltere fort. Denn ſo eine Teufelsgelegenheit bleibt niemals aus. Nun, was geſchieht? Auf dem Heimweg vom Kirchheimer Markt trifft der Frieder mit dem Kreuz¬ wirth zuſammen, und der fängt an ihn zu hänſeln und zu rätzen,

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/47>, abgerufen am 29.03.2024.