Mir ist's von Anfang an so vorgekommen, selbiges Kind, sagte der Fischer.
Da sind deine Augen just für die Stiefmutter recht gewesen, Fischerhanne. Ich glaub' auch, sie hat dir die Augen abgekauft; ich will davon schweigen, aber du hast immer einen Stein bei ihr im Brett gehabt, und ich weiß nicht, ob die Fische, die du ihr zugetragen hast, immer aus dem klaren Wasser gekommen sind.
Selbige Augen, unterbrach ihn der andere Müller, hat sie dann auch dem Sonnenwirth eingesetzt, und da hat der alte Esel seinen Sohn gleich in einem andern Licht gesehen.
Freilich, weil er immer ärger geworden ist, sagte der Fischer.
Mach' kein' so krummen Kopf! Narr, er ist ärger geworden, weil man ihn ärger gemacht hat. Und das muß man sagen, für seine Schwestern hat er sich ritterlich gewehrt, und hat nicht leiden wollen, daß man sie wie Stallmägd' behandle.
Ja, und dann hat's eben wüste Auftritte gegeben.
Ja, und dann hat er seine Mutter geprügelt, sagte der Fischer.
Wenn er ihr doch nur ein Dutzend Rippen eingeschlagen hätte! versetzte der ältere Müller. Brauchst's ihr aber nicht wieder zu sagen, Fischerhanne, setzte er etwas erschrocken hinzu, oder 'sist aus mit der Freundschaft. Du weißt, ein Mensch hat allezeit den andern nöthig.
Wie kam er denn aber zum Stehlen? fragte der Knecht.
Ich will's dir sagen, fuhr der jüngere Müller fort. Wie er sah, daß er doch immer den Kürzeren zog, weil sein Vater auf Seiten der Stiefmutter war, so wollte er in die Fremde gehen, und begehrte einen Zehrpfennig nach Amerika.
Nach Amerika? rief der Knecht. Das ist ja ein Weltskerl!
Der Alte aber, fuhr der Müller fort, war dazumal schon b'häb geworden und behielt die Schlüssel zur Geldtruhe fest im Sack; auch meinte er, der Bub', der erst vierzehn Jahr alt war, sei noch zu jung zum Reisen, und darin hatte er gänzlich Recht, denn der Bub' ist nachher richtig auch nicht gar weit gekommen, und nicht gar lang fortgeblieben. Der aber meinte, was man ihm nicht gutwillig gebe, das könne er ja mit Gewalt nehmen, und beerbte seinen Vater vor der Zeit, noch eh' ihm der Alte aus der Helle gegangen war.
Mir iſt's von Anfang an ſo vorgekommen, ſelbiges Kind, ſagte der Fiſcher.
Da ſind deine Augen juſt für die Stiefmutter recht geweſen, Fiſcherhanne. Ich glaub' auch, ſie hat dir die Augen abgekauft; ich will davon ſchweigen, aber du haſt immer einen Stein bei ihr im Brett gehabt, und ich weiß nicht, ob die Fiſche, die du ihr zugetragen haſt, immer aus dem klaren Waſſer gekommen ſind.
Selbige Augen, unterbrach ihn der andere Müller, hat ſie dann auch dem Sonnenwirth eingeſetzt, und da hat der alte Eſel ſeinen Sohn gleich in einem andern Licht geſehen.
Freilich, weil er immer ärger geworden iſt, ſagte der Fiſcher.
Mach' kein' ſo krummen Kopf! Narr, er iſt ärger geworden, weil man ihn ärger gemacht hat. Und das muß man ſagen, für ſeine Schweſtern hat er ſich ritterlich gewehrt, und hat nicht leiden wollen, daß man ſie wie Stallmägd' behandle.
Ja, und dann hat's eben wüſte Auftritte gegeben.
Ja, und dann hat er ſeine Mutter geprügelt, ſagte der Fiſcher.
Wenn er ihr doch nur ein Dutzend Rippen eingeſchlagen hätte! verſetzte der ältere Müller. Brauchſt's ihr aber nicht wieder zu ſagen, Fiſcherhanne, ſetzte er etwas erſchrocken hinzu, oder 'siſt aus mit der Freundſchaft. Du weißt, ein Menſch hat allezeit den andern nöthig.
Wie kam er denn aber zum Stehlen? fragte der Knecht.
Ich will's dir ſagen, fuhr der jüngere Müller fort. Wie er ſah, daß er doch immer den Kürzeren zog, weil ſein Vater auf Seiten der Stiefmutter war, ſo wollte er in die Fremde gehen, und begehrte einen Zehrpfennig nach Amerika.
Nach Amerika? rief der Knecht. Das iſt ja ein Weltskerl!
Der Alte aber, fuhr der Müller fort, war dazumal ſchon b'häb geworden und behielt die Schlüſſel zur Geldtruhe feſt im Sack; auch meinte er, der Bub', der erſt vierzehn Jahr alt war, ſei noch zu jung zum Reiſen, und darin hatte er gänzlich Recht, denn der Bub' iſt nachher richtig auch nicht gar weit gekommen, und nicht gar lang fortgeblieben. Der aber meinte, was man ihm nicht gutwillig gebe, das könne er ja mit Gewalt nehmen, und beerbte ſeinen Vater vor der Zeit, noch eh' ihm der Alte aus der Helle gegangen war.
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Da ſind deine Augen juſt für die Stiefmutter recht geweſen,
Fiſcherhanne. Ich glaub' auch, ſie hat dir die Augen abgekauft; ich
will davon ſchweigen, aber du haſt immer einen Stein bei ihr im
Brett gehabt, und ich weiß nicht, ob die Fiſche, die du ihr zugetragen
haſt, immer aus dem klaren Waſſer gekommen ſind.
Selbige Augen, unterbrach ihn der andere Müller, hat ſie dann
auch dem Sonnenwirth eingeſetzt, und da hat der alte Eſel ſeinen
Sohn gleich in einem andern Licht geſehen.
Freilich, weil er immer ärger geworden iſt, ſagte der Fiſcher.
Mach' kein' ſo krummen Kopf! Narr, er iſt ärger geworden, weil
man ihn ärger gemacht hat. Und das muß man ſagen, für ſeine
Schweſtern hat er ſich ritterlich gewehrt, und hat nicht leiden wollen,
daß man ſie wie Stallmägd' behandle.
Ja, und dann hat's eben wüſte Auftritte gegeben.
Ja, und dann hat er ſeine Mutter geprügelt, ſagte der Fiſcher.
Wenn er ihr doch nur ein Dutzend Rippen eingeſchlagen hätte!
verſetzte der ältere Müller. Brauchſt's ihr aber nicht wieder zu ſagen,
Fiſcherhanne, ſetzte er etwas erſchrocken hinzu, oder 'siſt aus mit der
Freundſchaft. Du weißt, ein Menſch hat allezeit den andern nöthig.
Wie kam er denn aber zum Stehlen? fragte der Knecht.
Ich will's dir ſagen, fuhr der jüngere Müller fort. Wie er ſah,
daß er doch immer den Kürzeren zog, weil ſein Vater auf Seiten
der Stiefmutter war, ſo wollte er in die Fremde gehen, und begehrte
einen Zehrpfennig nach Amerika.
Nach Amerika? rief der Knecht. Das iſt ja ein Weltskerl!
Der Alte aber, fuhr der Müller fort, war dazumal ſchon b'häb
geworden und behielt die Schlüſſel zur Geldtruhe feſt im Sack; auch
meinte er, der Bub', der erſt vierzehn Jahr alt war, ſei noch zu
jung zum Reiſen, und darin hatte er gänzlich Recht, denn der Bub'
iſt nachher richtig auch nicht gar weit gekommen, und nicht gar lang
fortgeblieben. Der aber meinte, was man ihm nicht gutwillig gebe,
das könne er ja mit Gewalt nehmen, und beerbte ſeinen Vater vor
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/44>, abgerufen am 26.04.2024.
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