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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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von ihnen henken lassen. Jetzt ist der Teufel bei Geislingen wieder
losgegangen und da hat er heut vor den Thoren anderthalb Dutzend
erschießen lassen. Es ist Ein Schrei der Wuth im Lande.

So hält man Wort! So geht man mit den Leuten um! rief
Schwamenjackel.

Das geschieht in deinem gepriesenen Wirtemberg, sagte seine
Führerin.

Und uns heißt man Spitzbuben! setzte Bettelmelcher hinzu.

Ich besorge nur, die Gegend könnte für uns unsicher werden, be¬
merkte Christianus. Gewiß haben sich viele Deserteurs in die Wal¬
dungen da herum geworfen, und nach diesen wird jetzt vom Militär
gestreift werden.

Ich glaube nicht, daß uns das in Verlegenheit bringen wird, ver¬
setzte Christine. Der Herzog muß eilen, sein Volk außer Lands zu
bringen, denn wenn er mit ihnen liegen bleibt, so laufen sie ihm wie
Quecksilber davon. Auf alle Fälle ist es aber gut, wenn wir auch
nicht lange mehr da bleiben; es sind ohnehin bloß noch ein paar
Tage bis zum Schorndorfer Markt!

Also nur nichts aufgeschoben! sagte der Zigeuner.

Ja, ich möchte gleich über das nächste Nest da herfallen und ihnen
die Hundeseelen austreiben! rief Schwamenjackel, seinen kurzen dicken
Stock gegen das an dem Bergkegel vor ihnen liegende Dorf schwingend.

Das laß du bleiben! lachte Bettelmelcher. Das ist das Dorf
Hohenstaufen, wo sie seit alter Zeit große Freiheiten haben und wie
Männer zusammenstehen. Wenn du Einen angreifst, so hast du gleich
den ganzen Schwarm auf dem Hals. Das ist in den edelmännischen
Ortschaften anders: dort wohnt meist Bettelvolk, das sich die Haut
voll lacht, wenn einem vermöglichen Nachbar ein Malheur passirt.

In den alten Schlössern mag man doch sicherer gewohnt haben, be¬
merkte der Zigeuner, nachdenklich auf die Steintrümmer blickend, die den
naheliegenden Gipfel des Berges bedeckten und die Abendsonne durch
ihre Risse und Lücken scheinen ließen. Das mag wohl auch schon
lang her sein. Wer hat wohl vor Zeiten hier gehauset?

Diese Frage war jedoch selbst dem gelehrten Bettelmelcher zu hoch.
Ich weiß es nicht, sagte er, vermuthlich Räuber, die, wie es in den

von ihnen henken laſſen. Jetzt iſt der Teufel bei Geislingen wieder
losgegangen und da hat er heut vor den Thoren anderthalb Dutzend
erſchießen laſſen. Es iſt Ein Schrei der Wuth im Lande.

So hält man Wort! So geht man mit den Leuten um! rief
Schwamenjackel.

Das geſchieht in deinem geprieſenen Wirtemberg, ſagte ſeine
Führerin.

Und uns heißt man Spitzbuben! ſetzte Bettelmelcher hinzu.

Ich beſorge nur, die Gegend könnte für uns unſicher werden, be¬
merkte Chriſtianus. Gewiß haben ſich viele Deſerteurs in die Wal¬
dungen da herum geworfen, und nach dieſen wird jetzt vom Militär
geſtreift werden.

Ich glaube nicht, daß uns das in Verlegenheit bringen wird, ver¬
ſetzte Chriſtine. Der Herzog muß eilen, ſein Volk außer Lands zu
bringen, denn wenn er mit ihnen liegen bleibt, ſo laufen ſie ihm wie
Queckſilber davon. Auf alle Fälle iſt es aber gut, wenn wir auch
nicht lange mehr da bleiben; es ſind ohnehin bloß noch ein paar
Tage bis zum Schorndorfer Markt!

Alſo nur nichts aufgeſchoben! ſagte der Zigeuner.

Ja, ich möchte gleich über das nächſte Neſt da herfallen und ihnen
die Hundeſeelen austreiben! rief Schwamenjackel, ſeinen kurzen dicken
Stock gegen das an dem Bergkegel vor ihnen liegende Dorf ſchwingend.

Das laß du bleiben! lachte Bettelmelcher. Das iſt das Dorf
Hohenſtaufen, wo ſie ſeit alter Zeit große Freiheiten haben und wie
Männer zuſammenſtehen. Wenn du Einen angreifſt, ſo haſt du gleich
den ganzen Schwarm auf dem Hals. Das iſt in den edelmänniſchen
Ortſchaften anders: dort wohnt meiſt Bettelvolk, das ſich die Haut
voll lacht, wenn einem vermöglichen Nachbar ein Malheur paſſirt.

In den alten Schlöſſern mag man doch ſicherer gewohnt haben, be¬
merkte der Zigeuner, nachdenklich auf die Steintrümmer blickend, die den
naheliegenden Gipfel des Berges bedeckten und die Abendſonne durch
ihre Riſſe und Lücken ſcheinen ließen. Das mag wohl auch ſchon
lang her ſein. Wer hat wohl vor Zeiten hier gehauſet?

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[407/0423] von ihnen henken laſſen. Jetzt iſt der Teufel bei Geislingen wieder losgegangen und da hat er heut vor den Thoren anderthalb Dutzend erſchießen laſſen. Es iſt Ein Schrei der Wuth im Lande. So hält man Wort! So geht man mit den Leuten um! rief Schwamenjackel. Das geſchieht in deinem geprieſenen Wirtemberg, ſagte ſeine Führerin. Und uns heißt man Spitzbuben! ſetzte Bettelmelcher hinzu. Ich beſorge nur, die Gegend könnte für uns unſicher werden, be¬ merkte Chriſtianus. Gewiß haben ſich viele Deſerteurs in die Wal¬ dungen da herum geworfen, und nach dieſen wird jetzt vom Militär geſtreift werden. Ich glaube nicht, daß uns das in Verlegenheit bringen wird, ver¬ ſetzte Chriſtine. Der Herzog muß eilen, ſein Volk außer Lands zu bringen, denn wenn er mit ihnen liegen bleibt, ſo laufen ſie ihm wie Queckſilber davon. Auf alle Fälle iſt es aber gut, wenn wir auch nicht lange mehr da bleiben; es ſind ohnehin bloß noch ein paar Tage bis zum Schorndorfer Markt! Alſo nur nichts aufgeſchoben! ſagte der Zigeuner. Ja, ich möchte gleich über das nächſte Neſt da herfallen und ihnen die Hundeſeelen austreiben! rief Schwamenjackel, ſeinen kurzen dicken Stock gegen das an dem Bergkegel vor ihnen liegende Dorf ſchwingend. Das laß du bleiben! lachte Bettelmelcher. Das iſt das Dorf Hohenſtaufen, wo ſie ſeit alter Zeit große Freiheiten haben und wie Männer zuſammenſtehen. Wenn du Einen angreifſt, ſo haſt du gleich den ganzen Schwarm auf dem Hals. Das iſt in den edelmänniſchen Ortſchaften anders: dort wohnt meiſt Bettelvolk, das ſich die Haut voll lacht, wenn einem vermöglichen Nachbar ein Malheur paſſirt. In den alten Schlöſſern mag man doch ſicherer gewohnt haben, be¬ merkte der Zigeuner, nachdenklich auf die Steintrümmer blickend, die den naheliegenden Gipfel des Berges bedeckten und die Abendſonne durch ihre Riſſe und Lücken ſcheinen ließen. Das mag wohl auch ſchon lang her ſein. Wer hat wohl vor Zeiten hier gehauſet? Dieſe Frage war jedoch ſelbſt dem gelehrten Bettelmelcher zu hoch. Ich weiß es nicht, ſagte er, vermuthlich Räuber, die, wie es in den

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/423>, abgerufen am 22.11.2024.