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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ja, rief der Andere, und darin stehst du ihm nach, Fischerhanne.
Denn du und die, über deren Leben und Tod du Gewalt hast, haben
kein Blut.

Oder nur weißes. Die Andern lachten.

Sorget nur nicht für mich! sagte der Fischer etwas ärgerlich.
Meine Unterthanen haben auch Blut.

Ja, und Galle.

Ja, und beißen können sie auch.

Aber der Ochs hat Hörner.

Wenn er zu hitzig stoßt, so brechen sie ab.

Wenn sie nur schon abgebrochen wären! sagte der ältere Müller.
Aus dem Burschen könnt' noch was Tüchtig's werden. Ich wollt' man
that ihn mir anvertrauen, ich zög' ihn durch's Kammrad, daß er ge¬
schlacht würde.

Nichts Gewisses weiß man nicht, heißt's im Sprichwort, erwiderte
der Jüngere.

Ja, es ist nicht so leicht mit ihm fertig zu werden, sagte der Fi¬
scher. Er ist ein böser Bub'.

Wenigstens muthwillig und unbändig, versetzte der ältere Müller.
Unter allen Streichen, die ich von ihm weiß, hat mir einer immer
am besten gefallen. Da war vor ein Jahr sieben oder achten ein
Hausknecht hier in der Sonne, wißt ihr, der Mathes -- ich seh
ihn heut noch vor mir, s'ist so ein persönlicher langer Kerl gewesen,
und etwas langsam im Geist. Der wollte gescheider sein als der
Frieder, und das konnte mein Frieder nicht vertragen. Was thut er
also? Um Mitternacht schleicht er aus dem Bett, die Stiege hinunter,
bricht den Fuhrleuten in die Güterwagen vor dem Haus auf der
freien Straße ein, und bringt den Raub seinem Vater über's Bett.
Der Knecht, den andern Tag, der ist natürlich schön ausgelacht wor¬
den ob seiner Wachsamkeit. Und das hat der stolze Bub' mehr als
einmal gethan, und der gute Mathes konnt' ihn nie erwischen. Das
Ding hat ihm das Leben so sauer gemacht, daß er's nicht in der
Sonne aushalten konnte. Es trieb ihn aus dem Dienst, ich glaub'
er dient jetzt in Beutelsbach drüben, das alte Beutelthier.

Der Müllerknecht hatte Mund und Augen aufgesperrt. Ver¬
fluchter Bub'! sagte er endlich. Das hat der Sonne gute Kundschaft

Ja, rief der Andere, und darin ſtehſt du ihm nach, Fiſcherhanne.
Denn du und die, über deren Leben und Tod du Gewalt haſt, haben
kein Blut.

Oder nur weißes. Die Andern lachten.

Sorget nur nicht für mich! ſagte der Fiſcher etwas ärgerlich.
Meine Unterthanen haben auch Blut.

Ja, und Galle.

Ja, und beißen können ſie auch.

Aber der Ochs hat Hörner.

Wenn er zu hitzig ſtoßt, ſo brechen ſie ab.

Wenn ſie nur ſchon abgebrochen wären! ſagte der ältere Müller.
Aus dem Burſchen könnt' noch was Tüchtig's werden. Ich wollt' man
that ihn mir anvertrauen, ich zög' ihn durch's Kammrad, daß er ge¬
ſchlacht würde.

Nichts Gewiſſes weiß man nicht, heißt's im Sprichwort, erwiderte
der Jüngere.

Ja, es iſt nicht ſo leicht mit ihm fertig zu werden, ſagte der Fi¬
ſcher. Er iſt ein böſer Bub'.

Wenigſtens muthwillig und unbändig, verſetzte der ältere Müller.
Unter allen Streichen, die ich von ihm weiß, hat mir einer immer
am beſten gefallen. Da war vor ein Jahr ſieben oder achten ein
Hausknecht hier in der Sonne, wißt ihr, der Mathes — ich ſeh
ihn heut noch vor mir, s'iſt ſo ein perſönlicher langer Kerl geweſen,
und etwas langſam im Geiſt. Der wollte geſcheider ſein als der
Frieder, und das konnte mein Frieder nicht vertragen. Was thut er
alſo? Um Mitternacht ſchleicht er aus dem Bett, die Stiege hinunter,
bricht den Fuhrleuten in die Güterwagen vor dem Haus auf der
freien Straße ein, und bringt den Raub ſeinem Vater über's Bett.
Der Knecht, den andern Tag, der iſt natürlich ſchön ausgelacht wor¬
den ob ſeiner Wachſamkeit. Und das hat der ſtolze Bub' mehr als
einmal gethan, und der gute Mathes konnt' ihn nie erwiſchen. Das
Ding hat ihm das Leben ſo ſauer gemacht, daß er's nicht in der
Sonne aushalten konnte. Es trieb ihn aus dem Dienſt, ich glaub'
er dient jetzt in Beutelsbach drüben, das alte Beutelthier.

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fluchter Bub'! ſagte er endlich. Das hat der Sonne gute Kundſchaft

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[26/0042] Ja, rief der Andere, und darin ſtehſt du ihm nach, Fiſcherhanne. Denn du und die, über deren Leben und Tod du Gewalt haſt, haben kein Blut. Oder nur weißes. Die Andern lachten. Sorget nur nicht für mich! ſagte der Fiſcher etwas ärgerlich. Meine Unterthanen haben auch Blut. Ja, und Galle. Ja, und beißen können ſie auch. Aber der Ochs hat Hörner. Wenn er zu hitzig ſtoßt, ſo brechen ſie ab. Wenn ſie nur ſchon abgebrochen wären! ſagte der ältere Müller. Aus dem Burſchen könnt' noch was Tüchtig's werden. Ich wollt' man that ihn mir anvertrauen, ich zög' ihn durch's Kammrad, daß er ge¬ ſchlacht würde. Nichts Gewiſſes weiß man nicht, heißt's im Sprichwort, erwiderte der Jüngere. Ja, es iſt nicht ſo leicht mit ihm fertig zu werden, ſagte der Fi¬ ſcher. Er iſt ein böſer Bub'. Wenigſtens muthwillig und unbändig, verſetzte der ältere Müller. Unter allen Streichen, die ich von ihm weiß, hat mir einer immer am beſten gefallen. Da war vor ein Jahr ſieben oder achten ein Hausknecht hier in der Sonne, wißt ihr, der Mathes — ich ſeh ihn heut noch vor mir, s'iſt ſo ein perſönlicher langer Kerl geweſen, und etwas langſam im Geiſt. Der wollte geſcheider ſein als der Frieder, und das konnte mein Frieder nicht vertragen. Was thut er alſo? Um Mitternacht ſchleicht er aus dem Bett, die Stiege hinunter, bricht den Fuhrleuten in die Güterwagen vor dem Haus auf der freien Straße ein, und bringt den Raub ſeinem Vater über's Bett. Der Knecht, den andern Tag, der iſt natürlich ſchön ausgelacht wor¬ den ob ſeiner Wachſamkeit. Und das hat der ſtolze Bub' mehr als einmal gethan, und der gute Mathes konnt' ihn nie erwiſchen. Das Ding hat ihm das Leben ſo ſauer gemacht, daß er's nicht in der Sonne aushalten konnte. Es trieb ihn aus dem Dienſt, ich glaub' er dient jetzt in Beutelsbach drüben, das alte Beutelthier. Der Müllerknecht hatte Mund und Augen aufgeſperrt. Ver¬ fluchter Bub'! ſagte er endlich. Das hat der Sonne gute Kundſchaft

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/42>, abgerufen am 29.03.2024.