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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Was das betrifft, erwiderte er mit einem mehr als freundschaft¬
lichen Blicke, so glaubst du wohl selbst nicht, was du sagst. Aber
wahr ist's, es hat mich verdrossen, daß ich nur als Schmarotzer mit¬
laufen und außen Wache stehen soll, während die Andern die Gefahr
auf sich nehmen. Das halbe Sündigen ist mir in Tod zuwider: ent¬
weder ganz oder gar nicht! Auch liegt ein Mißtrauen drin: ich merk's
wohl, man will mich nur probiren.

Sie lächelte freundlich und zutraulich, mit einem Ausdruck von
Achtung, den er tief empfand. Du irrst dich, versetzte sie. Es hätte
sich nicht geschickt, dich stärker in Anspruch zu nehmen, wo es sich
darum handelte, ein Geschenk für dich aufzutreiben. Auch hast du
dich ja nur zu einem einzigen Unternehmen anheischig gemacht, brauchst
also das von heute Nacht nicht zu rechnen. Wenn du so ehrenhaft
denkst, selbst Hand anlegen wollen, statt Andere für dich arbeiten zu
lassen, so soll's dir nicht lang an Gelegenheit fehlen.

Nur zu! rief er, mit finsterer Entschlossenheit die Stirne faltend.

Du scheinst mir aber doch nur mit halber Seele dabei zu sein,
setzte sie hinzu, denn du sprichst von Sündigen und nimmst die Sache
schrecklich ernsthaft. Ich merke wohl, an was du klebst. Thor! die
Menschen sind Alle von Einem Schlag, nur mit dem Unterschied,
daß die Einen den Galgen andictiren und die Andern ihm davon¬
laufen. Wenn aber Stehlen todeswürdig ist, so gehört den Einen so
gut wie den Andern der Strang. Daß die Spitzbuben mit Haus und
Hof über die heimathlosen Spitzbuben herfallen und ihnen von jeher
nichts haben gönnen wollen, das ist eben eine ungerechte Verfolgung.

Der überlegene Ton, der ihn von einem Manne abgestoßen haben
würde, machte aus diesem Munde einen mächtigen Eindruck auf ihn.
Er fühlte sich gedemüthigt und angezogen zugleich.

Wenn du aber der Sünde, wie du's heißt, ganz absagen willst,
fuhr sie lachend fort, so kann ich dir in meiner eigenen Familie ein
Musterbild von Tugend und Ehrbarkeit aufstellen. Lache nicht, es ist
buchstäblich wahr. Ich habe noch eine zweite Schwester, die sich am
Tode so vieler Verwandten ein Exempel genommen hat und sich mit
ihrem Manne, einem Scheerenschleifer, ehrlich und redlich fortbringt.
Sie ist nicht besonders schön, dabei etwas schmierig und schlampig,
wie es auch bei ihrer armseligen Lebensart nicht anders sein kann.

Was das betrifft, erwiderte er mit einem mehr als freundſchaft¬
lichen Blicke, ſo glaubſt du wohl ſelbſt nicht, was du ſagſt. Aber
wahr iſt's, es hat mich verdroſſen, daß ich nur als Schmarotzer mit¬
laufen und außen Wache ſtehen ſoll, während die Andern die Gefahr
auf ſich nehmen. Das halbe Sündigen iſt mir in Tod zuwider: ent¬
weder ganz oder gar nicht! Auch liegt ein Mißtrauen drin: ich merk's
wohl, man will mich nur probiren.

Sie lächelte freundlich und zutraulich, mit einem Ausdruck von
Achtung, den er tief empfand. Du irrſt dich, verſetzte ſie. Es hätte
ſich nicht geſchickt, dich ſtärker in Anſpruch zu nehmen, wo es ſich
darum handelte, ein Geſchenk für dich aufzutreiben. Auch haſt du
dich ja nur zu einem einzigen Unternehmen anheiſchig gemacht, brauchſt
alſo das von heute Nacht nicht zu rechnen. Wenn du ſo ehrenhaft
denkſt, ſelbſt Hand anlegen wollen, ſtatt Andere für dich arbeiten zu
laſſen, ſo ſoll's dir nicht lang an Gelegenheit fehlen.

Nur zu! rief er, mit finſterer Entſchloſſenheit die Stirne faltend.

Du ſcheinſt mir aber doch nur mit halber Seele dabei zu ſein,
ſetzte ſie hinzu, denn du ſprichſt von Sündigen und nimmſt die Sache
ſchrecklich ernſthaft. Ich merke wohl, an was du klebſt. Thor! die
Menſchen ſind Alle von Einem Schlag, nur mit dem Unterſchied,
daß die Einen den Galgen andictiren und die Andern ihm davon¬
laufen. Wenn aber Stehlen todeswürdig iſt, ſo gehört den Einen ſo
gut wie den Andern der Strang. Daß die Spitzbuben mit Haus und
Hof über die heimathloſen Spitzbuben herfallen und ihnen von jeher
nichts haben gönnen wollen, das iſt eben eine ungerechte Verfolgung.

Der überlegene Ton, der ihn von einem Manne abgeſtoßen haben
würde, machte aus dieſem Munde einen mächtigen Eindruck auf ihn.
Er fühlte ſich gedemüthigt und angezogen zugleich.

Wenn du aber der Sünde, wie du's heißt, ganz abſagen willſt,
fuhr ſie lachend fort, ſo kann ich dir in meiner eigenen Familie ein
Muſterbild von Tugend und Ehrbarkeit aufſtellen. Lache nicht, es iſt
buchſtäblich wahr. Ich habe noch eine zweite Schweſter, die ſich am
Tode ſo vieler Verwandten ein Exempel genommen hat und ſich mit
ihrem Manne, einem Scheerenſchleifer, ehrlich und redlich fortbringt.
Sie iſt nicht beſonders ſchön, dabei etwas ſchmierig und ſchlampig,
wie es auch bei ihrer armſeligen Lebensart nicht anders ſein kann.

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[402/0418] Was das betrifft, erwiderte er mit einem mehr als freundſchaft¬ lichen Blicke, ſo glaubſt du wohl ſelbſt nicht, was du ſagſt. Aber wahr iſt's, es hat mich verdroſſen, daß ich nur als Schmarotzer mit¬ laufen und außen Wache ſtehen ſoll, während die Andern die Gefahr auf ſich nehmen. Das halbe Sündigen iſt mir in Tod zuwider: ent¬ weder ganz oder gar nicht! Auch liegt ein Mißtrauen drin: ich merk's wohl, man will mich nur probiren. Sie lächelte freundlich und zutraulich, mit einem Ausdruck von Achtung, den er tief empfand. Du irrſt dich, verſetzte ſie. Es hätte ſich nicht geſchickt, dich ſtärker in Anſpruch zu nehmen, wo es ſich darum handelte, ein Geſchenk für dich aufzutreiben. Auch haſt du dich ja nur zu einem einzigen Unternehmen anheiſchig gemacht, brauchſt alſo das von heute Nacht nicht zu rechnen. Wenn du ſo ehrenhaft denkſt, ſelbſt Hand anlegen wollen, ſtatt Andere für dich arbeiten zu laſſen, ſo ſoll's dir nicht lang an Gelegenheit fehlen. Nur zu! rief er, mit finſterer Entſchloſſenheit die Stirne faltend. Du ſcheinſt mir aber doch nur mit halber Seele dabei zu ſein, ſetzte ſie hinzu, denn du ſprichſt von Sündigen und nimmſt die Sache ſchrecklich ernſthaft. Ich merke wohl, an was du klebſt. Thor! die Menſchen ſind Alle von Einem Schlag, nur mit dem Unterſchied, daß die Einen den Galgen andictiren und die Andern ihm davon¬ laufen. Wenn aber Stehlen todeswürdig iſt, ſo gehört den Einen ſo gut wie den Andern der Strang. Daß die Spitzbuben mit Haus und Hof über die heimathloſen Spitzbuben herfallen und ihnen von jeher nichts haben gönnen wollen, das iſt eben eine ungerechte Verfolgung. Der überlegene Ton, der ihn von einem Manne abgeſtoßen haben würde, machte aus dieſem Munde einen mächtigen Eindruck auf ihn. Er fühlte ſich gedemüthigt und angezogen zugleich. Wenn du aber der Sünde, wie du's heißt, ganz abſagen willſt, fuhr ſie lachend fort, ſo kann ich dir in meiner eigenen Familie ein Muſterbild von Tugend und Ehrbarkeit aufſtellen. Lache nicht, es iſt buchſtäblich wahr. Ich habe noch eine zweite Schweſter, die ſich am Tode ſo vieler Verwandten ein Exempel genommen hat und ſich mit ihrem Manne, einem Scheerenſchleifer, ehrlich und redlich fortbringt. Sie iſt nicht beſonders ſchön, dabei etwas ſchmierig und ſchlampig, wie es auch bei ihrer armſeligen Lebensart nicht anders ſein kann.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/418>, abgerufen am 23.11.2024.