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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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einverstanden zu sein, sondern stieß ihn heftig zurück, wozu sie sich
wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schwester als
durch seine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.

Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das ist
in den Wäldern so gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und
damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, so
schlage ich vor, daß wir jungen Leute mit diesem Gaste Bruder- und
Schwesterschaft trinken.

Der Vorschlag fand allgemeinen Beifall, die Flasche ging in die
Runde und der Freundschaftsbund wurde von den Männern mit
einem Handschlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kusse be¬
siegelt. So feurig aber die Aeltere diese Gelegenheit benutzte, um ihre
Wünsche kundzugeben, so däuchte den Gast der rasche Kuß, mit wel¬
chem die Jüngere einen Augenblick seine Lippen zusammenpreßte, weit
inniger zu sein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen sagte
ihm, daß sie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr so eben gegeben, zu
entsprechen vermöge. Doch riß sie sich gleich wieder von ihm los und
setzte sich ruhig auf ihren Platz.

Eine solche Buße, sagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit
wohl gefallen lassen. Weil mir's aber doch scheint, daß es der Jungfer
schwer fallen will, dieselbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich
alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, so will ich nur
gestehen, daß mein Weib zu dieser Stunde vor dem Wald, wo ich sie
hinbestellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich sie, ob¬
gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander
vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬
bieten weiter nichts zu antworten, als dieses: wenn's in eurer Ge¬
sellschaft nicht vielleicht Sitte ist, daß einer zwei und mehr Weiber
hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, so muß ich eben danken
weil ich schon versehen bin.

Er konnte es nicht unterlassen, diese Eröffnung mit einem spähen¬
den Blick auf seine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬
thuung, zu sehen, daß sie ihr Gesicht nicht so völlig in der Gewalt
hatte, um die unwillkommene Ueberraschung ganz verbergen zu können.
Das ist freilich was anderes, versetzte der Zigeuner. Bis jetzt ist
ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang gewesen. Die Männer

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25

einverſtanden zu ſein, ſondern ſtieß ihn heftig zurück, wozu ſie ſich
wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schweſter als
durch ſeine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.

Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das iſt
in den Wäldern ſo gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und
damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, ſo
ſchlage ich vor, daß wir jungen Leute mit dieſem Gaſte Bruder- und
Schweſterſchaft trinken.

Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall, die Flaſche ging in die
Runde und der Freundſchaftsbund wurde von den Männern mit
einem Handſchlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kuſſe be¬
ſiegelt. So feurig aber die Aeltere dieſe Gelegenheit benutzte, um ihre
Wünſche kundzugeben, ſo däuchte den Gaſt der raſche Kuß, mit wel¬
chem die Jüngere einen Augenblick ſeine Lippen zuſammenpreßte, weit
inniger zu ſein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen ſagte
ihm, daß ſie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr ſo eben gegeben, zu
entſprechen vermöge. Doch riß ſie ſich gleich wieder von ihm los und
ſetzte ſich ruhig auf ihren Platz.

Eine ſolche Buße, ſagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit
wohl gefallen laſſen. Weil mir's aber doch ſcheint, daß es der Jungfer
ſchwer fallen will, dieſelbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich
alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, ſo will ich nur
geſtehen, daß mein Weib zu dieſer Stunde vor dem Wald, wo ich ſie
hinbeſtellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich ſie, ob¬
gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander
vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬
bieten weiter nichts zu antworten, als dieſes: wenn's in eurer Ge¬
ſellſchaft nicht vielleicht Sitte iſt, daß einer zwei und mehr Weiber
hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, ſo muß ich eben danken
weil ich ſchon verſehen bin.

Er konnte es nicht unterlaſſen, dieſe Eröffnung mit einem ſpähen¬
den Blick auf ſeine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬
thuung, zu ſehen, daß ſie ihr Geſicht nicht ſo völlig in der Gewalt
hatte, um die unwillkommene Ueberraſchung ganz verbergen zu können.
Das iſt freilich was anderes, verſetzte der Zigeuner. Bis jetzt iſt
ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang geweſen. Die Männer

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25
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[385/0401] einverſtanden zu ſein, ſondern ſtieß ihn heftig zurück, wozu ſie ſich wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schweſter als durch ſeine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte. Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das iſt in den Wäldern ſo gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, ſo ſchlage ich vor, daß wir jungen Leute mit dieſem Gaſte Bruder- und Schweſterſchaft trinken. Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall, die Flaſche ging in die Runde und der Freundſchaftsbund wurde von den Männern mit einem Handſchlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kuſſe be¬ ſiegelt. So feurig aber die Aeltere dieſe Gelegenheit benutzte, um ihre Wünſche kundzugeben, ſo däuchte den Gaſt der raſche Kuß, mit wel¬ chem die Jüngere einen Augenblick ſeine Lippen zuſammenpreßte, weit inniger zu ſein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen ſagte ihm, daß ſie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr ſo eben gegeben, zu entſprechen vermöge. Doch riß ſie ſich gleich wieder von ihm los und ſetzte ſich ruhig auf ihren Platz. Eine ſolche Buße, ſagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit wohl gefallen laſſen. Weil mir's aber doch ſcheint, daß es der Jungfer ſchwer fallen will, dieſelbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, ſo will ich nur geſtehen, daß mein Weib zu dieſer Stunde vor dem Wald, wo ich ſie hinbeſtellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich ſie, ob¬ gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬ bieten weiter nichts zu antworten, als dieſes: wenn's in eurer Ge¬ ſellſchaft nicht vielleicht Sitte iſt, daß einer zwei und mehr Weiber hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, ſo muß ich eben danken weil ich ſchon verſehen bin. Er konnte es nicht unterlaſſen, dieſe Eröffnung mit einem ſpähen¬ den Blick auf ſeine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬ thuung, zu ſehen, daß ſie ihr Geſicht nicht ſo völlig in der Gewalt hatte, um die unwillkommene Ueberraſchung ganz verbergen zu können. Das iſt freilich was anderes, verſetzte der Zigeuner. Bis jetzt iſt ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang geweſen. Die Männer D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/401>, abgerufen am 22.11.2024.