einverstanden zu sein, sondern stieß ihn heftig zurück, wozu sie sich wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schwester als durch seine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.
Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das ist in den Wäldern so gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, so schlage ich vor, daß wir jungen Leute mit diesem Gaste Bruder- und Schwesterschaft trinken.
Der Vorschlag fand allgemeinen Beifall, die Flasche ging in die Runde und der Freundschaftsbund wurde von den Männern mit einem Handschlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kusse be¬ siegelt. So feurig aber die Aeltere diese Gelegenheit benutzte, um ihre Wünsche kundzugeben, so däuchte den Gast der rasche Kuß, mit wel¬ chem die Jüngere einen Augenblick seine Lippen zusammenpreßte, weit inniger zu sein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen sagte ihm, daß sie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr so eben gegeben, zu entsprechen vermöge. Doch riß sie sich gleich wieder von ihm los und setzte sich ruhig auf ihren Platz.
Eine solche Buße, sagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit wohl gefallen lassen. Weil mir's aber doch scheint, daß es der Jungfer schwer fallen will, dieselbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, so will ich nur gestehen, daß mein Weib zu dieser Stunde vor dem Wald, wo ich sie hinbestellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich sie, ob¬ gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬ bieten weiter nichts zu antworten, als dieses: wenn's in eurer Ge¬ sellschaft nicht vielleicht Sitte ist, daß einer zwei und mehr Weiber hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, so muß ich eben danken weil ich schon versehen bin.
Er konnte es nicht unterlassen, diese Eröffnung mit einem spähen¬ den Blick auf seine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬ thuung, zu sehen, daß sie ihr Gesicht nicht so völlig in der Gewalt hatte, um die unwillkommene Ueberraschung ganz verbergen zu können. Das ist freilich was anderes, versetzte der Zigeuner. Bis jetzt ist ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang gewesen. Die Männer
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25
einverſtanden zu ſein, ſondern ſtieß ihn heftig zurück, wozu ſie ſich wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schweſter als durch ſeine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.
Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das iſt in den Wäldern ſo gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, ſo ſchlage ich vor, daß wir jungen Leute mit dieſem Gaſte Bruder- und Schweſterſchaft trinken.
Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall, die Flaſche ging in die Runde und der Freundſchaftsbund wurde von den Männern mit einem Handſchlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kuſſe be¬ ſiegelt. So feurig aber die Aeltere dieſe Gelegenheit benutzte, um ihre Wünſche kundzugeben, ſo däuchte den Gaſt der raſche Kuß, mit wel¬ chem die Jüngere einen Augenblick ſeine Lippen zuſammenpreßte, weit inniger zu ſein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen ſagte ihm, daß ſie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr ſo eben gegeben, zu entſprechen vermöge. Doch riß ſie ſich gleich wieder von ihm los und ſetzte ſich ruhig auf ihren Platz.
Eine ſolche Buße, ſagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit wohl gefallen laſſen. Weil mir's aber doch ſcheint, daß es der Jungfer ſchwer fallen will, dieſelbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, ſo will ich nur geſtehen, daß mein Weib zu dieſer Stunde vor dem Wald, wo ich ſie hinbeſtellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich ſie, ob¬ gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬ bieten weiter nichts zu antworten, als dieſes: wenn's in eurer Ge¬ ſellſchaft nicht vielleicht Sitte iſt, daß einer zwei und mehr Weiber hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, ſo muß ich eben danken weil ich ſchon verſehen bin.
Er konnte es nicht unterlaſſen, dieſe Eröffnung mit einem ſpähen¬ den Blick auf ſeine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬ thuung, zu ſehen, daß ſie ihr Geſicht nicht ſo völlig in der Gewalt hatte, um die unwillkommene Ueberraſchung ganz verbergen zu können. Das iſt freilich was anderes, verſetzte der Zigeuner. Bis jetzt iſt ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang geweſen. Die Männer
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0401"n="385"/>
einverſtanden zu ſein, ſondern ſtieß ihn heftig zurück, wozu ſie ſich<lb/>
wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schweſter als<lb/>
durch ſeine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.</p><lb/><p>Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das iſt<lb/>
in den Wäldern ſo gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und<lb/>
damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, ſo<lb/>ſchlage ich vor, daß wir jungen Leute mit dieſem Gaſte Bruder- und<lb/>
Schweſterſchaft trinken.</p><lb/><p>Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall, die Flaſche ging in die<lb/>
Runde und der Freundſchaftsbund wurde von den Männern mit<lb/>
einem Handſchlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kuſſe be¬<lb/>ſiegelt. So feurig aber die Aeltere dieſe Gelegenheit benutzte, um ihre<lb/>
Wünſche kundzugeben, ſo däuchte den Gaſt der raſche Kuß, mit wel¬<lb/>
chem die Jüngere einen Augenblick ſeine Lippen zuſammenpreßte, weit<lb/>
inniger zu ſein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen ſagte<lb/>
ihm, daß ſie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr ſo eben gegeben, zu<lb/>
entſprechen vermöge. Doch riß ſie ſich gleich wieder von ihm los und<lb/>ſetzte ſich ruhig auf ihren Platz.</p><lb/><p>Eine ſolche Buße, ſagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit<lb/>
wohl gefallen laſſen. Weil mir's aber doch ſcheint, daß es der Jungfer<lb/>ſchwer fallen will, dieſelbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich<lb/>
alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, ſo will ich nur<lb/>
geſtehen, daß mein Weib zu dieſer Stunde vor dem Wald, wo ich ſie<lb/>
hinbeſtellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich ſie, ob¬<lb/>
gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander<lb/>
vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬<lb/>
bieten weiter nichts zu antworten, als dieſes: wenn's in eurer Ge¬<lb/>ſellſchaft nicht vielleicht Sitte iſt, daß einer zwei und mehr Weiber<lb/>
hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, ſo muß ich eben danken<lb/>
weil ich ſchon verſehen bin.</p><lb/><p>Er konnte es nicht unterlaſſen, dieſe Eröffnung mit einem ſpähen¬<lb/>
den Blick auf ſeine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬<lb/>
thuung, zu ſehen, daß ſie ihr Geſicht nicht ſo völlig in der Gewalt<lb/>
hatte, um die unwillkommene Ueberraſchung ganz verbergen zu können.<lb/>
Das iſt freilich was anderes, verſetzte der Zigeuner. Bis jetzt iſt<lb/>
ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang geweſen. Die Männer<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D. B. <hirendition="#aq">IV</hi>. Kurz, Sonnenwirth. 25<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[385/0401]
einverſtanden zu ſein, ſondern ſtieß ihn heftig zurück, wozu ſie ſich
wohl noch mehr durch das zudringliche Betragen ihrer Schweſter als
durch ſeine Kühnheit herausgefordert fühlen mochte.
Hoho! rief ihr Bruder, auf einen Puff gehört ein Kuß, das iſt
in den Wäldern ſo gut wie in Städten und Dörfern Sitte, und
damit der Feuerteufel von einem Weibsbild keinen Ausweg hat, ſo
ſchlage ich vor, daß wir jungen Leute mit dieſem Gaſte Bruder- und
Schweſterſchaft trinken.
Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall, die Flaſche ging in die
Runde und der Freundſchaftsbund wurde von den Männern mit
einem Handſchlag, von den beiden Mädchen je mit einem Kuſſe be¬
ſiegelt. So feurig aber die Aeltere dieſe Gelegenheit benutzte, um ihre
Wünſche kundzugeben, ſo däuchte den Gaſt der raſche Kuß, mit wel¬
chem die Jüngere einen Augenblick ſeine Lippen zuſammenpreßte, weit
inniger zu ſein, und ein heißer Strahl aus ihren dunkeln Augen ſagte
ihm, daß ſie der Bezeichnung, die ihr Bruder ihr ſo eben gegeben, zu
entſprechen vermöge. Doch riß ſie ſich gleich wieder von ihm los und
ſetzte ſich ruhig auf ihren Platz.
Eine ſolche Buße, ſagte er, kann ich mir für die Sprödigkeit
wohl gefallen laſſen. Weil mir's aber doch ſcheint, daß es der Jungfer
ſchwer fallen will, dieſelbe gegen mich abzulegen, und weil ihr mich
alle vorhin wegen meiner Standhaftigkeit gelobt habt, ſo will ich nur
geſtehen, daß mein Weib zu dieſer Stunde vor dem Wald, wo ich ſie
hinbeſtellt habe, auf mich warten wird. Mein Weib heiß' ich ſie, ob¬
gleich wir's mit aller Mühe nicht dahin gebracht haben, mit einander
vor den Altar zu kommen. Somit weiß ich auf das liebreiche Aner¬
bieten weiter nichts zu antworten, als dieſes: wenn's in eurer Ge¬
ſellſchaft nicht vielleicht Sitte iſt, daß einer zwei und mehr Weiber
hat, wie die alten Erzväter in der Bibel, ſo muß ich eben danken
weil ich ſchon verſehen bin.
Er konnte es nicht unterlaſſen, dieſe Eröffnung mit einem ſpähen¬
den Blick auf ſeine Nachbarin zu begleiten, und hatte die Genug¬
thuung, zu ſehen, daß ſie ihr Geſicht nicht ſo völlig in der Gewalt
hatte, um die unwillkommene Ueberraſchung ganz verbergen zu können.
Das iſt freilich was anderes, verſetzte der Zigeuner. Bis jetzt iſt
ie Vielweiberei bei uns nicht im Schwang geweſen. Die Männer
D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 25
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/401>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.