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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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stehen, dann können wir alle Märkte im schwäbischen und fränkischen
Kreis beherrschen, Keiner darf uns in's Handwerk pfuschen, weil die
Andern nicht zusammenhalten, und gehen wir nach einem festen Plan
zu Werke, so daß immer eine gute Zeit verstreicht, bis wir auf den
nämlichen Markt zurückkommen, dann können wir ungestört fortarbeiten
bis an unser seliges --

Hänfenes Ende! ergänzte Bettelmelcher.

Das hat keine Gefahr, beim Schottenfellen am allerwenigsten, ent¬
gegnete der Zigeuner.

Nein, nein, das Project ist gut, versetzte Bettelmelcher.

Wo aber die Kunden herbekommen, an die man die Waaren ab¬
setzen müßte? fragte der Neuling. Den Kattun oder Damast kann
man doch nicht essen oder trinken.

Das laß deine geringste Sorge sein, erwiderte der Zigeuner lachend.

In ganz Franken und Schwaben, sagte seine jüngere Schwester,
gibt's Pfarrer, Schultheißen, Wirthe und sonst honnette Leute genug,
die bei einem wohlfeilen Einkauf ein Auge zudrücken. Alle Welt
verwünscht die Krämer, die auf ihre Zunftrechte pochen, mit dem hundert¬
fachen Profit nicht zufrieden sind und das Publicum mit ihren Sünden¬
preisen betrügen. Wer diesen Schelmen ihren Raub abjagt, ist den
Käufern so lieb, wie den Bauern der Wildschütz, der ihre Felder be¬
wahrt. Und da wir einmal von einer festen Ordnung reden, so meine
ich, man könnte eben so gut einen planmäßigen Handel einrichten,
feste Preise machen und vertraute Leute zum Wiederverkauf aufstellen,
damit man nicht christlichen und hebräischen Juden preisgegeben und
genöthigt wäre, jedes Stück gleich wieder zu verschleudern.

Davon hab' ich eben reden wollen, versetzte die Zigeunermutter,
aber meine Christ -- meine Katharine -- verbesserte sie sich -- kommt
mir mit ihrem schnellen Geist zuvor. Dieser Handel müßte jedoch
großentheils in Person betrieben werden, da man von den meisten
Unterkäufern, wie wir aus Erfahrung wissen, doch nur betrogen wird
und sich nicht hinlänglich gegen sie schützen kann. Ihr könnt euch jetzt
schon denken, wo ich hinaus will. Wir müßten mit unsern Reisen
zugleich einen wandernden Kramhandel für gemeinschaftliche Rechnung
verbinden, der sich ganz offen in die Karten sehen lassen und viel ehr¬
licher betrieben werden müßte, als es bei den honnettesten Krämern der

ſtehen, dann können wir alle Märkte im ſchwäbiſchen und fränkiſchen
Kreis beherrſchen, Keiner darf uns in's Handwerk pfuſchen, weil die
Andern nicht zuſammenhalten, und gehen wir nach einem feſten Plan
zu Werke, ſo daß immer eine gute Zeit verſtreicht, bis wir auf den
nämlichen Markt zurückkommen, dann können wir ungeſtört fortarbeiten
bis an unſer ſeliges —

Hänfenes Ende! ergänzte Bettelmelcher.

Das hat keine Gefahr, beim Schottenfellen am allerwenigſten, ent¬
gegnete der Zigeuner.

Nein, nein, das Project iſt gut, verſetzte Bettelmelcher.

Wo aber die Kunden herbekommen, an die man die Waaren ab¬
ſetzen müßte? fragte der Neuling. Den Kattun oder Damaſt kann
man doch nicht eſſen oder trinken.

Das laß deine geringſte Sorge ſein, erwiderte der Zigeuner lachend.

In ganz Franken und Schwaben, ſagte ſeine jüngere Schweſter,
gibt's Pfarrer, Schultheißen, Wirthe und ſonſt honnette Leute genug,
die bei einem wohlfeilen Einkauf ein Auge zudrücken. Alle Welt
verwünſcht die Krämer, die auf ihre Zunftrechte pochen, mit dem hundert¬
fachen Profit nicht zufrieden ſind und das Publicum mit ihren Sünden¬
preiſen betrügen. Wer dieſen Schelmen ihren Raub abjagt, iſt den
Käufern ſo lieb, wie den Bauern der Wildſchütz, der ihre Felder be¬
wahrt. Und da wir einmal von einer feſten Ordnung reden, ſo meine
ich, man könnte eben ſo gut einen planmäßigen Handel einrichten,
feſte Preiſe machen und vertraute Leute zum Wiederverkauf aufſtellen,
damit man nicht chriſtlichen und hebräiſchen Juden preisgegeben und
genöthigt wäre, jedes Stück gleich wieder zu verſchleudern.

Davon hab' ich eben reden wollen, verſetzte die Zigeunermutter,
aber meine Chriſt — meine Katharine — verbeſſerte ſie ſich — kommt
mir mit ihrem ſchnellen Geiſt zuvor. Dieſer Handel müßte jedoch
großentheils in Perſon betrieben werden, da man von den meiſten
Unterkäufern, wie wir aus Erfahrung wiſſen, doch nur betrogen wird
und ſich nicht hinlänglich gegen ſie ſchützen kann. Ihr könnt euch jetzt
ſchon denken, wo ich hinaus will. Wir müßten mit unſern Reiſen
zugleich einen wandernden Kramhandel für gemeinſchaftliche Rechnung
verbinden, der ſich ganz offen in die Karten ſehen laſſen und viel ehr¬
licher betrieben werden müßte, als es bei den honnetteſten Krämern der

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[379/0395] ſtehen, dann können wir alle Märkte im ſchwäbiſchen und fränkiſchen Kreis beherrſchen, Keiner darf uns in's Handwerk pfuſchen, weil die Andern nicht zuſammenhalten, und gehen wir nach einem feſten Plan zu Werke, ſo daß immer eine gute Zeit verſtreicht, bis wir auf den nämlichen Markt zurückkommen, dann können wir ungeſtört fortarbeiten bis an unſer ſeliges — Hänfenes Ende! ergänzte Bettelmelcher. Das hat keine Gefahr, beim Schottenfellen am allerwenigſten, ent¬ gegnete der Zigeuner. Nein, nein, das Project iſt gut, verſetzte Bettelmelcher. Wo aber die Kunden herbekommen, an die man die Waaren ab¬ ſetzen müßte? fragte der Neuling. Den Kattun oder Damaſt kann man doch nicht eſſen oder trinken. Das laß deine geringſte Sorge ſein, erwiderte der Zigeuner lachend. In ganz Franken und Schwaben, ſagte ſeine jüngere Schweſter, gibt's Pfarrer, Schultheißen, Wirthe und ſonſt honnette Leute genug, die bei einem wohlfeilen Einkauf ein Auge zudrücken. Alle Welt verwünſcht die Krämer, die auf ihre Zunftrechte pochen, mit dem hundert¬ fachen Profit nicht zufrieden ſind und das Publicum mit ihren Sünden¬ preiſen betrügen. Wer dieſen Schelmen ihren Raub abjagt, iſt den Käufern ſo lieb, wie den Bauern der Wildſchütz, der ihre Felder be¬ wahrt. Und da wir einmal von einer feſten Ordnung reden, ſo meine ich, man könnte eben ſo gut einen planmäßigen Handel einrichten, feſte Preiſe machen und vertraute Leute zum Wiederverkauf aufſtellen, damit man nicht chriſtlichen und hebräiſchen Juden preisgegeben und genöthigt wäre, jedes Stück gleich wieder zu verſchleudern. Davon hab' ich eben reden wollen, verſetzte die Zigeunermutter, aber meine Chriſt — meine Katharine — verbeſſerte ſie ſich — kommt mir mit ihrem ſchnellen Geiſt zuvor. Dieſer Handel müßte jedoch großentheils in Perſon betrieben werden, da man von den meiſten Unterkäufern, wie wir aus Erfahrung wiſſen, doch nur betrogen wird und ſich nicht hinlänglich gegen ſie ſchützen kann. Ihr könnt euch jetzt ſchon denken, wo ich hinaus will. Wir müßten mit unſern Reiſen zugleich einen wandernden Kramhandel für gemeinſchaftliche Rechnung verbinden, der ſich ganz offen in die Karten ſehen laſſen und viel ehr¬ licher betrieben werden müßte, als es bei den honnetteſten Krämern der

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/395>, abgerufen am 25.11.2024.