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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Die beiden Mädchen nebst der Mutter gaben dem Gast die Hände,
wobei die ältere Schwester ein warmes Fingerspiel mit unterlaufen
ließ, die jüngere aber sich auf einen kurzen Handschlag ohne irgend
einen Druck beschränkte. Er wurde zwischen die beiden Schönen ge¬
setzt, und die Mahlzeit nahm ihren Fortgang, wobei ein köstlicher
Wein aus einem Fäßchen, dessen Handhabung Bettelmelcher über¬
nommen hatte, fleißig die Runde machte. Friedrich konnte dem Reiz
der Speise und des Getränkes nicht widerstehen, und entschuldigte seine
durch lange Entbehrung gesteigerte Begierde mit einer auf dem An¬
stande durchwachten Nacht. Man sprach ihm eifrig zu, und die beiden
Mädchen wetteiferten ihn zu bedienen, wobei die Aeltere ihn durch
Schnelligkeit zu gewinnen suchte, die Jüngere aber ihm seltener, jedoch
ausgewähltere Bissen vorlegte. Mit Wein versah ihn die Aeltere auf's
reichlichste und bald kreiste das Blut rascher durch seine Adern; die
Jüngere reichte ihm nur dann das Glas, wenn es längere Zeit nicht
an ihn gekommen war und die Aeltere ihren Dienst im Schwatzen
vergessen hatte. Die Mahlzeit ging in munteren Gesprächen hin, die
sich großentheils auf ihn selbst bezogen und in welchen er bald mit
gröberen, bald mit feineren Schmeicheleien überhäuft wurde. Selbst
seine Büchse wurde gelobt, und er glaubte zum erstenmal in einer
Welt zu sein, die Alles an ihm vortrefflich fand. In diesem behag¬
lichen Zustande störte ihn nichts als das Benehmen der älteren
Schwester Margaretha, das er auf die Länge auffallend zudringlich
fand: sie setzte ihm mit mehr als herausfordernden Blicken und Reden
zu und wußte sich dabei auf eine Weise an ihn anzuschmiegen, die
ihn zugleich abstieß und doch entzündete. Dies hatte zur Folge, daß
er das Feuer, das sie in ihm anfachte, mehr und mehr ihrer jüngern
Schwester zuwendete, die nicht bloß durch ihre Zurückhaltung gewann,
sondern bei längerem Anschauen nach und nach eine Schönheit ent¬
faltete, welche das Auge zu immer häufiger wiederholten Besuchen
einlud. Diese Schönheit bot weit mehr ein Ganzes dar, als die zu¬
sammengesetzten Reize ihrer buhlerischen Schwester. Auch konnte der
strenge Ernst, der in dem dunkeln Gesichte mit der geraden wohl¬
gebauten Nase vorzuherrschen schien, einem warmen Lächeln weichen,
die festgeschlossenen Lippen konnten zu einem Scherzwort aufthauen,
das den freien Ton der Unterhaltung überbot, und wenn ihr schwarz¬

Die beiden Mädchen nebſt der Mutter gaben dem Gaſt die Hände,
wobei die ältere Schweſter ein warmes Fingerſpiel mit unterlaufen
ließ, die jüngere aber ſich auf einen kurzen Handſchlag ohne irgend
einen Druck beſchränkte. Er wurde zwiſchen die beiden Schönen ge¬
ſetzt, und die Mahlzeit nahm ihren Fortgang, wobei ein köſtlicher
Wein aus einem Fäßchen, deſſen Handhabung Bettelmelcher über¬
nommen hatte, fleißig die Runde machte. Friedrich konnte dem Reiz
der Speiſe und des Getränkes nicht widerſtehen, und entſchuldigte ſeine
durch lange Entbehrung geſteigerte Begierde mit einer auf dem An¬
ſtande durchwachten Nacht. Man ſprach ihm eifrig zu, und die beiden
Mädchen wetteiferten ihn zu bedienen, wobei die Aeltere ihn durch
Schnelligkeit zu gewinnen ſuchte, die Jüngere aber ihm ſeltener, jedoch
ausgewähltere Biſſen vorlegte. Mit Wein verſah ihn die Aeltere auf's
reichlichſte und bald kreiste das Blut raſcher durch ſeine Adern; die
Jüngere reichte ihm nur dann das Glas, wenn es längere Zeit nicht
an ihn gekommen war und die Aeltere ihren Dienſt im Schwatzen
vergeſſen hatte. Die Mahlzeit ging in munteren Geſprächen hin, die
ſich großentheils auf ihn ſelbſt bezogen und in welchen er bald mit
gröberen, bald mit feineren Schmeicheleien überhäuft wurde. Selbſt
ſeine Büchſe wurde gelobt, und er glaubte zum erſtenmal in einer
Welt zu ſein, die Alles an ihm vortrefflich fand. In dieſem behag¬
lichen Zuſtande ſtörte ihn nichts als das Benehmen der älteren
Schweſter Margaretha, das er auf die Länge auffallend zudringlich
fand: ſie ſetzte ihm mit mehr als herausfordernden Blicken und Reden
zu und wußte ſich dabei auf eine Weiſe an ihn anzuſchmiegen, die
ihn zugleich abſtieß und doch entzündete. Dies hatte zur Folge, daß
er das Feuer, das ſie in ihm anfachte, mehr und mehr ihrer jüngern
Schweſter zuwendete, die nicht bloß durch ihre Zurückhaltung gewann,
ſondern bei längerem Anſchauen nach und nach eine Schönheit ent¬
faltete, welche das Auge zu immer häufiger wiederholten Beſuchen
einlud. Dieſe Schönheit bot weit mehr ein Ganzes dar, als die zu¬
ſammengeſetzten Reize ihrer buhleriſchen Schweſter. Auch konnte der
ſtrenge Ernſt, der in dem dunkeln Geſichte mit der geraden wohl¬
gebauten Naſe vorzuherrſchen ſchien, einem warmen Lächeln weichen,
die feſtgeſchloſſenen Lippen konnten zu einem Scherzwort aufthauen,
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[372/0388] Die beiden Mädchen nebſt der Mutter gaben dem Gaſt die Hände, wobei die ältere Schweſter ein warmes Fingerſpiel mit unterlaufen ließ, die jüngere aber ſich auf einen kurzen Handſchlag ohne irgend einen Druck beſchränkte. Er wurde zwiſchen die beiden Schönen ge¬ ſetzt, und die Mahlzeit nahm ihren Fortgang, wobei ein köſtlicher Wein aus einem Fäßchen, deſſen Handhabung Bettelmelcher über¬ nommen hatte, fleißig die Runde machte. Friedrich konnte dem Reiz der Speiſe und des Getränkes nicht widerſtehen, und entſchuldigte ſeine durch lange Entbehrung geſteigerte Begierde mit einer auf dem An¬ ſtande durchwachten Nacht. Man ſprach ihm eifrig zu, und die beiden Mädchen wetteiferten ihn zu bedienen, wobei die Aeltere ihn durch Schnelligkeit zu gewinnen ſuchte, die Jüngere aber ihm ſeltener, jedoch ausgewähltere Biſſen vorlegte. Mit Wein verſah ihn die Aeltere auf's reichlichſte und bald kreiste das Blut raſcher durch ſeine Adern; die Jüngere reichte ihm nur dann das Glas, wenn es längere Zeit nicht an ihn gekommen war und die Aeltere ihren Dienſt im Schwatzen vergeſſen hatte. Die Mahlzeit ging in munteren Geſprächen hin, die ſich großentheils auf ihn ſelbſt bezogen und in welchen er bald mit gröberen, bald mit feineren Schmeicheleien überhäuft wurde. Selbſt ſeine Büchſe wurde gelobt, und er glaubte zum erſtenmal in einer Welt zu ſein, die Alles an ihm vortrefflich fand. In dieſem behag¬ lichen Zuſtande ſtörte ihn nichts als das Benehmen der älteren Schweſter Margaretha, das er auf die Länge auffallend zudringlich fand: ſie ſetzte ihm mit mehr als herausfordernden Blicken und Reden zu und wußte ſich dabei auf eine Weiſe an ihn anzuſchmiegen, die ihn zugleich abſtieß und doch entzündete. Dies hatte zur Folge, daß er das Feuer, das ſie in ihm anfachte, mehr und mehr ihrer jüngern Schweſter zuwendete, die nicht bloß durch ihre Zurückhaltung gewann, ſondern bei längerem Anſchauen nach und nach eine Schönheit ent¬ faltete, welche das Auge zu immer häufiger wiederholten Beſuchen einlud. Dieſe Schönheit bot weit mehr ein Ganzes dar, als die zu¬ ſammengeſetzten Reize ihrer buhleriſchen Schweſter. Auch konnte der ſtrenge Ernſt, der in dem dunkeln Geſichte mit der geraden wohl¬ gebauten Naſe vorzuherrſchen ſchien, einem warmen Lächeln weichen, die feſtgeſchloſſenen Lippen konnten zu einem Scherzwort aufthauen, das den freien Ton der Unterhaltung überbot, und wenn ihr ſchwarz¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/388>, abgerufen am 26.11.2024.