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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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widersprechende Eindruck, den sowohl sein Gesicht als seine Kleidung
hervorbrachten, bei einem Neuling schnell ausgeglichen wurde.

Und dieser, sagte der Zigeuner, indem er den Andern am Arme
nahm, ist mein Freund Schwamenjackel, ein sehr ernsthafter Kerl,
wenn er anfängt, denn da heißt's bei ihm: Nix Pardon! aber seinen
Freunden treu und anhänglich; wenn er Einen einmal zum Freunde
angenommen hat, so geht er durch's Feuer für ihn -- ein grund¬
ehrlicher Kerl!

Der also Geschilderte zerdrückte dem Ankömmling die breite, starke
Hand, daß dieser das Blut in den Fingerspitzen fühlte, und sagte mit
heiserer Stimme: Wollen gut Freund sein. Dann räusperte er sich,
als ob die paar Worte ihm die Kehle angegriffen hätten, und nickte
stumm dazu.

Er war eine kurze Gestalt, noch etwas unter Friedrich's Größe, aber
dicker. Sein Gesicht war leserlicher als das seines Gefährten, aber es
bedurfte einiger Ueberwindung, um darin zu lesen. Ein starker schwarzer
Bart, an den untern Haaren in's Gräuliche streifend, gab den groben
Zügen den Ausdruck einer ungeschlachten Verwogenheit; hinter den
buschigen Augenbrauen lagen ein paar bösblickende Augen wie in
tiefen Höhlen; die niedrige Stirne deutete auf eine harte Ent¬
schlossenheit, die wenig nach Ueberlegung fragte, und das gleichfalls
in's Graue spielende schwarze Haar verrieth, mit dem noch nicht alten
Gesichte verglichen, ein Leben voll Mühsal und wilder Leidenschaft.
Trotz dieser Härte der Erscheinung hatte der Mann nichts Bäurisches
in seinem Auftreten; seine Bewegungen waren kurz und sicher, und
sein Anstand blieb wenig hinter dem seiner gewandteren Genossen zu¬
rück. Seine Tracht aber war noch ungleichartiger als die des Bettel¬
melchers. Er trug ein graues Camisol und gelbe hirschlederne
die vollkommen zu seinem Gesichte, desto weniger aber zu einer höchst statt¬
lichen braunseidenen Camelotweste paßten. Eine bessere Uebereinstimmung
zeigte der Anzug des Zigeuners: sein grüner geschlossener Jagdrock
schickte sich trefflich zu den weißen Beinkleidern und zu einem Hirsch¬
fänger, den er an der Seite trug; aber ein schärferes Auge konnte
auch an ihm eine Unvollkommenheit entdecken, denn der Schnitt der
Kleider wollte nicht ganz genau zu seinem Leibe passen. Der Gast
aber nahm es mit seiner Musterung nicht so streng, er dachte viel¬

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 24

widerſprechende Eindruck, den ſowohl ſein Geſicht als ſeine Kleidung
hervorbrachten, bei einem Neuling ſchnell ausgeglichen wurde.

Und dieſer, ſagte der Zigeuner, indem er den Andern am Arme
nahm, iſt mein Freund Schwamenjackel, ein ſehr ernſthafter Kerl,
wenn er anfängt, denn da heißt's bei ihm: Nix Pardon! aber ſeinen
Freunden treu und anhänglich; wenn er Einen einmal zum Freunde
angenommen hat, ſo geht er durch's Feuer für ihn — ein grund¬
ehrlicher Kerl!

Der alſo Geſchilderte zerdrückte dem Ankömmling die breite, ſtarke
Hand, daß dieſer das Blut in den Fingerſpitzen fühlte, und ſagte mit
heiſerer Stimme: Wollen gut Freund ſein. Dann räusperte er ſich,
als ob die paar Worte ihm die Kehle angegriffen hätten, und nickte
ſtumm dazu.

Er war eine kurze Geſtalt, noch etwas unter Friedrich's Größe, aber
dicker. Sein Geſicht war leſerlicher als das ſeines Gefährten, aber es
bedurfte einiger Ueberwindung, um darin zu leſen. Ein ſtarker ſchwarzer
Bart, an den untern Haaren in's Gräuliche ſtreifend, gab den groben
Zügen den Ausdruck einer ungeſchlachten Verwogenheit; hinter den
buſchigen Augenbrauen lagen ein paar bösblickende Augen wie in
tiefen Höhlen; die niedrige Stirne deutete auf eine harte Ent¬
ſchloſſenheit, die wenig nach Ueberlegung fragte, und das gleichfalls
in's Graue ſpielende ſchwarze Haar verrieth, mit dem noch nicht alten
Geſichte verglichen, ein Leben voll Mühſal und wilder Leidenſchaft.
Trotz dieſer Härte der Erſcheinung hatte der Mann nichts Bäuriſches
in ſeinem Auftreten; ſeine Bewegungen waren kurz und ſicher, und
ſein Anſtand blieb wenig hinter dem ſeiner gewandteren Genoſſen zu¬
rück. Seine Tracht aber war noch ungleichartiger als die des Bettel¬
melchers. Er trug ein graues Camiſol und gelbe hirſchlederne
die vollkommen zu ſeinem Geſichte, deſto weniger aber zu einer höchſt ſtatt¬
lichen braunſeidenen Camelotweſte paßten. Eine beſſere Uebereinſtimmung
zeigte der Anzug des Zigeuners: ſein grüner geſchloſſener Jagdrock
ſchickte ſich trefflich zu den weißen Beinkleidern und zu einem Hirſch¬
fänger, den er an der Seite trug; aber ein ſchärferes Auge konnte
auch an ihm eine Unvollkommenheit entdecken, denn der Schnitt der
Kleider wollte nicht ganz genau zu ſeinem Leibe paſſen. Der Gaſt
aber nahm es mit ſeiner Muſterung nicht ſo ſtreng, er dachte viel¬

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[369/0385] widerſprechende Eindruck, den ſowohl ſein Geſicht als ſeine Kleidung hervorbrachten, bei einem Neuling ſchnell ausgeglichen wurde. Und dieſer, ſagte der Zigeuner, indem er den Andern am Arme nahm, iſt mein Freund Schwamenjackel, ein ſehr ernſthafter Kerl, wenn er anfängt, denn da heißt's bei ihm: Nix Pardon! aber ſeinen Freunden treu und anhänglich; wenn er Einen einmal zum Freunde angenommen hat, ſo geht er durch's Feuer für ihn — ein grund¬ ehrlicher Kerl! Der alſo Geſchilderte zerdrückte dem Ankömmling die breite, ſtarke Hand, daß dieſer das Blut in den Fingerſpitzen fühlte, und ſagte mit heiſerer Stimme: Wollen gut Freund ſein. Dann räusperte er ſich, als ob die paar Worte ihm die Kehle angegriffen hätten, und nickte ſtumm dazu. Er war eine kurze Geſtalt, noch etwas unter Friedrich's Größe, aber dicker. Sein Geſicht war leſerlicher als das ſeines Gefährten, aber es bedurfte einiger Ueberwindung, um darin zu leſen. Ein ſtarker ſchwarzer Bart, an den untern Haaren in's Gräuliche ſtreifend, gab den groben Zügen den Ausdruck einer ungeſchlachten Verwogenheit; hinter den buſchigen Augenbrauen lagen ein paar bösblickende Augen wie in tiefen Höhlen; die niedrige Stirne deutete auf eine harte Ent¬ ſchloſſenheit, die wenig nach Ueberlegung fragte, und das gleichfalls in's Graue ſpielende ſchwarze Haar verrieth, mit dem noch nicht alten Geſichte verglichen, ein Leben voll Mühſal und wilder Leidenſchaft. Trotz dieſer Härte der Erſcheinung hatte der Mann nichts Bäuriſches in ſeinem Auftreten; ſeine Bewegungen waren kurz und ſicher, und ſein Anſtand blieb wenig hinter dem ſeiner gewandteren Genoſſen zu¬ rück. Seine Tracht aber war noch ungleichartiger als die des Bettel¬ melchers. Er trug ein graues Camiſol und gelbe hirſchlederne die vollkommen zu ſeinem Geſichte, deſto weniger aber zu einer höchſt ſtatt¬ lichen braunſeidenen Camelotweſte paßten. Eine beſſere Uebereinſtimmung zeigte der Anzug des Zigeuners: ſein grüner geſchloſſener Jagdrock ſchickte ſich trefflich zu den weißen Beinkleidern und zu einem Hirſch¬ fänger, den er an der Seite trug; aber ein ſchärferes Auge konnte auch an ihm eine Unvollkommenheit entdecken, denn der Schnitt der Kleider wollte nicht ganz genau zu ſeinem Leibe paſſen. Der Gaſt aber nahm es mit ſeiner Muſterung nicht ſo ſtreng, er dachte viel¬ D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 24

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/385>, abgerufen am 26.11.2024.