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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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sehnt habt. Das ist, fuhr er mit erhobener, beinahe feierlicher Stimme
fort, das ist der Mann, dessen Name in jedem Walde zwischen Rhein
und Donau mit Hutabziehen genannt wird, obgleich er seinen eigenen
Werth nicht kennt, der Mann, vor dem ein ganzes Amt zittert, der
Mann, dessen Genie die Festungswerke von Hohentwiel zu einem
Kinderkartenhäuschen gemacht hat --

Ah! riefen die drei weiblichen Mitglieder der Gesellschaft, die im
Begreifen den Männern vorauseilten.

Mit Einem Wort, vollendete der Zigeuner, indem er seinem Tone
noch stärkeren Nachdruck gab, es ist der berühmte Sonnenwirth.

Mit einem Schrei der freudigsten Ueberraschung sprangen Alle
auf und umringten den Ankömmling, der kaum wußte wie ihm ge¬
schah. Er glaubte zu träumen. Ausgestoßen, gehaßt und verachtet, wie
er war, hatte er bis jetzt höchstens die traurige Befriedigung genossen,
sich gefürchtet zu sehen, und durch seine Geschicklichkeit im Wildern
hatte er sich bei den Hofbesitzern und Bauern eine gewisse eigennützige
Theilnahme erworben; aber die Freundschaft, Achtung, Bewunderung,
ja Ehrerbietung, die ihm hier als einem jungen Manne, der schon
so Großes geleistet, erwiesen wurden, und zwar von Leuten, durch
deren, wie es ihm schien, ungewöhnliche Bildung und Redeweise er
sich zugleich gehoben und gedemüthigt fühlte, diese Erzeigungen waren
ihm unbekannt, und während seine Bescheidenheit sich gegen das Uebermaß
des Lobes und Preises sträubte, that doch die ungeheuchelte Anerken¬
nung, die sich darin äußerte, nicht bloß seiner Eitelkeit, sondern auch
seinem Herzen wohl.

Nun will ich dir die Gesellschaft vorstellen, fuhr der Zigeuner
fort. Er deutete auf einen großen Mann, dessen freundliches Gesicht,
unterstützt durch einen feinen weißblauen Rock, einen günstigen Ein¬
druck machte, nur daß um den lächelnden Mund ein spöttischer Zug
lauerte und die etwas gemeine Barchentweste weder zu den silbernen
Knöpfen, mit welchen sie besetzt war, noch zu dem feinen Rock recht
passen wollte. Das ist mein Freund Bettelmelcher, sagte er, ein sehr
versirter Kopf, dessen glattem Gesicht man es nicht ansehen würde,
wie viel Raffinement dahinter steckt.

Der Mann mit dem abstoßenden Namen reichte dem Gaste die
Hand und bewillkommte ihn mit so zierlich gesetzten Worten, daß der

ſehnt habt. Das iſt, fuhr er mit erhobener, beinahe feierlicher Stimme
fort, das iſt der Mann, deſſen Name in jedem Walde zwiſchen Rhein
und Donau mit Hutabziehen genannt wird, obgleich er ſeinen eigenen
Werth nicht kennt, der Mann, vor dem ein ganzes Amt zittert, der
Mann, deſſen Genie die Feſtungswerke von Hohentwiel zu einem
Kinderkartenhäuschen gemacht hat —

Ah! riefen die drei weiblichen Mitglieder der Geſellſchaft, die im
Begreifen den Männern vorauseilten.

Mit Einem Wort, vollendete der Zigeuner, indem er ſeinem Tone
noch ſtärkeren Nachdruck gab, es iſt der berühmte Sonnenwirth.

Mit einem Schrei der freudigſten Ueberraſchung ſprangen Alle
auf und umringten den Ankömmling, der kaum wußte wie ihm ge¬
ſchah. Er glaubte zu träumen. Ausgeſtoßen, gehaßt und verachtet, wie
er war, hatte er bis jetzt höchſtens die traurige Befriedigung genoſſen,
ſich gefürchtet zu ſehen, und durch ſeine Geſchicklichkeit im Wildern
hatte er ſich bei den Hofbeſitzern und Bauern eine gewiſſe eigennützige
Theilnahme erworben; aber die Freundſchaft, Achtung, Bewunderung,
ja Ehrerbietung, die ihm hier als einem jungen Manne, der ſchon
ſo Großes geleiſtet, erwieſen wurden, und zwar von Leuten, durch
deren, wie es ihm ſchien, ungewöhnliche Bildung und Redeweiſe er
ſich zugleich gehoben und gedemüthigt fühlte, dieſe Erzeigungen waren
ihm unbekannt, und während ſeine Beſcheidenheit ſich gegen das Uebermaß
des Lobes und Preiſes ſträubte, that doch die ungeheuchelte Anerken¬
nung, die ſich darin äußerte, nicht bloß ſeiner Eitelkeit, ſondern auch
ſeinem Herzen wohl.

Nun will ich dir die Geſellſchaft vorſtellen, fuhr der Zigeuner
fort. Er deutete auf einen großen Mann, deſſen freundliches Geſicht,
unterſtützt durch einen feinen weißblauen Rock, einen günſtigen Ein¬
druck machte, nur daß um den lächelnden Mund ein ſpöttiſcher Zug
lauerte und die etwas gemeine Barchentweſte weder zu den ſilbernen
Knöpfen, mit welchen ſie beſetzt war, noch zu dem feinen Rock recht
paſſen wollte. Das iſt mein Freund Bettelmelcher, ſagte er, ein ſehr
verſirter Kopf, deſſen glattem Geſicht man es nicht anſehen würde,
wie viel Raffinement dahinter ſteckt.

Der Mann mit dem abſtoßenden Namen reichte dem Gaſte die
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[368/0384] ſehnt habt. Das iſt, fuhr er mit erhobener, beinahe feierlicher Stimme fort, das iſt der Mann, deſſen Name in jedem Walde zwiſchen Rhein und Donau mit Hutabziehen genannt wird, obgleich er ſeinen eigenen Werth nicht kennt, der Mann, vor dem ein ganzes Amt zittert, der Mann, deſſen Genie die Feſtungswerke von Hohentwiel zu einem Kinderkartenhäuschen gemacht hat — Ah! riefen die drei weiblichen Mitglieder der Geſellſchaft, die im Begreifen den Männern vorauseilten. Mit Einem Wort, vollendete der Zigeuner, indem er ſeinem Tone noch ſtärkeren Nachdruck gab, es iſt der berühmte Sonnenwirth. Mit einem Schrei der freudigſten Ueberraſchung ſprangen Alle auf und umringten den Ankömmling, der kaum wußte wie ihm ge¬ ſchah. Er glaubte zu träumen. Ausgeſtoßen, gehaßt und verachtet, wie er war, hatte er bis jetzt höchſtens die traurige Befriedigung genoſſen, ſich gefürchtet zu ſehen, und durch ſeine Geſchicklichkeit im Wildern hatte er ſich bei den Hofbeſitzern und Bauern eine gewiſſe eigennützige Theilnahme erworben; aber die Freundſchaft, Achtung, Bewunderung, ja Ehrerbietung, die ihm hier als einem jungen Manne, der ſchon ſo Großes geleiſtet, erwieſen wurden, und zwar von Leuten, durch deren, wie es ihm ſchien, ungewöhnliche Bildung und Redeweiſe er ſich zugleich gehoben und gedemüthigt fühlte, dieſe Erzeigungen waren ihm unbekannt, und während ſeine Beſcheidenheit ſich gegen das Uebermaß des Lobes und Preiſes ſträubte, that doch die ungeheuchelte Anerken¬ nung, die ſich darin äußerte, nicht bloß ſeiner Eitelkeit, ſondern auch ſeinem Herzen wohl. Nun will ich dir die Geſellſchaft vorſtellen, fuhr der Zigeuner fort. Er deutete auf einen großen Mann, deſſen freundliches Geſicht, unterſtützt durch einen feinen weißblauen Rock, einen günſtigen Ein¬ druck machte, nur daß um den lächelnden Mund ein ſpöttiſcher Zug lauerte und die etwas gemeine Barchentweſte weder zu den ſilbernen Knöpfen, mit welchen ſie beſetzt war, noch zu dem feinen Rock recht paſſen wollte. Das iſt mein Freund Bettelmelcher, ſagte er, ein ſehr verſirter Kopf, deſſen glattem Geſicht man es nicht anſehen würde, wie viel Raffinement dahinter ſteckt. Der Mann mit dem abſtoßenden Namen reichte dem Gaſte die Hand und bewillkommte ihn mit ſo zierlich geſetzten Worten, daß der

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/384>, abgerufen am 26.11.2024.