bis Gmünd damit versorgt; und da führt mir der Teufel noch den Hof daher, der mir nicht bloß die Jagd, sondern noch viel mehr den Handel verdorben hat, denn die machen dir in ein paar Tagen ein Schlacht¬ feld, daß man's schier verwesen lassen muß. Wildpret ist so wohlfeil und so unwerth geworden, daß man mir einmal in einem Pfarrhaus ein übergelassenes Stück Hirsch vorgesetzt hat von meiner eigenen Hand. Ich hatt's den Tag zuvor geschossen und durch den Christle dahin ver¬ kaufen lassen, der's ihnen mit Müh' und Noth aufgeschwätzt hat um ein Bettelgeld. Wie ich den Tag drauf vorüberkomme, ruft mir die Pfarrerin vom Fenster, ob ich nicht um's Warme ein wenig Holz spalten wolle. Ich hab's gern gethan, weil mich's gefroren und ge¬ hungert hat; und wie ich dann mit Hirschbraten bin abgefüttert wor¬ den, hab' ich doch denken müssen: die Waar' muß tief im Preis stehen, wenn man sie dem billigsten Taglöhner nachwirft. Hab' auch bald meine Rechnung richtig gefunden, denn beim Grethmeister in Gmünd, im dortigen Barfüßerkloster, wo sonst immer ein gutes Geschäft zu machen war, und in allen Pfarrhäusern weit und breit -- nirgends ist mehr was anzubringen gewesen. Drüber ist dann die Jagdzeit ohne¬ hin vollends zu End' gangen, aber ich besorg' mich, wenn sie auch wieder anhebt, so werden die Leut' noch satt und voll vom Wildpret sein, und werden Rindfleisch vorziehen, das ich ihnen nicht schießen kann. Froh ist freilich Alles in den Dörfern und auf den Höfen, wenn ich das Wild wegschieße, aber niemand zahlt mir ein Schußgeld dafür.
Schlechte Aussicht! sagte sie. Und ich spür's hier wohl, daß du nicht viel in's Haus bringst. Sind sie wüst gegen dich?
Das grad nicht, sie sind freundlicher als auf den andern Höfen, wo du mich hinbracht hast. Deine Verbindung mit dem Christle thut mir gut bei ihnen, aber doch lassen sie mich's merken, daß du das Kostgeld die Zeit her schuldig blieben bist.
Mach' dich jetzt auf, Christine, mußt mir die Hirschhaut den Wald hinunter tragen, abgezogen hab' ich sie schon, und in der Teufels¬ kling' verstecken, damit sie der Christle mitnehmen kann. Er kommt morgen von Rechberghausen aus dort hinab, und von da mußt du mit ihm den Waldsteig nach Gmünd gehen.
Das geschieht mir sauer, wendete sie weinerlich ein.
bis Gmünd damit verſorgt; und da führt mir der Teufel noch den Hof daher, der mir nicht bloß die Jagd, ſondern noch viel mehr den Handel verdorben hat, denn die machen dir in ein paar Tagen ein Schlacht¬ feld, daß man's ſchier verweſen laſſen muß. Wildpret iſt ſo wohlfeil und ſo unwerth geworden, daß man mir einmal in einem Pfarrhaus ein übergelaſſenes Stück Hirſch vorgeſetzt hat von meiner eigenen Hand. Ich hatt's den Tag zuvor geſchoſſen und durch den Chriſtle dahin ver¬ kaufen laſſen, der's ihnen mit Müh' und Noth aufgeſchwätzt hat um ein Bettelgeld. Wie ich den Tag drauf vorüberkomme, ruft mir die Pfarrerin vom Fenſter, ob ich nicht um's Warme ein wenig Holz ſpalten wolle. Ich hab's gern gethan, weil mich's gefroren und ge¬ hungert hat; und wie ich dann mit Hirſchbraten bin abgefüttert wor¬ den, hab' ich doch denken müſſen: die Waar' muß tief im Preis ſtehen, wenn man ſie dem billigſten Taglöhner nachwirft. Hab' auch bald meine Rechnung richtig gefunden, denn beim Grethmeiſter in Gmünd, im dortigen Barfüßerkloſter, wo ſonſt immer ein gutes Geſchäft zu machen war, und in allen Pfarrhäuſern weit und breit — nirgends iſt mehr was anzubringen geweſen. Drüber iſt dann die Jagdzeit ohne¬ hin vollends zu End' gangen, aber ich beſorg' mich, wenn ſie auch wieder anhebt, ſo werden die Leut' noch ſatt und voll vom Wildpret ſein, und werden Rindfleiſch vorziehen, das ich ihnen nicht ſchießen kann. Froh iſt freilich Alles in den Dörfern und auf den Höfen, wenn ich das Wild wegſchieße, aber niemand zahlt mir ein Schußgeld dafür.
Schlechte Ausſicht! ſagte ſie. Und ich ſpür's hier wohl, daß du nicht viel in's Haus bringſt. Sind ſie wüſt gegen dich?
Das grad nicht, ſie ſind freundlicher als auf den andern Höfen, wo du mich hinbracht haſt. Deine Verbindung mit dem Chriſtle thut mir gut bei ihnen, aber doch laſſen ſie mich's merken, daß du das Koſtgeld die Zeit her ſchuldig blieben biſt.
Mach' dich jetzt auf, Chriſtine, mußt mir die Hirſchhaut den Wald hinunter tragen, abgezogen hab' ich ſie ſchon, und in der Teufels¬ kling' verſtecken, damit ſie der Chriſtle mitnehmen kann. Er kommt morgen von Rechberghauſen aus dort hinab, und von da mußt du mit ihm den Waldſteig nach Gmünd gehen.
Das geſchieht mir ſauer, wendete ſie weinerlich ein.
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[362/0378]
bis Gmünd damit verſorgt; und da führt mir der Teufel noch den Hof
daher, der mir nicht bloß die Jagd, ſondern noch viel mehr den Handel
verdorben hat, denn die machen dir in ein paar Tagen ein Schlacht¬
feld, daß man's ſchier verweſen laſſen muß. Wildpret iſt ſo wohlfeil
und ſo unwerth geworden, daß man mir einmal in einem Pfarrhaus
ein übergelaſſenes Stück Hirſch vorgeſetzt hat von meiner eigenen Hand.
Ich hatt's den Tag zuvor geſchoſſen und durch den Chriſtle dahin ver¬
kaufen laſſen, der's ihnen mit Müh' und Noth aufgeſchwätzt hat um
ein Bettelgeld. Wie ich den Tag drauf vorüberkomme, ruft mir die
Pfarrerin vom Fenſter, ob ich nicht um's Warme ein wenig Holz
ſpalten wolle. Ich hab's gern gethan, weil mich's gefroren und ge¬
hungert hat; und wie ich dann mit Hirſchbraten bin abgefüttert wor¬
den, hab' ich doch denken müſſen: die Waar' muß tief im Preis ſtehen,
wenn man ſie dem billigſten Taglöhner nachwirft. Hab' auch bald
meine Rechnung richtig gefunden, denn beim Grethmeiſter in Gmünd,
im dortigen Barfüßerkloſter, wo ſonſt immer ein gutes Geſchäft zu
machen war, und in allen Pfarrhäuſern weit und breit — nirgends
iſt mehr was anzubringen geweſen. Drüber iſt dann die Jagdzeit ohne¬
hin vollends zu End' gangen, aber ich beſorg' mich, wenn ſie auch
wieder anhebt, ſo werden die Leut' noch ſatt und voll vom Wildpret ſein,
und werden Rindfleiſch vorziehen, das ich ihnen nicht ſchießen kann.
Froh iſt freilich Alles in den Dörfern und auf den Höfen, wenn ich
das Wild wegſchieße, aber niemand zahlt mir ein Schußgeld dafür.
Schlechte Ausſicht! ſagte ſie. Und ich ſpür's hier wohl, daß du
nicht viel in's Haus bringſt.
Sind ſie wüſt gegen dich?
Das grad nicht, ſie ſind freundlicher als auf den andern Höfen,
wo du mich hinbracht haſt. Deine Verbindung mit dem Chriſtle thut
mir gut bei ihnen, aber doch laſſen ſie mich's merken, daß du das
Koſtgeld die Zeit her ſchuldig blieben biſt.
Mach' dich jetzt auf, Chriſtine, mußt mir die Hirſchhaut den
Wald hinunter tragen, abgezogen hab' ich ſie ſchon, und in der Teufels¬
kling' verſtecken, damit ſie der Chriſtle mitnehmen kann. Er kommt morgen
von Rechberghauſen aus dort hinab, und von da mußt du mit ihm
den Waldſteig nach Gmünd gehen.
Das geſchieht mir ſauer, wendete ſie weinerlich ein.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/378>, abgerufen am 27.11.2024.
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