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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Und hat sich beidemal freiwillig wieder gestellt, entgegnete der
Invalide. Dazu gehört doch ein gutes Gewissen.

Ein unwilliges, höhnisches Gelächter war die Antwort auf diese
Bemerkung.

Der Profoß hat immer ein wenig zu ihm gehalten, bemerkte der
Fischer.

Er hat auch immer eine gute Seit' gehabt, versetzte der Invalide.
Wenn man übrigens kein' andern Grund hat ihn zu fürchten, so
müßt' man eigentlich Jeden, der stark und verschlagen ist, umbringen,
damit er Einem nicht schaden kann, wenn's ihm etwa einfallen sollt'.

Hat er denn sonst nichts gethan? schrie der Müller. Ich will die
Diebstähl', die er bei seinem Vater begangen hat, nicht so hoch an¬
schlagen: aber ist er nicht erst kurz verwichen dem Lammwirth in
Metzig und Keller einbrochen und hat ihm Fleisch, Brod und Wein
genommen?

Requirirt, sagte der Invalide.

Was? schrieen die Andern.

Requiriren heißt man das bei den Soldaten, erläuterte der In¬
valide ruhig. In der Campagne, wenn's nichts zu beißen und zu
brechen gibt, kommt man zum Bauern in die Visit' und holt sich
Fleisch, Brod, Wein, Hühner, Gäns', Eier, kurz, was man finden
kann, und wenn das ein Verbrechen wär', so müßt' vom General
bis zum Gemeinen 'runter Alles gehenkt werden. Der fürnehmst'
Offizier schämt sich nicht dran. Und da geht's oft zu, daß mir's in
der bloßen Erinnerung weh thut. Der Frieder ist noch bescheiden,
nimmt nicht mehr als er für den Hunger und Durst braucht, und
hat dem Lammwirth doch nicht das übrig' Fleisch zu Fetzen verhauen
und den Wein in Keller laufen lassen, wie's der Soldat oft und viel
thut. Es ist jetzt ohnehin Krieg in der Welt; denket euch, der Feind
komm' in den Flecken, oder auch der Freund, denn 's macht's einer
wie der ander', dann thätet ihr die Hundert oder Tausend gern gegen
den einzigen Marodeur, eintauschen und thätet sagen: der hat's doch
noch gnädig gemacht.

Das ist was anders, sagte der Müller. Der Krieg verlangt's
eben einmal so, er muß die Leut' ernähren.

Wenn man mich lebenslang auf die Festung setzt, und mich nach

Und hat ſich beidemal freiwillig wieder geſtellt, entgegnete der
Invalide. Dazu gehört doch ein gutes Gewiſſen.

Ein unwilliges, höhniſches Gelächter war die Antwort auf dieſe
Bemerkung.

Der Profoß hat immer ein wenig zu ihm gehalten, bemerkte der
Fiſcher.

Er hat auch immer eine gute Seit' gehabt, verſetzte der Invalide.
Wenn man übrigens kein' andern Grund hat ihn zu fürchten, ſo
müßt' man eigentlich Jeden, der ſtark und verſchlagen iſt, umbringen,
damit er Einem nicht ſchaden kann, wenn's ihm etwa einfallen ſollt'.

Hat er denn ſonſt nichts gethan? ſchrie der Müller. Ich will die
Diebſtähl', die er bei ſeinem Vater begangen hat, nicht ſo hoch an¬
ſchlagen: aber iſt er nicht erſt kurz verwichen dem Lammwirth in
Metzig und Keller einbrochen und hat ihm Fleiſch, Brod und Wein
genommen?

Requirirt, ſagte der Invalide.

Was? ſchrieen die Andern.

Requiriren heißt man das bei den Soldaten, erläuterte der In¬
valide ruhig. In der Campagne, wenn's nichts zu beißen und zu
brechen gibt, kommt man zum Bauern in die Viſit' und holt ſich
Fleiſch, Brod, Wein, Hühner, Gänſ', Eier, kurz, was man finden
kann, und wenn das ein Verbrechen wär', ſo müßt' vom General
bis zum Gemeinen 'runter Alles gehenkt werden. Der fürnehmſt'
Offizier ſchämt ſich nicht dran. Und da geht's oft zu, daß mir's in
der bloßen Erinnerung weh thut. Der Frieder iſt noch beſcheiden,
nimmt nicht mehr als er für den Hunger und Durſt braucht, und
hat dem Lammwirth doch nicht das übrig' Fleiſch zu Fetzen verhauen
und den Wein in Keller laufen laſſen, wie's der Soldat oft und viel
thut. Es iſt jetzt ohnehin Krieg in der Welt; denket euch, der Feind
komm' in den Flecken, oder auch der Freund, denn 's macht's einer
wie der ander', dann thätet ihr die Hundert oder Tauſend gern gegen
den einzigen Marodeur, eintauſchen und thätet ſagen: der hat's doch
noch gnädig gemacht.

Das iſt was anders, ſagte der Müller. Der Krieg verlangt's
eben einmal ſo, er muß die Leut' ernähren.

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[344/0360] Und hat ſich beidemal freiwillig wieder geſtellt, entgegnete der Invalide. Dazu gehört doch ein gutes Gewiſſen. Ein unwilliges, höhniſches Gelächter war die Antwort auf dieſe Bemerkung. Der Profoß hat immer ein wenig zu ihm gehalten, bemerkte der Fiſcher. Er hat auch immer eine gute Seit' gehabt, verſetzte der Invalide. Wenn man übrigens kein' andern Grund hat ihn zu fürchten, ſo müßt' man eigentlich Jeden, der ſtark und verſchlagen iſt, umbringen, damit er Einem nicht ſchaden kann, wenn's ihm etwa einfallen ſollt'. Hat er denn ſonſt nichts gethan? ſchrie der Müller. Ich will die Diebſtähl', die er bei ſeinem Vater begangen hat, nicht ſo hoch an¬ ſchlagen: aber iſt er nicht erſt kurz verwichen dem Lammwirth in Metzig und Keller einbrochen und hat ihm Fleiſch, Brod und Wein genommen? Requirirt, ſagte der Invalide. Was? ſchrieen die Andern. Requiriren heißt man das bei den Soldaten, erläuterte der In¬ valide ruhig. In der Campagne, wenn's nichts zu beißen und zu brechen gibt, kommt man zum Bauern in die Viſit' und holt ſich Fleiſch, Brod, Wein, Hühner, Gänſ', Eier, kurz, was man finden kann, und wenn das ein Verbrechen wär', ſo müßt' vom General bis zum Gemeinen 'runter Alles gehenkt werden. Der fürnehmſt' Offizier ſchämt ſich nicht dran. Und da geht's oft zu, daß mir's in der bloßen Erinnerung weh thut. Der Frieder iſt noch beſcheiden, nimmt nicht mehr als er für den Hunger und Durſt braucht, und hat dem Lammwirth doch nicht das übrig' Fleiſch zu Fetzen verhauen und den Wein in Keller laufen laſſen, wie's der Soldat oft und viel thut. Es iſt jetzt ohnehin Krieg in der Welt; denket euch, der Feind komm' in den Flecken, oder auch der Freund, denn 's macht's einer wie der ander', dann thätet ihr die Hundert oder Tauſend gern gegen den einzigen Marodeur, eintauſchen und thätet ſagen: der hat's doch noch gnädig gemacht. Das iſt was anders, ſagte der Müller. Der Krieg verlangt's eben einmal ſo, er muß die Leut' ernähren. Wenn man mich lebenslang auf die Feſtung ſetzt, und mich nach

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/360>, abgerufen am 28.11.2024.