Pass' auf, Beck! sagte der obere Müller, mit seinem Knecht ein¬ tretend, im Hausgang zu dem Bäcker, der mit einem großen Kruge Weins gelaufen kam: pass' auf, heut kriegst das Haus voll Leut'! Der halb' Fleck' ist auf'm Marsch zu dir und will's probiren, ob dein Kesselfleisch so gut ist, wie's dein Weib selig hat machen können. Wir sind die Ersten und wollen gleich ein gut's Plätzle besetzen.
Der Bäcker lachte und stieß statt der Antwort die Thüre auf, durch die man die Stube bereits überfüllt von Gästen sah. Der Müller meint, er sei der Erst' zur Metzelsupp'! rief er diesen zu. Ein allgemeines Gelächter empfing den verspäteten Gast. Mach' nur, daß du hersitz'st! riefen Einige, indem sie zusammenrückten und ihm und dem Knechte Platz machten: 's ist eine Staatssau gewesen, aber kannst froh sein, wenn du nur noch das Schwänzle von ihr triffst!
Ungeachtet dieser Drohung, die nicht so ernstlich gemeint war, lie¬ ßen sich's der Müller und sein Knecht trefflich schmecken, während die Gäste den Bäcker lobten, der seit dem schon lange erfolgten Tode seiner Frau keine Metzelsuppe gegeben hatte, und sich zugleich darüber freuten, daß man bei den guten Aussichten auf das heurige Jahr auch einmal wieder einen billigen Wein trinken könne.
Nachdem der Müller seinen Magen gefüllt, sah er sich im Kreise der Gäste um. Was, der Profoß ist auch da? rief er. Ich hab' gemeint, Ihr lieget am Gliederweh' darnieder und könnet kein' Fuß und nächstens kein' Zahn mehr regen.
Die alten Knochen sind's Leben gewohnt, erwiderte der Invalide. Ich hab' auch glaubt, ich werd' der Beckin Quartier machen und jetzt ist sie mir lang vorangegangen. Ich hab' eigentlich kein Gliederweh, 's sind eben Flüss', die mir im Leib 'rumziehen, bald da, bald dort, ich mein' manchmal, sie fahren mir bis in die Krücken hinein, und oft werfen sie mich so bösartig in's Bett, daß ich schier nimmer auf¬ stehen kann.
31.
Paſſ' auf, Beck! ſagte der obere Müller, mit ſeinem Knecht ein¬ tretend, im Hausgang zu dem Bäcker, der mit einem großen Kruge Weins gelaufen kam: paſſ' auf, heut kriegſt das Haus voll Leut'! Der halb' Fleck' iſt auf'm Marſch zu dir und will's probiren, ob dein Keſſelfleiſch ſo gut iſt, wie's dein Weib ſelig hat machen können. Wir ſind die Erſten und wollen gleich ein gut's Plätzle beſetzen.
Der Bäcker lachte und ſtieß ſtatt der Antwort die Thüre auf, durch die man die Stube bereits überfüllt von Gäſten ſah. Der Müller meint, er ſei der Erſt' zur Metzelſupp'! rief er dieſen zu. Ein allgemeines Gelächter empfing den verſpäteten Gaſt. Mach' nur, daß du herſitz'ſt! riefen Einige, indem ſie zuſammenrückten und ihm und dem Knechte Platz machten: 's iſt eine Staatsſau geweſen, aber kannſt froh ſein, wenn du nur noch das Schwänzle von ihr triffſt!
Ungeachtet dieſer Drohung, die nicht ſo ernſtlich gemeint war, lie¬ ßen ſich's der Müller und ſein Knecht trefflich ſchmecken, während die Gäſte den Bäcker lobten, der ſeit dem ſchon lange erfolgten Tode ſeiner Frau keine Metzelſuppe gegeben hatte, und ſich zugleich darüber freuten, daß man bei den guten Ausſichten auf das heurige Jahr auch einmal wieder einen billigen Wein trinken könne.
Nachdem der Müller ſeinen Magen gefüllt, ſah er ſich im Kreiſe der Gäſte um. Was, der Profoß iſt auch da? rief er. Ich hab' gemeint, Ihr lieget am Gliederweh' darnieder und könnet kein' Fuß und nächſtens kein' Zahn mehr regen.
Die alten Knochen ſind's Leben gewohnt, erwiderte der Invalide. Ich hab' auch glaubt, ich werd' der Beckin Quartier machen und jetzt iſt ſie mir lang vorangegangen. Ich hab' eigentlich kein Gliederweh, 's ſind eben Flüſſ', die mir im Leib 'rumziehen, bald da, bald dort, ich mein' manchmal, ſie fahren mir bis in die Krücken hinein, und oft werfen ſie mich ſo bösartig in's Bett, daß ich ſchier nimmer auf¬ ſtehen kann.
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31.
Paſſ' auf, Beck! ſagte der obere Müller, mit ſeinem Knecht ein¬
tretend, im Hausgang zu dem Bäcker, der mit einem großen Kruge
Weins gelaufen kam: paſſ' auf, heut kriegſt das Haus voll Leut'!
Der halb' Fleck' iſt auf'm Marſch zu dir und will's probiren, ob
dein Keſſelfleiſch ſo gut iſt, wie's dein Weib ſelig hat machen können.
Wir ſind die Erſten und wollen gleich ein gut's Plätzle beſetzen.
Der Bäcker lachte und ſtieß ſtatt der Antwort die Thüre auf,
durch die man die Stube bereits überfüllt von Gäſten ſah. Der
Müller meint, er ſei der Erſt' zur Metzelſupp'! rief er dieſen zu.
Ein allgemeines Gelächter empfing den verſpäteten Gaſt. Mach' nur,
daß du herſitz'ſt! riefen Einige, indem ſie zuſammenrückten und ihm
und dem Knechte Platz machten: 's iſt eine Staatsſau geweſen, aber
kannſt froh ſein, wenn du nur noch das Schwänzle von ihr triffſt!
Ungeachtet dieſer Drohung, die nicht ſo ernſtlich gemeint war, lie¬
ßen ſich's der Müller und ſein Knecht trefflich ſchmecken, während die
Gäſte den Bäcker lobten, der ſeit dem ſchon lange erfolgten Tode ſeiner
Frau keine Metzelſuppe gegeben hatte, und ſich zugleich darüber freuten,
daß man bei den guten Ausſichten auf das heurige Jahr auch einmal
wieder einen billigen Wein trinken könne.
Nachdem der Müller ſeinen Magen gefüllt, ſah er ſich im Kreiſe
der Gäſte um. Was, der Profoß iſt auch da? rief er. Ich hab'
gemeint, Ihr lieget am Gliederweh' darnieder und könnet kein' Fuß
und nächſtens kein' Zahn mehr regen.
Die alten Knochen ſind's Leben gewohnt, erwiderte der Invalide.
Ich hab' auch glaubt, ich werd' der Beckin Quartier machen und jetzt
iſt ſie mir lang vorangegangen. Ich hab' eigentlich kein Gliederweh,
's ſind eben Flüſſ', die mir im Leib 'rumziehen, bald da, bald dort,
ich mein' manchmal, ſie fahren mir bis in die Krücken hinein, und
oft werfen ſie mich ſo bösartig in's Bett, daß ich ſchier nimmer auf¬
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/358>, abgerufen am 29.11.2024.
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