Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Mein' letzte Stütz' sollt' ich hergeben oder gar selber mitgehen,
und vielleicht unterwegs, wie der Jonas, von einem Fisch gefressen
werden?

Ahne, der Fisch hat ihn ja wieder ausgespieen, bemerkte der Knabe
dazwischen.

Und das Reis'geld, fuhr sie fort, ohne auf die Bemerkung zu
achten, wär' für uns Alle zusammen nicht gnug.

Ob mein Vater die vierhundert Gulden auf einmal hergibt oder
auf zweimal, kann ihm gleichgiltig sein, wenn's ihm überhaupt mit
dem Anerbieten Ernst ist. Glaubt Ihr wirklich, Schwieger, daß er's
ehrlich meint?

Daß er's anders thut als er gesagt hat, glaub' ich nicht, dagegen
das glaub' ich, daß ihm zu trauen ist, denn warum? er möcht' Ihn
eben fort ha'n, weil er sich vor Ihm fürchtet und weil der ganz' Fleck
in Aengsten vor Ihm ist.

Der Geächtete lachte stolz.

Ich glaub' ferner auch, fuhr sie zutraulich fort, daß der Amtmann
mit unter der Sach' steckt; denn dem wär's ebenmäßig wohl, wenn er
nichts mehr mit Ihm zu thun hätt'.

Der Amtmann? sagte er. Wenn das der Fall ist, so muß man
sich vor Finten hüten. Der arbeitet an einem doppelten Plan. Mag
leicht sein, daß er fürlieb nimmt, wenn er mich über alle Berg' weiß,
aber noch lieber ist's ihm, wenn er mich wieder unter seine Klauen
kriegen und einliefern und eine Belobung davon tragen kann. Nein,
Schwieger, wenn ich gewußt hätt', daß der Amtmann im Spiel ist --
seht ja zu, daß Ihr die Hand nicht zu einem falschen Spiel bietet!

Ich vermuth's ja nur, sagte sie. Mein Herz denkt an nichts
Arg's. Wer wird denn auch gleich so ängstlich sein?

Aengstlich! rief der Geächtete, und sein ganzer Stolz stammte auf:
wer kann mir nachsagen, daß ich jemals Angst hab' blicken lassen?

Nu, nu, man red't ja nur. Eins ist so wenig nutz, wie das
ander'. Wer alle Stauden will fliehen, kommt nie in Wald, und
hinwiederum, dem Trauwohl hat man den Gaul weggeritten. Für
heut' hat's jedenfalls kein' Gefahr, denn kein Mensch weiß, daß Er
da ist.

Doch will ich nicht über Nacht bleiben.

Mein' letzte Stütz' ſollt' ich hergeben oder gar ſelber mitgehen,
und vielleicht unterwegs, wie der Jonas, von einem Fiſch gefreſſen
werden?

Ahne, der Fiſch hat ihn ja wieder ausgeſpieen, bemerkte der Knabe
dazwiſchen.

Und das Reiſ'geld, fuhr ſie fort, ohne auf die Bemerkung zu
achten, wär' für uns Alle zuſammen nicht gnug.

Ob mein Vater die vierhundert Gulden auf einmal hergibt oder
auf zweimal, kann ihm gleichgiltig ſein, wenn's ihm überhaupt mit
dem Anerbieten Ernſt iſt. Glaubt Ihr wirklich, Schwieger, daß er's
ehrlich meint?

Daß er's anders thut als er geſagt hat, glaub' ich nicht, dagegen
das glaub' ich, daß ihm zu trauen iſt, denn warum? er möcht' Ihn
eben fort ha'n, weil er ſich vor Ihm fürchtet und weil der ganz' Fleck
in Aengſten vor Ihm iſt.

Der Geächtete lachte ſtolz.

Ich glaub' ferner auch, fuhr ſie zutraulich fort, daß der Amtmann
mit unter der Sach' ſteckt; denn dem wär's ebenmäßig wohl, wenn er
nichts mehr mit Ihm zu thun hätt'.

Der Amtmann? ſagte er. Wenn das der Fall iſt, ſo muß man
ſich vor Finten hüten. Der arbeitet an einem doppelten Plan. Mag
leicht ſein, daß er fürlieb nimmt, wenn er mich über alle Berg' weiß,
aber noch lieber iſt's ihm, wenn er mich wieder unter ſeine Klauen
kriegen und einliefern und eine Belobung davon tragen kann. Nein,
Schwieger, wenn ich gewußt hätt', daß der Amtmann im Spiel iſt —
ſeht ja zu, daß Ihr die Hand nicht zu einem falſchen Spiel bietet!

Ich vermuth's ja nur, ſagte ſie. Mein Herz denkt an nichts
Arg's. Wer wird denn auch gleich ſo ängſtlich ſein?

Aengſtlich! rief der Geächtete, und ſein ganzer Stolz ſtammte auf:
wer kann mir nachſagen, daß ich jemals Angſt hab' blicken laſſen?

Nu, nu, man red't ja nur. Eins iſt ſo wenig nutz, wie das
ander'. Wer alle Stauden will fliehen, kommt nie in Wald, und
hinwiederum, dem Trauwohl hat man den Gaul weggeritten. Für
heut' hat's jedenfalls kein' Gefahr, denn kein Menſch weiß, daß Er
da iſt.

Doch will ich nicht über Nacht bleiben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0352" n="336"/>
        <p>Mein' letzte Stütz' &#x017F;ollt' ich hergeben oder gar &#x017F;elber mitgehen,<lb/>
und vielleicht unterwegs, wie der Jonas, von einem Fi&#x017F;ch gefre&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden?</p><lb/>
        <p>Ahne, der Fi&#x017F;ch hat ihn ja wieder ausge&#x017F;pieen, bemerkte der Knabe<lb/>
dazwi&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Und das Rei&#x017F;'geld, fuhr &#x017F;ie fort, ohne auf die Bemerkung zu<lb/>
achten, wär' für uns Alle zu&#x017F;ammen nicht gnug.</p><lb/>
        <p>Ob mein Vater die vierhundert Gulden auf einmal hergibt oder<lb/>
auf zweimal, kann ihm gleichgiltig &#x017F;ein, wenn's ihm überhaupt mit<lb/>
dem Anerbieten Ern&#x017F;t i&#x017F;t. Glaubt Ihr wirklich, Schwieger, daß er's<lb/>
ehrlich meint?</p><lb/>
        <p>Daß er's anders thut als er ge&#x017F;agt hat, glaub' ich nicht, dagegen<lb/>
das glaub' ich, daß ihm zu trauen i&#x017F;t, denn warum? er möcht' Ihn<lb/>
eben fort ha'n, weil er &#x017F;ich vor Ihm fürchtet und weil der ganz' Fleck<lb/>
in Aeng&#x017F;ten vor Ihm i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Der Geächtete lachte &#x017F;tolz.</p><lb/>
        <p>Ich glaub' ferner auch, fuhr &#x017F;ie zutraulich fort, daß der Amtmann<lb/>
mit unter der Sach' &#x017F;teckt; denn dem wär's ebenmäßig wohl, wenn er<lb/>
nichts mehr mit Ihm zu thun hätt'.</p><lb/>
        <p>Der Amtmann? &#x017F;agte er. Wenn das der Fall i&#x017F;t, &#x017F;o muß man<lb/>
&#x017F;ich vor Finten hüten. Der arbeitet an einem doppelten Plan. Mag<lb/>
leicht &#x017F;ein, daß er fürlieb nimmt, wenn er mich über alle Berg' weiß,<lb/>
aber noch lieber i&#x017F;t's ihm, wenn er mich wieder unter &#x017F;eine Klauen<lb/>
kriegen und einliefern und eine Belobung davon tragen kann. Nein,<lb/>
Schwieger, wenn ich gewußt hätt', daß der Amtmann im Spiel i&#x017F;t &#x2014;<lb/>
&#x017F;eht ja zu, daß Ihr die Hand nicht zu einem fal&#x017F;chen Spiel bietet!</p><lb/>
        <p>Ich vermuth's ja nur, &#x017F;agte &#x017F;ie. Mein Herz denkt an nichts<lb/>
Arg's. Wer wird denn auch gleich &#x017F;o äng&#x017F;tlich &#x017F;ein?</p><lb/>
        <p>Aeng&#x017F;tlich! rief der Geächtete, und &#x017F;ein ganzer Stolz &#x017F;tammte auf:<lb/>
wer kann mir nach&#x017F;agen, daß ich jemals Ang&#x017F;t hab' blicken la&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
        <p>Nu, nu, man red't ja nur. Eins i&#x017F;t &#x017F;o wenig nutz, wie das<lb/>
ander'. Wer alle Stauden will fliehen, kommt nie in Wald, und<lb/>
hinwiederum, dem Trauwohl hat man den Gaul weggeritten. Für<lb/>
heut' hat's jedenfalls kein' Gefahr, denn kein Men&#x017F;ch weiß, daß Er<lb/>
da i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Doch will ich nicht über Nacht bleiben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0352] Mein' letzte Stütz' ſollt' ich hergeben oder gar ſelber mitgehen, und vielleicht unterwegs, wie der Jonas, von einem Fiſch gefreſſen werden? Ahne, der Fiſch hat ihn ja wieder ausgeſpieen, bemerkte der Knabe dazwiſchen. Und das Reiſ'geld, fuhr ſie fort, ohne auf die Bemerkung zu achten, wär' für uns Alle zuſammen nicht gnug. Ob mein Vater die vierhundert Gulden auf einmal hergibt oder auf zweimal, kann ihm gleichgiltig ſein, wenn's ihm überhaupt mit dem Anerbieten Ernſt iſt. Glaubt Ihr wirklich, Schwieger, daß er's ehrlich meint? Daß er's anders thut als er geſagt hat, glaub' ich nicht, dagegen das glaub' ich, daß ihm zu trauen iſt, denn warum? er möcht' Ihn eben fort ha'n, weil er ſich vor Ihm fürchtet und weil der ganz' Fleck in Aengſten vor Ihm iſt. Der Geächtete lachte ſtolz. Ich glaub' ferner auch, fuhr ſie zutraulich fort, daß der Amtmann mit unter der Sach' ſteckt; denn dem wär's ebenmäßig wohl, wenn er nichts mehr mit Ihm zu thun hätt'. Der Amtmann? ſagte er. Wenn das der Fall iſt, ſo muß man ſich vor Finten hüten. Der arbeitet an einem doppelten Plan. Mag leicht ſein, daß er fürlieb nimmt, wenn er mich über alle Berg' weiß, aber noch lieber iſt's ihm, wenn er mich wieder unter ſeine Klauen kriegen und einliefern und eine Belobung davon tragen kann. Nein, Schwieger, wenn ich gewußt hätt', daß der Amtmann im Spiel iſt — ſeht ja zu, daß Ihr die Hand nicht zu einem falſchen Spiel bietet! Ich vermuth's ja nur, ſagte ſie. Mein Herz denkt an nichts Arg's. Wer wird denn auch gleich ſo ängſtlich ſein? Aengſtlich! rief der Geächtete, und ſein ganzer Stolz ſtammte auf: wer kann mir nachſagen, daß ich jemals Angſt hab' blicken laſſen? Nu, nu, man red't ja nur. Eins iſt ſo wenig nutz, wie das ander'. Wer alle Stauden will fliehen, kommt nie in Wald, und hinwiederum, dem Trauwohl hat man den Gaul weggeritten. Für heut' hat's jedenfalls kein' Gefahr, denn kein Menſch weiß, daß Er da iſt. Doch will ich nicht über Nacht bleiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/352
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/352>, abgerufen am 22.11.2024.