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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Meinthalben Rosinen und Cibeben! fuhr der Jüngere auf. Habt
Ihr mich auf der Muck'? Wollt Ihr mich in's Gered' bringen? Ihr
schwätzt mir da recht hinterfür heraus, wie ein Mann ohne Kopf!
Was will ich von dem Mädle? Habt Ihr wo läuten hören? Bin ich
dem Sonnenwirth auf irgend eine Art oder Weise zu Hof geritten?
Zwar es fragt sich noch, wenn er einen wohlfeilen Schwiegersohn fin¬
den will, ob ihm nicht einer so gut ist wie der andere. Wenn's im
Abstreich geht, darf auch der Bettelmann zur Auction kommen, und
das ist doch just nicht meine Nummer, wie Ihr selber am besten wißt.
Uebrigens kann mir die ganze Sippschaft gestohlen werden. Macht
mir nichts vor! In dem Punkt versteh' ich keinen Spaß.

Na wollen den Geist ruhen lassen, versetzte der Aeltere. Aber
so viel ist gewiß: wenn die erste Frau, die rechte Mutter, noch am
Leben wär', so fiel' die Aussteuer ein wenig größer aus und der Hoch¬
muth ein wenig kleiner.

Ja und mancher böse Auftritt wär' unterblieben und mancher
Lärm und Spektakel bei Tag und auch bei Nacht, der die Sonne
mehr in Finsterniß als in Glanz brachte bei der Gemeinde. Und die
Hauptsonnenfinsterniß wär' gewiß auch nicht so schwarz ausgefallen
unter dem linden Regiment der rechten Mutter.

Was meint Ihr damit? Ja so, jetzt geht mir auf einmal ein
Licht auf. Ihr sprecht vom Gutedel, vom jungen Sonnenwirthle.
Mag leicht sein, daß der mit Verstand und Güte gradgebogen worden
wäre, der knorrige Hagbuchenstock. Zwar ist es schwer zu sagen, ob
das Mutterherz den rechten Weg gefunden hätte nachmals, wie es
nöthig wurde; denn die selige Sonnenwirthin war eben die gute Stunde
selber, und den Stab Wehe hat sie nimmermehr zu führen verstanden.
Der Sonnenwirth sah dem Früchtlein auch in allweg zu viel durch
die Finger, so lang sie lebte und so lang der Erbprinz die Nüsse
noch mit den Milchzähnen knackte. Er hielt ihn zwar fleißig zur
Schule an, und sah auch sonst zum Rechten; aber ich weiß nicht, es
hat eben doch an etwas gefehlt.

Ja, lachte der jüngere Müller, wohlgezogen, aber übel gewöhnt,
das war er von Anfang an.

Ist denn ein Sohn da? fragte der Müllersknecht von seiner Bank
herüber?

Meinthalben Roſinen und Cibeben! fuhr der Jüngere auf. Habt
Ihr mich auf der Muck'? Wollt Ihr mich in's Gered' bringen? Ihr
ſchwätzt mir da recht hinterfür heraus, wie ein Mann ohne Kopf!
Was will ich von dem Mädle? Habt Ihr wo läuten hören? Bin ich
dem Sonnenwirth auf irgend eine Art oder Weiſe zu Hof geritten?
Zwar es fragt ſich noch, wenn er einen wohlfeilen Schwiegerſohn fin¬
den will, ob ihm nicht einer ſo gut iſt wie der andere. Wenn's im
Abſtreich geht, darf auch der Bettelmann zur Auction kommen, und
das iſt doch juſt nicht meine Nummer, wie Ihr ſelber am beſten wißt.
Uebrigens kann mir die ganze Sippſchaft geſtohlen werden. Macht
mir nichts vor! In dem Punkt verſteh' ich keinen Spaß.

Na wollen den Geiſt ruhen laſſen, verſetzte der Aeltere. Aber
ſo viel iſt gewiß: wenn die erſte Frau, die rechte Mutter, noch am
Leben wär', ſo fiel' die Ausſteuer ein wenig größer aus und der Hoch¬
muth ein wenig kleiner.

Ja und mancher böſe Auftritt wär' unterblieben und mancher
Lärm und Spektakel bei Tag und auch bei Nacht, der die Sonne
mehr in Finſterniß als in Glanz brachte bei der Gemeinde. Und die
Hauptſonnenfinſterniß wär' gewiß auch nicht ſo ſchwarz ausgefallen
unter dem linden Regiment der rechten Mutter.

Was meint Ihr damit? Ja ſo, jetzt geht mir auf einmal ein
Licht auf. Ihr ſprecht vom Gutedel, vom jungen Sonnenwirthle.
Mag leicht ſein, daß der mit Verſtand und Güte gradgebogen worden
wäre, der knorrige Hagbuchenſtock. Zwar iſt es ſchwer zu ſagen, ob
das Mutterherz den rechten Weg gefunden hätte nachmals, wie es
nöthig wurde; denn die ſelige Sonnenwirthin war eben die gute Stunde
ſelber, und den Stab Wehe hat ſie nimmermehr zu führen verſtanden.
Der Sonnenwirth ſah dem Früchtlein auch in allweg zu viel durch
die Finger, ſo lang ſie lebte und ſo lang der Erbprinz die Nüſſe
noch mit den Milchzähnen knackte. Er hielt ihn zwar fleißig zur
Schule an, und ſah auch ſonſt zum Rechten; aber ich weiß nicht, es
hat eben doch an etwas gefehlt.

Ja, lachte der jüngere Müller, wohlgezogen, aber übel gewöhnt,
das war er von Anfang an.

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herüber?

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[18/0034] Meinthalben Roſinen und Cibeben! fuhr der Jüngere auf. Habt Ihr mich auf der Muck'? Wollt Ihr mich in's Gered' bringen? Ihr ſchwätzt mir da recht hinterfür heraus, wie ein Mann ohne Kopf! Was will ich von dem Mädle? Habt Ihr wo läuten hören? Bin ich dem Sonnenwirth auf irgend eine Art oder Weiſe zu Hof geritten? Zwar es fragt ſich noch, wenn er einen wohlfeilen Schwiegerſohn fin¬ den will, ob ihm nicht einer ſo gut iſt wie der andere. Wenn's im Abſtreich geht, darf auch der Bettelmann zur Auction kommen, und das iſt doch juſt nicht meine Nummer, wie Ihr ſelber am beſten wißt. Uebrigens kann mir die ganze Sippſchaft geſtohlen werden. Macht mir nichts vor! In dem Punkt verſteh' ich keinen Spaß. Na wollen den Geiſt ruhen laſſen, verſetzte der Aeltere. Aber ſo viel iſt gewiß: wenn die erſte Frau, die rechte Mutter, noch am Leben wär', ſo fiel' die Ausſteuer ein wenig größer aus und der Hoch¬ muth ein wenig kleiner. Ja und mancher böſe Auftritt wär' unterblieben und mancher Lärm und Spektakel bei Tag und auch bei Nacht, der die Sonne mehr in Finſterniß als in Glanz brachte bei der Gemeinde. Und die Hauptſonnenfinſterniß wär' gewiß auch nicht ſo ſchwarz ausgefallen unter dem linden Regiment der rechten Mutter. Was meint Ihr damit? Ja ſo, jetzt geht mir auf einmal ein Licht auf. Ihr ſprecht vom Gutedel, vom jungen Sonnenwirthle. Mag leicht ſein, daß der mit Verſtand und Güte gradgebogen worden wäre, der knorrige Hagbuchenſtock. Zwar iſt es ſchwer zu ſagen, ob das Mutterherz den rechten Weg gefunden hätte nachmals, wie es nöthig wurde; denn die ſelige Sonnenwirthin war eben die gute Stunde ſelber, und den Stab Wehe hat ſie nimmermehr zu führen verſtanden. Der Sonnenwirth ſah dem Früchtlein auch in allweg zu viel durch die Finger, ſo lang ſie lebte und ſo lang der Erbprinz die Nüſſe noch mit den Milchzähnen knackte. Er hielt ihn zwar fleißig zur Schule an, und ſah auch ſonſt zum Rechten; aber ich weiß nicht, es hat eben doch an etwas gefehlt. Ja, lachte der jüngere Müller, wohlgezogen, aber übel gewöhnt, das war er von Anfang an. Iſt denn ein Sohn da? fragte der Müllersknecht von ſeiner Bank herüber?

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/34>, abgerufen am 19.04.2024.