nach Ebersbach zu geschlagen, um zu hören wie es um dich steht. Vom scheelen Christianus hatte ich Unterweisung, daß ich so viel möglich bloß in einsamen Höfen und Häusern einkehren solle, denn dort seien sie gutwillig gegen fahrende Leute, fürchten den rothen Hahn von ih¬ nen auf's Dach gepflanzt. Ich hab' aber nicht nöthig gehabt, ihnen sonderlich zuzusetzen, denn sie haben mir überall gern gegeben, und nur mit dem Nachtlager haben sie sich ein wenig in Acht genommen; aber es ist nirgends besser schlafen, als im Wald zur Frühlingszeit.
Weiß nicht, sagte sie.
Hab' nur noch ein wenig Geduld, versetzte er, wir sind bald am Ziel. Daß ich auf Lebenszeit verurtheilt und von der Festung ent¬ sprungen sei, hab' ich den Leuten natürlich nicht sagen können, hab' auch gedacht, sie werden's nicht grad wissen wollen. Ich hab' ihnen gesagt, ich sei am See in Arbeit gestanden, hab' wieder heimgewollt, sei von Spitzbuben ausgeraubt worden und müsse jetzt eben sehen, wie ich nach Weilerstadt zurückkomme, wo ich bürgerlich sei; dort sind sie nämlich auch katholisch. Das hat gezogen, und bis ich in's Ländle kommen bin -- das Hohentwiel liegt nämlich mitten in fremdem Ge¬ biet, was auch sehr bequem zum Entkommen ist -- da hab' ich so viel Geld und Lebensmittel im Tuch gehabt, daß es gereicht hat bis Ebersbach. Dort bin ich vierzehn Tag' in der Sonne gelegen und hab' leider gehört, jetzt seiest du in Numero Sieben.
Was? rief sie. In der Sonne? Hat man dir denn dort Unter¬ schlauf geben?
Ich hab' mit dem Herrn Sonnenwirth Deutsch gesprochen und Fractur mit der Frau Sonnenwirthin, denn solches ist nöthig bei ei¬ nem Weib, das kein Kind hat und nicht weiß, wie man sich gegen seine Kinder verhalten soll. Mitten in der Nacht bin ich ihnen vor'm Bett gestanden, daß sie vor Schrecken schier gestorben sind, und hab' ihnen gesagt, wo sie ein Geräusch machen oder mich verrathen würden, so sollten sie meinen Ernst kennen lernen. Das hat denn auch ge¬ fruchtet, denn du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mir das Herz übergegangen war, zuerst aus Freude, daß ich wieder in Ebersbach bin, und dann vor Zorn. Daß mir vollends Hohentwiel nicht zu hoch gewesen ist, wo sie mich so sicher verwahrt glaubten, wie das Kind in der Wiege, das hat sie ganz mürb und demüthig gemacht. In der
nach Ebersbach zu geſchlagen, um zu hören wie es um dich ſteht. Vom ſcheelen Chriſtianus hatte ich Unterweiſung, daß ich ſo viel möglich bloß in einſamen Höfen und Häuſern einkehren ſolle, denn dort ſeien ſie gutwillig gegen fahrende Leute, fürchten den rothen Hahn von ih¬ nen auf's Dach gepflanzt. Ich hab' aber nicht nöthig gehabt, ihnen ſonderlich zuzuſetzen, denn ſie haben mir überall gern gegeben, und nur mit dem Nachtlager haben ſie ſich ein wenig in Acht genommen; aber es iſt nirgends beſſer ſchlafen, als im Wald zur Frühlingszeit.
Weiß nicht, ſagte ſie.
Hab' nur noch ein wenig Geduld, verſetzte er, wir ſind bald am Ziel. Daß ich auf Lebenszeit verurtheilt und von der Feſtung ent¬ ſprungen ſei, hab' ich den Leuten natürlich nicht ſagen können, hab' auch gedacht, ſie werden's nicht grad wiſſen wollen. Ich hab' ihnen geſagt, ich ſei am See in Arbeit geſtanden, hab' wieder heimgewollt, ſei von Spitzbuben ausgeraubt worden und müſſe jetzt eben ſehen, wie ich nach Weilerſtadt zurückkomme, wo ich bürgerlich ſei; dort ſind ſie nämlich auch katholiſch. Das hat gezogen, und bis ich in's Ländle kommen bin — das Hohentwiel liegt nämlich mitten in fremdem Ge¬ biet, was auch ſehr bequem zum Entkommen iſt — da hab' ich ſo viel Geld und Lebensmittel im Tuch gehabt, daß es gereicht hat bis Ebersbach. Dort bin ich vierzehn Tag' in der Sonne gelegen und hab' leider gehört, jetzt ſeieſt du in Numero Sieben.
Was? rief ſie. In der Sonne? Hat man dir denn dort Unter¬ ſchlauf geben?
Ich hab' mit dem Herrn Sonnenwirth Deutſch geſprochen und Fractur mit der Frau Sonnenwirthin, denn ſolches iſt nöthig bei ei¬ nem Weib, das kein Kind hat und nicht weiß, wie man ſich gegen ſeine Kinder verhalten ſoll. Mitten in der Nacht bin ich ihnen vor'm Bett geſtanden, daß ſie vor Schrecken ſchier geſtorben ſind, und hab' ihnen geſagt, wo ſie ein Geräuſch machen oder mich verrathen würden, ſo ſollten ſie meinen Ernſt kennen lernen. Das hat denn auch ge¬ fruchtet, denn du kannſt dir gar nicht vorſtellen, wie mir das Herz übergegangen war, zuerſt aus Freude, daß ich wieder in Ebersbach bin, und dann vor Zorn. Daß mir vollends Hohentwiel nicht zu hoch geweſen iſt, wo ſie mich ſo ſicher verwahrt glaubten, wie das Kind in der Wiege, das hat ſie ganz mürb und demüthig gemacht. In der
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nach Ebersbach zu geſchlagen, um zu hören wie es um dich ſteht. Vom
ſcheelen Chriſtianus hatte ich Unterweiſung, daß ich ſo viel möglich
bloß in einſamen Höfen und Häuſern einkehren ſolle, denn dort ſeien
ſie gutwillig gegen fahrende Leute, fürchten den rothen Hahn von ih¬
nen auf's Dach gepflanzt. Ich hab' aber nicht nöthig gehabt, ihnen
ſonderlich zuzuſetzen, denn ſie haben mir überall gern gegeben, und
nur mit dem Nachtlager haben ſie ſich ein wenig in Acht genommen;
aber es iſt nirgends beſſer ſchlafen, als im Wald zur Frühlingszeit.
Weiß nicht, ſagte ſie.
Hab' nur noch ein wenig Geduld, verſetzte er, wir ſind bald am
Ziel. Daß ich auf Lebenszeit verurtheilt und von der Feſtung ent¬
ſprungen ſei, hab' ich den Leuten natürlich nicht ſagen können, hab'
auch gedacht, ſie werden's nicht grad wiſſen wollen. Ich hab' ihnen
geſagt, ich ſei am See in Arbeit geſtanden, hab' wieder heimgewollt,
ſei von Spitzbuben ausgeraubt worden und müſſe jetzt eben ſehen, wie
ich nach Weilerſtadt zurückkomme, wo ich bürgerlich ſei; dort ſind ſie
nämlich auch katholiſch. Das hat gezogen, und bis ich in's Ländle
kommen bin — das Hohentwiel liegt nämlich mitten in fremdem Ge¬
biet, was auch ſehr bequem zum Entkommen iſt — da hab' ich ſo
viel Geld und Lebensmittel im Tuch gehabt, daß es gereicht hat bis
Ebersbach. Dort bin ich vierzehn Tag' in der Sonne gelegen und
hab' leider gehört, jetzt ſeieſt du in Numero Sieben.
Was? rief ſie. In der Sonne? Hat man dir denn dort Unter¬
ſchlauf geben?
Ich hab' mit dem Herrn Sonnenwirth Deutſch geſprochen und
Fractur mit der Frau Sonnenwirthin, denn ſolches iſt nöthig bei ei¬
nem Weib, das kein Kind hat und nicht weiß, wie man ſich gegen
ſeine Kinder verhalten ſoll. Mitten in der Nacht bin ich ihnen vor'm
Bett geſtanden, daß ſie vor Schrecken ſchier geſtorben ſind, und hab'
ihnen geſagt, wo ſie ein Geräuſch machen oder mich verrathen würden,
ſo ſollten ſie meinen Ernſt kennen lernen. Das hat denn auch ge¬
fruchtet, denn du kannſt dir gar nicht vorſtellen, wie mir das Herz
übergegangen war, zuerſt aus Freude, daß ich wieder in Ebersbach
bin, und dann vor Zorn. Daß mir vollends Hohentwiel nicht zu hoch
geweſen iſt, wo ſie mich ſo ſicher verwahrt glaubten, wie das Kind in
der Wiege, das hat ſie ganz mürb und demüthig gemacht. In der
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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