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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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sich das befriedigte Selbstgefühl zu vernehmen. Er konnte jetzt seinem
Mädchen und ihrer Familie Wort halten.

Als er Abends heimkam, nahm ihn sein Vater auf die Seite.
Laß mit dir reden, sagte er. Jetzt hast du Alles noch in der Hand.
Ein Wort beim Pfarrer und die Proclamation unterbleibt. Ich will
dir was sagen: wenn du zurücktrittst, so soll dein Diebstahl ungesche¬
hen und begraben sein. Bis jetzt ist nicht davon geschnauft worden,
das hab' ich in der Hand.

Schwätzet doch nicht immer von Diebstahl, sagte Friedrich. Was
ich aus meinem Mütterlichen ersetzen kann, das ist mein'twegen ge¬
nommen, aber nicht gestohlen.

Wie meinst du, daß man's vor Amt ansehen werd'?

Weiß ich das? Ich hab' das Gesetz nicht gemacht, und Ihr
auch nicht.

Du hast's, scheint's, vergessen, wohin dich dein Husarengriff ge¬
führt hat.

Nein, ich weiß noch recht gut, daß man mir damals eröffnet hat,
das Einsacken könnt' man vielleicht meiner Jugend und Unverstand
nachsehen, aber nach einem alten Rescript -- ich weiß nicht mehr,
die Jahrszahl ist noch aus dem vorigen Jahrhundert gewesen -- sollen
ungerathene unartige Kinder, bei denen der Eltern Zucht nicht an¬
schlage, in Sprengen und eisernen Banden zu öffentlichen Arbeiten
angehalten werden, und sonach sei das Zuchthaus eigentlich eine Be¬
gnadigung für mich. Wenn Ihr es also meint, so könnt Ihr mich
beim Amtmann und Vogt verklagen, wie Ihr mich beim Kirchencon¬
vent verklagt habt. -- Du schreckst mich nicht, dachte er bei diesen
Worten, mit festem Auge den unsichern Blick seines Vaters festhaltend.

Sind das artige Kinder, fragte dieser, die ihren Eltern das Korn
im Sack aus dem Haus tragen?

Wisset Ihr nicht, Vater? der Crispinus hat Leder gestohlen, um
den Armen Schuh' draus zu machen, und hat's doch zum Heiligen
gebracht, wiewohl er's, glaub' ich, sogar bei Fremden gestohlen hat.

Wir sind lutherisch. Da gelten keine solche Späß'.

Nun, so machet doch endlich Ernst und bringet mich in's Zucht¬
haus. Dann muß eben die Hochzeit aufgeschoben werden, bis ich wieder
'rauskomm'.

ſich das befriedigte Selbſtgefühl zu vernehmen. Er konnte jetzt ſeinem
Mädchen und ihrer Familie Wort halten.

Als er Abends heimkam, nahm ihn ſein Vater auf die Seite.
Laß mit dir reden, ſagte er. Jetzt haſt du Alles noch in der Hand.
Ein Wort beim Pfarrer und die Proclamation unterbleibt. Ich will
dir was ſagen: wenn du zurücktrittſt, ſo ſoll dein Diebſtahl ungeſche¬
hen und begraben ſein. Bis jetzt iſt nicht davon geſchnauft worden,
das hab' ich in der Hand.

Schwätzet doch nicht immer von Diebſtahl, ſagte Friedrich. Was
ich aus meinem Mütterlichen erſetzen kann, das iſt mein'twegen ge¬
nommen, aber nicht geſtohlen.

Wie meinſt du, daß man's vor Amt anſehen werd'?

Weiß ich das? Ich hab' das Geſetz nicht gemacht, und Ihr
auch nicht.

Du haſt's, ſcheint's, vergeſſen, wohin dich dein Huſarengriff ge¬
führt hat.

Nein, ich weiß noch recht gut, daß man mir damals eröffnet hat,
das Einſacken könnt' man vielleicht meiner Jugend und Unverſtand
nachſehen, aber nach einem alten Reſcript — ich weiß nicht mehr,
die Jahrszahl iſt noch aus dem vorigen Jahrhundert geweſen — ſollen
ungerathene unartige Kinder, bei denen der Eltern Zucht nicht an¬
ſchlage, in Sprengen und eiſernen Banden zu öffentlichen Arbeiten
angehalten werden, und ſonach ſei das Zuchthaus eigentlich eine Be¬
gnadigung für mich. Wenn Ihr es alſo meint, ſo könnt Ihr mich
beim Amtmann und Vogt verklagen, wie Ihr mich beim Kirchencon¬
vent verklagt habt. — Du ſchreckſt mich nicht, dachte er bei dieſen
Worten, mit feſtem Auge den unſichern Blick ſeines Vaters feſthaltend.

Sind das artige Kinder, fragte dieſer, die ihren Eltern das Korn
im Sack aus dem Haus tragen?

Wiſſet Ihr nicht, Vater? der Criſpinus hat Leder geſtohlen, um
den Armen Schuh' draus zu machen, und hat's doch zum Heiligen
gebracht, wiewohl er's, glaub' ich, ſogar bei Fremden geſtohlen hat.

Wir ſind lutheriſch. Da gelten keine ſolche Späß'.

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haus. Dann muß eben die Hochzeit aufgeſchoben werden, bis ich wieder
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[230/0246] ſich das befriedigte Selbſtgefühl zu vernehmen. Er konnte jetzt ſeinem Mädchen und ihrer Familie Wort halten. Als er Abends heimkam, nahm ihn ſein Vater auf die Seite. Laß mit dir reden, ſagte er. Jetzt haſt du Alles noch in der Hand. Ein Wort beim Pfarrer und die Proclamation unterbleibt. Ich will dir was ſagen: wenn du zurücktrittſt, ſo ſoll dein Diebſtahl ungeſche¬ hen und begraben ſein. Bis jetzt iſt nicht davon geſchnauft worden, das hab' ich in der Hand. Schwätzet doch nicht immer von Diebſtahl, ſagte Friedrich. Was ich aus meinem Mütterlichen erſetzen kann, das iſt mein'twegen ge¬ nommen, aber nicht geſtohlen. Wie meinſt du, daß man's vor Amt anſehen werd'? Weiß ich das? Ich hab' das Geſetz nicht gemacht, und Ihr auch nicht. Du haſt's, ſcheint's, vergeſſen, wohin dich dein Huſarengriff ge¬ führt hat. Nein, ich weiß noch recht gut, daß man mir damals eröffnet hat, das Einſacken könnt' man vielleicht meiner Jugend und Unverſtand nachſehen, aber nach einem alten Reſcript — ich weiß nicht mehr, die Jahrszahl iſt noch aus dem vorigen Jahrhundert geweſen — ſollen ungerathene unartige Kinder, bei denen der Eltern Zucht nicht an¬ ſchlage, in Sprengen und eiſernen Banden zu öffentlichen Arbeiten angehalten werden, und ſonach ſei das Zuchthaus eigentlich eine Be¬ gnadigung für mich. Wenn Ihr es alſo meint, ſo könnt Ihr mich beim Amtmann und Vogt verklagen, wie Ihr mich beim Kirchencon¬ vent verklagt habt. — Du ſchreckſt mich nicht, dachte er bei dieſen Worten, mit feſtem Auge den unſichern Blick ſeines Vaters feſthaltend. Sind das artige Kinder, fragte dieſer, die ihren Eltern das Korn im Sack aus dem Haus tragen? Wiſſet Ihr nicht, Vater? der Criſpinus hat Leder geſtohlen, um den Armen Schuh' draus zu machen, und hat's doch zum Heiligen gebracht, wiewohl er's, glaub' ich, ſogar bei Fremden geſtohlen hat. Wir ſind lutheriſch. Da gelten keine ſolche Späß'. Nun, ſo machet doch endlich Ernſt und bringet mich in's Zucht¬ haus. Dann muß eben die Hochzeit aufgeſchoben werden, bis ich wieder 'rauskomm'.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/246>, abgerufen am 23.11.2024.