seinem Gesicht war blutroth geworden und sein ganzes Aussehen er¬ schien so wild, daß sie nicht weiter zu fragen wagte.
Jerg, der kein Mann von vielen Worten war und sich unbedingt an seinen natürlichen Schwager anschloß, sowie er diesen thatkräftig auftreten sah, half ihm den Wagen zurecht machen, während Christine unter der hintern Thüre saß und die Säcke flickte, wo sie Löcher an ihnen entdeckte. Niemand fragte, was dieses Vorhaben bedeuten solle. Der Vater lag oben im Bett und sah meist stillschweigend an die Wand oder nach der Decke hinauf, und die Mutter befand sich bei ihm. Der kleine Bube tummelte sich um den Wagen herum und sah den beiden jungen Männern zu.
Als es Nacht wurde, mußte Jerg die Kuh aus dem Stalle füh¬ ren und Friedrich half ihm sie an den Wagen spannen. Dann befahl er Christinen eine Laterne anzuzünden und mitzunehmen. Sie kam mit der Laterne, blieb aber stehen und sagte: Um Gotteswillen, Frie¬ der, was hast vor? Mir ist's als sei's nichts Gut's.
Hörst den Teufel schon Holz spalten? sagte er. So gut du dein Kind in meines Vaters Haus tragen kannst, so gut kann ich ihm auch Futter draus holen.
Ach Gott, seufzte sie, das ist eine unrechte und gewagte Sach'. Ich will nichts davon.
Du läßt mir ja keine Ruh! rief er und der Grimm klang aus seiner gedämpften Stimme heraus. Vorwärts!
Er ergriff sie am Zopfbändel und zog sie fort. Sie verbarg die Laterne unter der Schürze und folgte willig. Der Wagen fuhr lang¬ sam durch den Flecken. Es war überall still, kein Mensch begegnete ihnen. Vor der Sonne hielten sie an. Auch dort lag Alles im Schlafe. -- Ihr beide bleibt da unten, sagte Friedrich, für euch ist's ein fremdes Haus, man soll euch keinen Einbruch vorwerfen können. Ich bin hier in meinem Eigenen, das weiß sogar der Hund, die unver¬ nünftig' Creatur, denn sehet, er rührt sich nicht.
Er öffnete einen Laden und verschwand mit einem Sack, den er bald schwerer als er zuvor gewesen war, wiederbrachte. So trug er mit starker Hand einen Sack um den andern herab und bot ihn zu dem Laden heraus, wo ihn Jerg in Empfang nahm und auf den Wagen lud. Ohne durch einen Laut im Hause gestört zu werden,
ſeinem Geſicht war blutroth geworden und ſein ganzes Ausſehen er¬ ſchien ſo wild, daß ſie nicht weiter zu fragen wagte.
Jerg, der kein Mann von vielen Worten war und ſich unbedingt an ſeinen natürlichen Schwager anſchloß, ſowie er dieſen thatkräftig auftreten ſah, half ihm den Wagen zurecht machen, während Chriſtine unter der hintern Thüre ſaß und die Säcke flickte, wo ſie Löcher an ihnen entdeckte. Niemand fragte, was dieſes Vorhaben bedeuten ſolle. Der Vater lag oben im Bett und ſah meiſt ſtillſchweigend an die Wand oder nach der Decke hinauf, und die Mutter befand ſich bei ihm. Der kleine Bube tummelte ſich um den Wagen herum und ſah den beiden jungen Männern zu.
Als es Nacht wurde, mußte Jerg die Kuh aus dem Stalle füh¬ ren und Friedrich half ihm ſie an den Wagen ſpannen. Dann befahl er Chriſtinen eine Laterne anzuzünden und mitzunehmen. Sie kam mit der Laterne, blieb aber ſtehen und ſagte: Um Gotteswillen, Frie¬ der, was haſt vor? Mir iſt's als ſei's nichts Gut's.
Hörſt den Teufel ſchon Holz ſpalten? ſagte er. So gut du dein Kind in meines Vaters Haus tragen kannſt, ſo gut kann ich ihm auch Futter draus holen.
Ach Gott, ſeufzte ſie, das iſt eine unrechte und gewagte Sach'. Ich will nichts davon.
Du läßt mir ja keine Ruh! rief er und der Grimm klang aus ſeiner gedämpften Stimme heraus. Vorwärts!
Er ergriff ſie am Zopfbändel und zog ſie fort. Sie verbarg die Laterne unter der Schürze und folgte willig. Der Wagen fuhr lang¬ ſam durch den Flecken. Es war überall ſtill, kein Menſch begegnete ihnen. Vor der Sonne hielten ſie an. Auch dort lag Alles im Schlafe. — Ihr beide bleibt da unten, ſagte Friedrich, für euch iſt's ein fremdes Haus, man ſoll euch keinen Einbruch vorwerfen können. Ich bin hier in meinem Eigenen, das weiß ſogar der Hund, die unver¬ nünftig' Creatur, denn ſehet, er rührt ſich nicht.
Er öffnete einen Laden und verſchwand mit einem Sack, den er bald ſchwerer als er zuvor geweſen war, wiederbrachte. So trug er mit ſtarker Hand einen Sack um den andern herab und bot ihn zu dem Laden heraus, wo ihn Jerg in Empfang nahm und auf den Wagen lud. Ohne durch einen Laut im Hauſe geſtört zu werden,
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ſeinem Geſicht war blutroth geworden und ſein ganzes Ausſehen er¬
ſchien ſo wild, daß ſie nicht weiter zu fragen wagte.
Jerg, der kein Mann von vielen Worten war und ſich unbedingt
an ſeinen natürlichen Schwager anſchloß, ſowie er dieſen thatkräftig
auftreten ſah, half ihm den Wagen zurecht machen, während Chriſtine
unter der hintern Thüre ſaß und die Säcke flickte, wo ſie Löcher an
ihnen entdeckte. Niemand fragte, was dieſes Vorhaben bedeuten ſolle.
Der Vater lag oben im Bett und ſah meiſt ſtillſchweigend an die
Wand oder nach der Decke hinauf, und die Mutter befand ſich bei
ihm. Der kleine Bube tummelte ſich um den Wagen herum und ſah
den beiden jungen Männern zu.
Als es Nacht wurde, mußte Jerg die Kuh aus dem Stalle füh¬
ren und Friedrich half ihm ſie an den Wagen ſpannen. Dann befahl
er Chriſtinen eine Laterne anzuzünden und mitzunehmen. Sie kam
mit der Laterne, blieb aber ſtehen und ſagte: Um Gotteswillen, Frie¬
der, was haſt vor? Mir iſt's als ſei's nichts Gut's.
Hörſt den Teufel ſchon Holz ſpalten? ſagte er. So gut du dein
Kind in meines Vaters Haus tragen kannſt, ſo gut kann ich ihm auch
Futter draus holen.
Ach Gott, ſeufzte ſie, das iſt eine unrechte und gewagte Sach'.
Ich will nichts davon.
Du läßt mir ja keine Ruh! rief er und der Grimm klang aus
ſeiner gedämpften Stimme heraus. Vorwärts!
Er ergriff ſie am Zopfbändel und zog ſie fort. Sie verbarg die
Laterne unter der Schürze und folgte willig. Der Wagen fuhr lang¬
ſam durch den Flecken. Es war überall ſtill, kein Menſch begegnete
ihnen. Vor der Sonne hielten ſie an. Auch dort lag Alles im
Schlafe. — Ihr beide bleibt da unten, ſagte Friedrich, für euch iſt's ein
fremdes Haus, man ſoll euch keinen Einbruch vorwerfen können. Ich
bin hier in meinem Eigenen, das weiß ſogar der Hund, die unver¬
nünftig' Creatur, denn ſehet, er rührt ſich nicht.
Er öffnete einen Laden und verſchwand mit einem Sack, den er
bald ſchwerer als er zuvor geweſen war, wiederbrachte. So trug er
mit ſtarker Hand einen Sack um den andern herab und bot ihn zu
dem Laden heraus, wo ihn Jerg in Empfang nahm und auf den
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/235>, abgerufen am 25.11.2024.
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