Item, hob der Pfarrer wieder an, soll Er gesagt haben, Sein Vater henke sein Geld lieber an die Stallmägde, als daß er Ihm helfe.
Das ist verlogen! fuhr Friedrich auf. Mein Vater sollt' sich schä¬ men, daß er sich solche Flöh' in die Ohren setzen läßt, da er doch recht gut wissen könnt', woher sie kommen.
Item, fuhr der Pfarrer fort, habe Er mit Gewalt von Seinem Vater Geld haben wollen, daß Er Dispensation wegen Seiner Mino¬ rennität bekomme.
Ja, das hab' ich von ihm haben wollen, fiel Friedrich ein, und deßwegen ist mir das Trinkgeld, mit dem er mich hat abspeisen wollen, viel zu wenig gewesen. Ich weiß nicht, wie's mein Vater und mein Pfleger mit einander haben: wenn ich von dem Einen Geld will, so schickt er mich an den Andern. Das aber weiß ich, daß ich das Recht hab', meine Minderjährigkeit abzukaufen, damit ich nicht mehr bei mei¬ nem Vater um Heirathserlaubniß zu betteln brauch'; und wenn ich die Dispensation mit meinem eignen Geld bezahl', so wird Niemand, hoff' ich, was dawider haben.
Er soll dabei gesagt haben, wenn Er nur Geld habe, so brauche Er keinen Pfarrer und keinen Amtmann dazu. Summa Summarum klagt Sein Vater, Er folge ihm nicht, schaffe ihm nichts, gehe nur müßig, sei in der Nacht draußen, und erst am Sonntag habe Er ge¬ sagt, der Teufel solle das Geschäft holen, Er wolle ihm keine Arbeit mehr thun, er helfe Ihm ja nicht. Es bittet anbei Sein Vater, weil er vor Ihm niemals, weder Tag noch Nacht, sicher sei, so möchte man ihm Sicherheit verschaffen vor Ihm und Ihn also verwahren, daß Er sich an niemand vergreifen und niemand schaden könne.
Mein Vater ist kein Mann, wenn er das behauptet, erwiderte Friedrich. Ich hab' noch nie in meinem Leben Hand an ihn gelegt, ich hab' mich nicht einmal, seit ich aus den Bubenjahren herausge¬ wachsen bin, so viel ich auch Ursach' hätt', an meiner Stiefmutter vergriffen. Vom Schaffen sag' ich gar nichts.
Wie kannst du sagen, dein Vater sei kein Mann! rief der Vormund.
Er ist kein rechter Mann, ich behaupt's noch einmal. Er hat mir zugetraut, ich werd' mein Mädle betrügen und mein leiblich's Kind
Item, hob der Pfarrer wieder an, ſoll Er geſagt haben, Sein Vater henke ſein Geld lieber an die Stallmägde, als daß er Ihm helfe.
Das iſt verlogen! fuhr Friedrich auf. Mein Vater ſollt' ſich ſchä¬ men, daß er ſich ſolche Flöh' in die Ohren ſetzen läßt, da er doch recht gut wiſſen könnt', woher ſie kommen.
Item, fuhr der Pfarrer fort, habe Er mit Gewalt von Seinem Vater Geld haben wollen, daß Er Dispenſation wegen Seiner Mino¬ rennität bekomme.
Ja, das hab' ich von ihm haben wollen, fiel Friedrich ein, und deßwegen iſt mir das Trinkgeld, mit dem er mich hat abſpeiſen wollen, viel zu wenig geweſen. Ich weiß nicht, wie's mein Vater und mein Pfleger mit einander haben: wenn ich von dem Einen Geld will, ſo ſchickt er mich an den Andern. Das aber weiß ich, daß ich das Recht hab', meine Minderjährigkeit abzukaufen, damit ich nicht mehr bei mei¬ nem Vater um Heirathserlaubniß zu betteln brauch'; und wenn ich die Dispenſation mit meinem eignen Geld bezahl', ſo wird Niemand, hoff' ich, was dawider haben.
Er ſoll dabei geſagt haben, wenn Er nur Geld habe, ſo brauche Er keinen Pfarrer und keinen Amtmann dazu. Summa Summarum klagt Sein Vater, Er folge ihm nicht, ſchaffe ihm nichts, gehe nur müßig, ſei in der Nacht draußen, und erſt am Sonntag habe Er ge¬ ſagt, der Teufel ſolle das Geſchäft holen, Er wolle ihm keine Arbeit mehr thun, er helfe Ihm ja nicht. Es bittet anbei Sein Vater, weil er vor Ihm niemals, weder Tag noch Nacht, ſicher ſei, ſo möchte man ihm Sicherheit verſchaffen vor Ihm und Ihn alſo verwahren, daß Er ſich an niemand vergreifen und niemand ſchaden könne.
Mein Vater iſt kein Mann, wenn er das behauptet, erwiderte Friedrich. Ich hab' noch nie in meinem Leben Hand an ihn gelegt, ich hab' mich nicht einmal, ſeit ich aus den Bubenjahren herausge¬ wachſen bin, ſo viel ich auch Urſach' hätt', an meiner Stiefmutter vergriffen. Vom Schaffen ſag' ich gar nichts.
Wie kannſt du ſagen, dein Vater ſei kein Mann! rief der Vormund.
Er iſt kein rechter Mann, ich behaupt's noch einmal. Er hat mir zugetraut, ich werd' mein Mädle betrügen und mein leiblich's Kind
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0224"n="208"/><p>Item, hob der Pfarrer wieder an, ſoll Er geſagt haben, Sein<lb/>
Vater henke ſein Geld lieber an die Stallmägde, als daß er Ihm<lb/>
helfe.</p><lb/><p>Das iſt verlogen! fuhr Friedrich auf. Mein Vater ſollt' ſich ſchä¬<lb/>
men, daß er ſich ſolche Flöh' in die Ohren ſetzen läßt, da er doch<lb/>
recht gut wiſſen könnt', woher ſie kommen.</p><lb/><p>Item, fuhr der Pfarrer fort, habe Er mit Gewalt von Seinem<lb/>
Vater Geld haben wollen, daß Er Dispenſation wegen Seiner Mino¬<lb/>
rennität bekomme.</p><lb/><p>Ja, das hab' ich von ihm haben wollen, fiel Friedrich ein, und<lb/>
deßwegen iſt mir das Trinkgeld, mit dem er mich hat abſpeiſen wollen,<lb/>
viel zu wenig geweſen. Ich weiß nicht, wie's mein Vater und mein<lb/>
Pfleger mit einander haben: wenn ich von dem Einen Geld will, ſo<lb/>ſchickt er mich an den Andern. Das aber weiß ich, daß ich das Recht<lb/>
hab', meine Minderjährigkeit abzukaufen, damit ich nicht mehr bei mei¬<lb/>
nem Vater um Heirathserlaubniß zu betteln brauch'; und wenn ich<lb/>
die Dispenſation mit meinem eignen Geld bezahl', ſo wird Niemand,<lb/>
hoff' ich, was dawider haben.</p><lb/><p>Er ſoll dabei geſagt haben, wenn Er nur Geld habe, ſo brauche<lb/>
Er keinen Pfarrer und keinen Amtmann dazu. Summa Summarum<lb/>
klagt Sein Vater, Er folge ihm nicht, ſchaffe ihm nichts, gehe nur<lb/>
müßig, ſei in der Nacht draußen, und erſt am Sonntag habe Er ge¬<lb/>ſagt, der Teufel ſolle das Geſchäft holen, Er wolle ihm keine Arbeit<lb/>
mehr thun, er helfe Ihm ja nicht. Es bittet anbei Sein Vater,<lb/>
weil er vor Ihm niemals, weder Tag noch Nacht, ſicher ſei, ſo möchte<lb/>
man ihm Sicherheit verſchaffen vor Ihm und Ihn alſo verwahren,<lb/>
daß Er ſich an niemand vergreifen und niemand ſchaden könne.</p><lb/><p>Mein Vater iſt kein Mann, wenn er das behauptet, erwiderte<lb/>
Friedrich. Ich hab' noch nie in meinem Leben Hand an ihn gelegt,<lb/>
ich hab' mich nicht einmal, ſeit ich aus den Bubenjahren herausge¬<lb/>
wachſen bin, ſo viel ich auch Urſach' hätt', an meiner Stiefmutter<lb/>
vergriffen. Vom Schaffen ſag' ich gar nichts.</p><lb/><p>Wie kannſt du ſagen, dein Vater ſei kein Mann! rief der<lb/>
Vormund.</p><lb/><p>Er iſt kein rechter Mann, ich behaupt's noch einmal. Er hat mir<lb/>
zugetraut, ich werd' mein Mädle betrügen und mein leiblich's Kind<lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0224]
Item, hob der Pfarrer wieder an, ſoll Er geſagt haben, Sein
Vater henke ſein Geld lieber an die Stallmägde, als daß er Ihm
helfe.
Das iſt verlogen! fuhr Friedrich auf. Mein Vater ſollt' ſich ſchä¬
men, daß er ſich ſolche Flöh' in die Ohren ſetzen läßt, da er doch
recht gut wiſſen könnt', woher ſie kommen.
Item, fuhr der Pfarrer fort, habe Er mit Gewalt von Seinem
Vater Geld haben wollen, daß Er Dispenſation wegen Seiner Mino¬
rennität bekomme.
Ja, das hab' ich von ihm haben wollen, fiel Friedrich ein, und
deßwegen iſt mir das Trinkgeld, mit dem er mich hat abſpeiſen wollen,
viel zu wenig geweſen. Ich weiß nicht, wie's mein Vater und mein
Pfleger mit einander haben: wenn ich von dem Einen Geld will, ſo
ſchickt er mich an den Andern. Das aber weiß ich, daß ich das Recht
hab', meine Minderjährigkeit abzukaufen, damit ich nicht mehr bei mei¬
nem Vater um Heirathserlaubniß zu betteln brauch'; und wenn ich
die Dispenſation mit meinem eignen Geld bezahl', ſo wird Niemand,
hoff' ich, was dawider haben.
Er ſoll dabei geſagt haben, wenn Er nur Geld habe, ſo brauche
Er keinen Pfarrer und keinen Amtmann dazu. Summa Summarum
klagt Sein Vater, Er folge ihm nicht, ſchaffe ihm nichts, gehe nur
müßig, ſei in der Nacht draußen, und erſt am Sonntag habe Er ge¬
ſagt, der Teufel ſolle das Geſchäft holen, Er wolle ihm keine Arbeit
mehr thun, er helfe Ihm ja nicht. Es bittet anbei Sein Vater,
weil er vor Ihm niemals, weder Tag noch Nacht, ſicher ſei, ſo möchte
man ihm Sicherheit verſchaffen vor Ihm und Ihn alſo verwahren,
daß Er ſich an niemand vergreifen und niemand ſchaden könne.
Mein Vater iſt kein Mann, wenn er das behauptet, erwiderte
Friedrich. Ich hab' noch nie in meinem Leben Hand an ihn gelegt,
ich hab' mich nicht einmal, ſeit ich aus den Bubenjahren herausge¬
wachſen bin, ſo viel ich auch Urſach' hätt', an meiner Stiefmutter
vergriffen. Vom Schaffen ſag' ich gar nichts.
Wie kannſt du ſagen, dein Vater ſei kein Mann! rief der
Vormund.
Er iſt kein rechter Mann, ich behaupt's noch einmal. Er hat mir
zugetraut, ich werd' mein Mädle betrügen und mein leiblich's Kind
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/224>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.