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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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auch hatte er, seit sein Ziel erreicht war, seiner Schwiegermutter mehr¬
fach gezeigt, daß er nicht ganz und gar in ihr Hörnlein zu blasen
gesonnen sei. Dabei mochte er ein wenig von der Abneigung seiner
Frau angesteckt worden sein, gegen welche er sich oft über die Unselbst¬
ständigkeit und Unterthänigkeit des Krämers lustig machte.

Die Sonnenwirthin hatte inzwischen in dem Gesichte ihres Stief¬
sohnes gelesen. Was brauchen wir weiter Zeugniß? rief sie. Er
leugnet's ja selber nicht, daß er sich mit dem schlechten Mensch einge¬
lassen hat.

Der Sonnenwirth hatte eben die Gabel mit einem Stücke Braten
erhoben; es war aber in Gottes Rathschluß vorgesehen, daß er dasselbe
nicht in den Mund bringen sollte, denn Friedrich fuhr auf, durch das
böse Wort aus seiner Befangenheit herausgerissen, und rief: Ueber
mich kann man sagen was man will, das will ich Alles geduldig
tragen, aber auf das Mädle lass' ich nichts kommen, denn das Mädle
ist brav, und wer schlecht von ihr reden will, der kann sich vor mir
in Acht nehmen; ich leid's von Niemand, selbst von Vater und Mut¬
ter nicht! Es ist mir leid, Vater, daß die Sach' so vor Euch ge¬
bracht worden ist, denn ich hab's ganz anders fürgehabt, wie Ihr Euch
wohl selber einbilden könnt. Aber nun es einmal ohne meine Schuld
heraus ist, will ich's Euch frei bekennen: das Mädle ist mein Schatz,
und ich hab's treulich und ehrlich mit ihr, und will keine Andere
heirathen als das Christinele allein. Ich hab' mir Eure Einwilligung
zu einer gelegeneren Zeit erbitten wollen, aber jetzt ist eben die Ge¬
legenheit vom Zaun gebrochen.

Ein starres, sprachloses Staunen hatte sich der Familie auf dieses
unumwundene Geständniß bemächtigt; der Sonnenwirth hatte die
Gabel mit dem Braten auf das Tischtuch fallen lassen, wo sie, über
den Rand hinausragend, keinen Halt fand und, der Sonnenwirthin
unterwegs das Taffetkleid beschmutzend, ihren Fall auf den Boden
fortsetzte. Die Anstifterin des Auftrittes konnte deßhalb an dem ersten
Geräusche der Explosion keinen Antheil nehmen; sie schoß mit einem
wüthenden Blicke auf ihren ungeschickten Eheherrn hinaus, um die
Flecken an ihrem Kleide wo möglich zu vertilgen. Nachdem die be¬
stürzten Geister sich wieder etwas gesammelt hatten, machten sich die
Gefühle über das unerhörte Unterfangen des jungen Menschen in

auch hatte er, ſeit ſein Ziel erreicht war, ſeiner Schwiegermutter mehr¬
fach gezeigt, daß er nicht ganz und gar in ihr Hörnlein zu blaſen
geſonnen ſei. Dabei mochte er ein wenig von der Abneigung ſeiner
Frau angeſteckt worden ſein, gegen welche er ſich oft über die Unſelbſt¬
ſtändigkeit und Unterthänigkeit des Krämers luſtig machte.

Die Sonnenwirthin hatte inzwiſchen in dem Geſichte ihres Stief¬
ſohnes geleſen. Was brauchen wir weiter Zeugniß? rief ſie. Er
leugnet's ja ſelber nicht, daß er ſich mit dem ſchlechten Menſch einge¬
laſſen hat.

Der Sonnenwirth hatte eben die Gabel mit einem Stücke Braten
erhoben; es war aber in Gottes Rathſchluß vorgeſehen, daß er daſſelbe
nicht in den Mund bringen ſollte, denn Friedrich fuhr auf, durch das
böſe Wort aus ſeiner Befangenheit herausgeriſſen, und rief: Ueber
mich kann man ſagen was man will, das will ich Alles geduldig
tragen, aber auf das Mädle laſſ' ich nichts kommen, denn das Mädle
iſt brav, und wer ſchlecht von ihr reden will, der kann ſich vor mir
in Acht nehmen; ich leid's von Niemand, ſelbſt von Vater und Mut¬
ter nicht! Es iſt mir leid, Vater, daß die Sach' ſo vor Euch ge¬
bracht worden iſt, denn ich hab's ganz anders fürgehabt, wie Ihr Euch
wohl ſelber einbilden könnt. Aber nun es einmal ohne meine Schuld
heraus iſt, will ich's Euch frei bekennen: das Mädle iſt mein Schatz,
und ich hab's treulich und ehrlich mit ihr, und will keine Andere
heirathen als das Chriſtinele allein. Ich hab' mir Eure Einwilligung
zu einer gelegeneren Zeit erbitten wollen, aber jetzt iſt eben die Ge¬
legenheit vom Zaun gebrochen.

Ein ſtarres, ſprachloſes Staunen hatte ſich der Familie auf dieſes
unumwundene Geſtändniß bemächtigt; der Sonnenwirth hatte die
Gabel mit dem Braten auf das Tiſchtuch fallen laſſen, wo ſie, über
den Rand hinausragend, keinen Halt fand und, der Sonnenwirthin
unterwegs das Taffetkleid beſchmutzend, ihren Fall auf den Boden
fortſetzte. Die Anſtifterin des Auftrittes konnte deßhalb an dem erſten
Geräuſche der Exploſion keinen Antheil nehmen; ſie ſchoß mit einem
wüthenden Blicke auf ihren ungeſchickten Eheherrn hinaus, um die
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[133/0149] auch hatte er, ſeit ſein Ziel erreicht war, ſeiner Schwiegermutter mehr¬ fach gezeigt, daß er nicht ganz und gar in ihr Hörnlein zu blaſen geſonnen ſei. Dabei mochte er ein wenig von der Abneigung ſeiner Frau angeſteckt worden ſein, gegen welche er ſich oft über die Unſelbſt¬ ſtändigkeit und Unterthänigkeit des Krämers luſtig machte. Die Sonnenwirthin hatte inzwiſchen in dem Geſichte ihres Stief¬ ſohnes geleſen. Was brauchen wir weiter Zeugniß? rief ſie. Er leugnet's ja ſelber nicht, daß er ſich mit dem ſchlechten Menſch einge¬ laſſen hat. Der Sonnenwirth hatte eben die Gabel mit einem Stücke Braten erhoben; es war aber in Gottes Rathſchluß vorgeſehen, daß er daſſelbe nicht in den Mund bringen ſollte, denn Friedrich fuhr auf, durch das böſe Wort aus ſeiner Befangenheit herausgeriſſen, und rief: Ueber mich kann man ſagen was man will, das will ich Alles geduldig tragen, aber auf das Mädle laſſ' ich nichts kommen, denn das Mädle iſt brav, und wer ſchlecht von ihr reden will, der kann ſich vor mir in Acht nehmen; ich leid's von Niemand, ſelbſt von Vater und Mut¬ ter nicht! Es iſt mir leid, Vater, daß die Sach' ſo vor Euch ge¬ bracht worden iſt, denn ich hab's ganz anders fürgehabt, wie Ihr Euch wohl ſelber einbilden könnt. Aber nun es einmal ohne meine Schuld heraus iſt, will ich's Euch frei bekennen: das Mädle iſt mein Schatz, und ich hab's treulich und ehrlich mit ihr, und will keine Andere heirathen als das Chriſtinele allein. Ich hab' mir Eure Einwilligung zu einer gelegeneren Zeit erbitten wollen, aber jetzt iſt eben die Ge¬ legenheit vom Zaun gebrochen. Ein ſtarres, ſprachloſes Staunen hatte ſich der Familie auf dieſes unumwundene Geſtändniß bemächtigt; der Sonnenwirth hatte die Gabel mit dem Braten auf das Tiſchtuch fallen laſſen, wo ſie, über den Rand hinausragend, keinen Halt fand und, der Sonnenwirthin unterwegs das Taffetkleid beſchmutzend, ihren Fall auf den Boden fortſetzte. Die Anſtifterin des Auftrittes konnte deßhalb an dem erſten Geräuſche der Exploſion keinen Antheil nehmen; ſie ſchoß mit einem wüthenden Blicke auf ihren ungeſchickten Eheherrn hinaus, um die Flecken an ihrem Kleide wo möglich zu vertilgen. Nachdem die be¬ ſtürzten Geiſter ſich wieder etwas geſammelt hatten, machten ſich die Gefühle über das unerhörte Unterfangen des jungen Menſchen in

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/149>, abgerufen am 24.11.2024.