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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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heime Bosheit sprach, machte ihm das Blut, aber jetzt nicht aus
Scham, nach dem Kopfe steigen.

Der Sonnenwirth, der noch mächtig am Braten arbeitete, hielt
einen Augenblick inne, um zu schauen wo die Sache hinaus wolle,
und sah bald den Tochtermann, bald den Sohn mit fragenden
Blicken an.

Die Sonnenwirthin hatte dem Ersteren, der den Laufgraben mit
so viel Geschick eröffnet, einen Blick der Zufriedenheit zugeworfen.
Nun rückte sie selbst in's Feld, um ihm zu Hilfe zu kommen. Wenn
er's nicht sagen will, wo er gewesen ist, so muß ich das Maul für
ihn aufthun, sagte sie. Des Hirschbauern seiner Jungfer Tochter
hat er den Morgensegen vorgebetet, just unter der Kirch'. Nun gibts
zwar Freigeister, die Alles auf die leicht' Achsel nehmen -- (dabei
ließ sie einen Blick an ihrem Manne hinstreifen) -- und Spülwasser
löscht auch den Durst, wie das Sprichwort sagt; aber noch sagen,
man hab' Gott gedient, das ist eine Sünd', die unser Herrgott ge¬
wißlich zu den anderen Missethaten mit aufhaspeln wird. Ich hab'
mich's von deinem Hab' und Gut kosten lassen, setzte sie gegen ihren
Mann hinzu, daß die Person, von der ich die Sach' weiß, nichts
weiter sagt, damit's nicht vor den Pfarrer kommt, was dein christlich¬
gesinnter Sohn unter Gottesdienst versteht.

Der Krämer kicherte und riß einige Witze, die Friedrich beinahe
außer sich brachten; aber er schwieg noch, denn die plötzliche Entdeckung,
daß er nicht bloß, wie ihm schon zuvor klar gewesen, verrathen, son¬
dern daß sein Geheimniß in die schlimmsten Hände überliefert sei, hatte
ihn etwas seiner Fassung beraubt.

Wer hat dir denn die Sach' hinterbracht? fragte der Sonnenwirth
seine Frau.

Das darf ich nicht sagen, antwortete sie, ich hab' Stillschweigen
angeloben müssen, kannst dir wohl denken warum, aber die Person ist
zuverlässig.

Und doch möcht' ich rathen, sagte der Chirurg mit einem wohl¬
wollenden Blicke auf seinen jungen Schwager, solchen unbekannten
Personen nicht allzu viel zu trauen. Man muß Einen nicht gleich
auf eine bloße Delation hin verdammen. -- Der Chirurg war
weltklug: er wollte es mit der angegriffenen Partei nicht verderben;

heime Bosheit ſprach, machte ihm das Blut, aber jetzt nicht aus
Scham, nach dem Kopfe ſteigen.

Der Sonnenwirth, der noch mächtig am Braten arbeitete, hielt
einen Augenblick inne, um zu ſchauen wo die Sache hinaus wolle,
und ſah bald den Tochtermann, bald den Sohn mit fragenden
Blicken an.

Die Sonnenwirthin hatte dem Erſteren, der den Laufgraben mit
ſo viel Geſchick eröffnet, einen Blick der Zufriedenheit zugeworfen.
Nun rückte ſie ſelbſt in's Feld, um ihm zu Hilfe zu kommen. Wenn
er's nicht ſagen will, wo er geweſen iſt, ſo muß ich das Maul für
ihn aufthun, ſagte ſie. Des Hirſchbauern ſeiner Jungfer Tochter
hat er den Morgenſegen vorgebetet, juſt unter der Kirch'. Nun gibts
zwar Freigeiſter, die Alles auf die leicht' Achſel nehmen — (dabei
ließ ſie einen Blick an ihrem Manne hinſtreifen) — und Spülwaſſer
löſcht auch den Durſt, wie das Sprichwort ſagt; aber noch ſagen,
man hab' Gott gedient, das iſt eine Sünd', die unſer Herrgott ge¬
wißlich zu den anderen Miſſethaten mit aufhaſpeln wird. Ich hab'
mich's von deinem Hab' und Gut koſten laſſen, ſetzte ſie gegen ihren
Mann hinzu, daß die Perſon, von der ich die Sach' weiß, nichts
weiter ſagt, damit's nicht vor den Pfarrer kommt, was dein chriſtlich¬
geſinnter Sohn unter Gottesdienſt verſteht.

Der Krämer kicherte und riß einige Witze, die Friedrich beinahe
außer ſich brachten; aber er ſchwieg noch, denn die plötzliche Entdeckung,
daß er nicht bloß, wie ihm ſchon zuvor klar geweſen, verrathen, ſon¬
dern daß ſein Geheimniß in die ſchlimmſten Hände überliefert ſei, hatte
ihn etwas ſeiner Faſſung beraubt.

Wer hat dir denn die Sach' hinterbracht? fragte der Sonnenwirth
ſeine Frau.

Das darf ich nicht ſagen, antwortete ſie, ich hab' Stillſchweigen
angeloben müſſen, kannſt dir wohl denken warum, aber die Perſon iſt
zuverläſſig.

Und doch möcht' ich rathen, ſagte der Chirurg mit einem wohl¬
wollenden Blicke auf ſeinen jungen Schwager, ſolchen unbekannten
Perſonen nicht allzu viel zu trauen. Man muß Einen nicht gleich
auf eine bloße Delation hin verdammen. — Der Chirurg war
weltklug: er wollte es mit der angegriffenen Partei nicht verderben;

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[132/0148] heime Bosheit ſprach, machte ihm das Blut, aber jetzt nicht aus Scham, nach dem Kopfe ſteigen. Der Sonnenwirth, der noch mächtig am Braten arbeitete, hielt einen Augenblick inne, um zu ſchauen wo die Sache hinaus wolle, und ſah bald den Tochtermann, bald den Sohn mit fragenden Blicken an. Die Sonnenwirthin hatte dem Erſteren, der den Laufgraben mit ſo viel Geſchick eröffnet, einen Blick der Zufriedenheit zugeworfen. Nun rückte ſie ſelbſt in's Feld, um ihm zu Hilfe zu kommen. Wenn er's nicht ſagen will, wo er geweſen iſt, ſo muß ich das Maul für ihn aufthun, ſagte ſie. Des Hirſchbauern ſeiner Jungfer Tochter hat er den Morgenſegen vorgebetet, juſt unter der Kirch'. Nun gibts zwar Freigeiſter, die Alles auf die leicht' Achſel nehmen — (dabei ließ ſie einen Blick an ihrem Manne hinſtreifen) — und Spülwaſſer löſcht auch den Durſt, wie das Sprichwort ſagt; aber noch ſagen, man hab' Gott gedient, das iſt eine Sünd', die unſer Herrgott ge¬ wißlich zu den anderen Miſſethaten mit aufhaſpeln wird. Ich hab' mich's von deinem Hab' und Gut koſten laſſen, ſetzte ſie gegen ihren Mann hinzu, daß die Perſon, von der ich die Sach' weiß, nichts weiter ſagt, damit's nicht vor den Pfarrer kommt, was dein chriſtlich¬ geſinnter Sohn unter Gottesdienſt verſteht. Der Krämer kicherte und riß einige Witze, die Friedrich beinahe außer ſich brachten; aber er ſchwieg noch, denn die plötzliche Entdeckung, daß er nicht bloß, wie ihm ſchon zuvor klar geweſen, verrathen, ſon¬ dern daß ſein Geheimniß in die ſchlimmſten Hände überliefert ſei, hatte ihn etwas ſeiner Faſſung beraubt. Wer hat dir denn die Sach' hinterbracht? fragte der Sonnenwirth ſeine Frau. Das darf ich nicht ſagen, antwortete ſie, ich hab' Stillſchweigen angeloben müſſen, kannſt dir wohl denken warum, aber die Perſon iſt zuverläſſig. Und doch möcht' ich rathen, ſagte der Chirurg mit einem wohl¬ wollenden Blicke auf ſeinen jungen Schwager, ſolchen unbekannten Perſonen nicht allzu viel zu trauen. Man muß Einen nicht gleich auf eine bloße Delation hin verdammen. — Der Chirurg war weltklug: er wollte es mit der angegriffenen Partei nicht verderben;

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/148>, abgerufen am 28.11.2024.