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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Ihr habt eben ein ruhiges Gemüth, Bas', sagte Friedrich lachend,
auf Euch könnt', glaub' ich, eine Her' die ganze Nacht reiten, Ihr
thätet nichts davon inn' werden. Uebrigens ist's nicht recht, in der
Neujahrsnacht zu schlafen und Eure Gäst' mit Gähnen anzustecken.
Morgen ist ja Kirch', da könnt Ihr's 'reinbringen, was Ihr heut'
Nacht am Schlaf versäumet.

Ja, ja! rief der Müllerknecht. Letzten Sonntag hab' ich mich
auch an der Beckin ihrem ruhigen Gemüth erbaut unter der Predigt.
Der Herr Pfarrer hat geschrauen, daß man's in Reichenbach hätt'
hören können, aber die Beckin hat sich nicht verrührt, sie hat ganz
klein ausgesehen in ihrem Stuhl und der Kopf ist ihr zwischen den
Achseln eingesunken gewesen wie ein Schnitz der oben in einem
Hutzelbrod steckt.

Ach was! entgegnete die Frau unschuldig, man muß sich die ganz
Woch' leiden, wenn man auch noch das bisle Kirchenschlaf nicht
hätt', so wär's ja nicht zum Prästiren.

Die Gesellschaft brach in ein wieherndes Gelächter aus, das lange
kein Ende nehmen wollte, bis endlich der Bäcker seine Frau aufmerk¬
sam machte: Du, Weib, da klopft's am Küchenfenster. Sie horchte
hin, ohne daß etwas zu hören war; nach einer Weile aber klopfte es
wiederholt und vernehmlich.

Aha, das ist ein Geist! rief der Müllerknecht.

Machet mir nicht Angst, rief die Bäckerin. Ich will's übrigens
mit ihm aufnehmen, setzte sie hinzu und ging in die Küche.

Ich glaub' auch nicht an Hexen, sagte der betrunkene Schütz.

Warum nicht? schrieen die Bauern eifrig.

Weil mein Glas schon eine ganze Ewigkeit leer da steht und sich
nicht füllen will. Wenn's Hexenwerk gäb', so müßt's von selber
voll werden.

Der Kübler, der kaum mehr die nöthige Kraft zum Reden besaß,
obgleich er unermüdlich zu trinken fortfuhr, schob dem Nimmersatt
sein Glas hin.

Jetzt möcht' ich aber doch nächstens aus der Haut fahren über
die Hungermuck', die Einem da den ganzen Abend hinhockt! sagte der
Invalide leise zu seinem jungen Nachbar. Wenn ich doch nur auch
ein Mittel wüßt', wie man ihn fortbringen könnt', den Hallunken.

Ihr habt eben ein ruhiges Gemüth, Baſ', ſagte Friedrich lachend,
auf Euch könnt', glaub' ich, eine Her' die ganze Nacht reiten, Ihr
thätet nichts davon inn' werden. Uebrigens iſt's nicht recht, in der
Neujahrsnacht zu ſchlafen und Eure Gäſt' mit Gähnen anzuſtecken.
Morgen iſt ja Kirch', da könnt Ihr's 'reinbringen, was Ihr heut'
Nacht am Schlaf verſäumet.

Ja, ja! rief der Müllerknecht. Letzten Sonntag hab' ich mich
auch an der Beckin ihrem ruhigen Gemüth erbaut unter der Predigt.
Der Herr Pfarrer hat geſchrauen, daß man's in Reichenbach hätt'
hören können, aber die Beckin hat ſich nicht verrührt, ſie hat ganz
klein ausgeſehen in ihrem Stuhl und der Kopf iſt ihr zwiſchen den
Achſeln eingeſunken geweſen wie ein Schnitz der oben in einem
Hutzelbrod ſteckt.

Ach was! entgegnete die Frau unſchuldig, man muß ſich die ganz
Woch' leiden, wenn man auch noch das bisle Kirchenſchlaf nicht
hätt', ſo wär's ja nicht zum Präſtiren.

Die Geſellſchaft brach in ein wieherndes Gelächter aus, das lange
kein Ende nehmen wollte, bis endlich der Bäcker ſeine Frau aufmerk¬
ſam machte: Du, Weib, da klopft's am Küchenfenſter. Sie horchte
hin, ohne daß etwas zu hören war; nach einer Weile aber klopfte es
wiederholt und vernehmlich.

Aha, das iſt ein Geiſt! rief der Müllerknecht.

Machet mir nicht Angſt, rief die Bäckerin. Ich will's übrigens
mit ihm aufnehmen, ſetzte ſie hinzu und ging in die Küche.

Ich glaub' auch nicht an Hexen, ſagte der betrunkene Schütz.

Warum nicht? ſchrieen die Bauern eifrig.

Weil mein Glas ſchon eine ganze Ewigkeit leer da ſteht und ſich
nicht füllen will. Wenn's Hexenwerk gäb', ſo müßt's von ſelber
voll werden.

Der Kübler, der kaum mehr die nöthige Kraft zum Reden beſaß,
obgleich er unermüdlich zu trinken fortfuhr, ſchob dem Nimmerſatt
ſein Glas hin.

Jetzt möcht' ich aber doch nächſtens aus der Haut fahren über
die Hungermuck', die Einem da den ganzen Abend hinhockt! ſagte der
Invalide leiſe zu ſeinem jungen Nachbar. Wenn ich doch nur auch
ein Mittel wüßt', wie man ihn fortbringen könnt', den Hallunken.

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[110/0126] Ihr habt eben ein ruhiges Gemüth, Baſ', ſagte Friedrich lachend, auf Euch könnt', glaub' ich, eine Her' die ganze Nacht reiten, Ihr thätet nichts davon inn' werden. Uebrigens iſt's nicht recht, in der Neujahrsnacht zu ſchlafen und Eure Gäſt' mit Gähnen anzuſtecken. Morgen iſt ja Kirch', da könnt Ihr's 'reinbringen, was Ihr heut' Nacht am Schlaf verſäumet. Ja, ja! rief der Müllerknecht. Letzten Sonntag hab' ich mich auch an der Beckin ihrem ruhigen Gemüth erbaut unter der Predigt. Der Herr Pfarrer hat geſchrauen, daß man's in Reichenbach hätt' hören können, aber die Beckin hat ſich nicht verrührt, ſie hat ganz klein ausgeſehen in ihrem Stuhl und der Kopf iſt ihr zwiſchen den Achſeln eingeſunken geweſen wie ein Schnitz der oben in einem Hutzelbrod ſteckt. Ach was! entgegnete die Frau unſchuldig, man muß ſich die ganz Woch' leiden, wenn man auch noch das bisle Kirchenſchlaf nicht hätt', ſo wär's ja nicht zum Präſtiren. Die Geſellſchaft brach in ein wieherndes Gelächter aus, das lange kein Ende nehmen wollte, bis endlich der Bäcker ſeine Frau aufmerk¬ ſam machte: Du, Weib, da klopft's am Küchenfenſter. Sie horchte hin, ohne daß etwas zu hören war; nach einer Weile aber klopfte es wiederholt und vernehmlich. Aha, das iſt ein Geiſt! rief der Müllerknecht. Machet mir nicht Angſt, rief die Bäckerin. Ich will's übrigens mit ihm aufnehmen, ſetzte ſie hinzu und ging in die Küche. Ich glaub' auch nicht an Hexen, ſagte der betrunkene Schütz. Warum nicht? ſchrieen die Bauern eifrig. Weil mein Glas ſchon eine ganze Ewigkeit leer da ſteht und ſich nicht füllen will. Wenn's Hexenwerk gäb', ſo müßt's von ſelber voll werden. Der Kübler, der kaum mehr die nöthige Kraft zum Reden beſaß, obgleich er unermüdlich zu trinken fortfuhr, ſchob dem Nimmerſatt ſein Glas hin. Jetzt möcht' ich aber doch nächſtens aus der Haut fahren über die Hungermuck', die Einem da den ganzen Abend hinhockt! ſagte der Invalide leiſe zu ſeinem jungen Nachbar. Wenn ich doch nur auch ein Mittel wüßt', wie man ihn fortbringen könnt', den Hallunken.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/126>, abgerufen am 24.11.2024.