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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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bereits verlauten lassen, man sollt' eigentlich den Tag des Herrn mit
Fasten zubringen.

Die Gesellschaft lachte unwillig.

Die Obrigkeit macht aber doch auch billige Ausnahmen, sagte der
Schütz zu Friedrich. Wie Sein Vater verwichenes Jahr um Ostern
angebracht worden ist, daß er am Sonntag mit einem Wagen Haber
nacher Stuttgart gefahren sei, da ist ihm nichts geschehen, weil er sich
hat verantworten können, der Haber gehöre der Herrschaft und habe
zur Gottesdienstzeit in Stuttgart sein müssen.

Ja wohl! lachte Friedlich bitter, wenn's für die Herrschaft ist,
dann ist's keine Sünd'! Ich hab' geglaubt, vor Gott sei Alles gleich.
Aber der Herzog jagt auch am Sonntag, wenn's ihn ankommt, und
fragt nach keinem Pfarrer nichts. Ich hab ihn selber schon am Sonn¬
tag hier durchreiten sehen.

Und letzten Sommer hat man Seinen Schwager auch entschuldigt,
weil er an einem Sonntag Garben eingeführt hat, die von den wil¬
den Schweinen übel zugerichtet gewesen sind. Da hat der Convent
ein Einsehen gehabt und hat judicirt, es sei ein Nothwerk gewesen.

Ja, was! sagte ein Bauer, bei so fürnehme Leut' hat man frei¬
lich ein Einsehen.

Ich will doch nicht hoffen, rief ein Anderer, daß der Kirchencon¬
vent auch noch den wilden Säuen den Kopf heben sollt', die uns
das Feld verderben und die beste Frucht wegfressen! Unsereins muß
sich das ganze Jahr hindurch schinden und plagen, damit man in
Stuttgart in Saus und Braus leben kann, und man sollt' nicht ein¬
mal seine Frucht einthun dürfen, eh die Beester sie vollends ruinirt haben?

Man hat nicht bloß mit dem Sonnenwirth und solchen Leuten
ein Einsehen, bemerkte der Schütz dem vorigen Redner, sondern auch
mit dem gemeinen Mann. Wie im Heuet das Gewitter auf unsere
Markung geschlagen hat Göppingen zu und ein Hochwasser zu befürch¬
ten gewesen ist, hat nicht da der Herr Amtmann am Sonntag früh
ausschellen lassen, die Leute sollen und müssen ihr Heu sogleich heim
thun, daß und damit es nicht vom Wasser fortgenommen werde?

Ei, ich wollt', er hätt's draußen gelassen, erwiderte der Angere¬
dete, das Wasser ist nicht stärker worden, wie man hat voraussehen
können, und mit dem Heu hat man nachher seine liebe Noth gehabt.

bereits verlauten laſſen, man ſollt' eigentlich den Tag des Herrn mit
Faſten zubringen.

Die Geſellſchaft lachte unwillig.

Die Obrigkeit macht aber doch auch billige Ausnahmen, ſagte der
Schütz zu Friedrich. Wie Sein Vater verwichenes Jahr um Oſtern
angebracht worden iſt, daß er am Sonntag mit einem Wagen Haber
nacher Stuttgart gefahren ſei, da iſt ihm nichts geſchehen, weil er ſich
hat verantworten können, der Haber gehöre der Herrſchaft und habe
zur Gottesdienſtzeit in Stuttgart ſein müſſen.

Ja wohl! lachte Friedlich bitter, wenn's für die Herrſchaft iſt,
dann iſt's keine Sünd'! Ich hab' geglaubt, vor Gott ſei Alles gleich.
Aber der Herzog jagt auch am Sonntag, wenn's ihn ankommt, und
fragt nach keinem Pfarrer nichts. Ich hab ihn ſelber ſchon am Sonn¬
tag hier durchreiten ſehen.

Und letzten Sommer hat man Seinen Schwager auch entſchuldigt,
weil er an einem Sonntag Garben eingeführt hat, die von den wil¬
den Schweinen übel zugerichtet geweſen ſind. Da hat der Convent
ein Einſehen gehabt und hat judicirt, es ſei ein Nothwerk geweſen.

Ja, was! ſagte ein Bauer, bei ſo fürnehme Leut' hat man frei¬
lich ein Einſehen.

Ich will doch nicht hoffen, rief ein Anderer, daß der Kirchencon¬
vent auch noch den wilden Säuen den Kopf heben ſollt', die uns
das Feld verderben und die beſte Frucht wegfreſſen! Unſereins muß
ſich das ganze Jahr hindurch ſchinden und plagen, damit man in
Stuttgart in Saus und Braus leben kann, und man ſollt' nicht ein¬
mal ſeine Frucht einthun dürfen, eh die Beeſter ſie vollends ruinirt haben?

Man hat nicht bloß mit dem Sonnenwirth und ſolchen Leuten
ein Einſehen, bemerkte der Schütz dem vorigen Redner, ſondern auch
mit dem gemeinen Mann. Wie im Heuet das Gewitter auf unſere
Markung geſchlagen hat Göppingen zu und ein Hochwaſſer zu befürch¬
ten geweſen iſt, hat nicht da der Herr Amtmann am Sonntag früh
ausſchellen laſſen, die Leute ſollen und müſſen ihr Heu ſogleich heim
thun, daß und damit es nicht vom Waſſer fortgenommen werde?

Ei, ich wollt', er hätt's draußen gelaſſen, erwiderte der Angere¬
dete, das Waſſer iſt nicht ſtärker worden, wie man hat vorausſehen
können, und mit dem Heu hat man nachher ſeine liebe Noth gehabt.

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[100/0116] bereits verlauten laſſen, man ſollt' eigentlich den Tag des Herrn mit Faſten zubringen. Die Geſellſchaft lachte unwillig. Die Obrigkeit macht aber doch auch billige Ausnahmen, ſagte der Schütz zu Friedrich. Wie Sein Vater verwichenes Jahr um Oſtern angebracht worden iſt, daß er am Sonntag mit einem Wagen Haber nacher Stuttgart gefahren ſei, da iſt ihm nichts geſchehen, weil er ſich hat verantworten können, der Haber gehöre der Herrſchaft und habe zur Gottesdienſtzeit in Stuttgart ſein müſſen. Ja wohl! lachte Friedlich bitter, wenn's für die Herrſchaft iſt, dann iſt's keine Sünd'! Ich hab' geglaubt, vor Gott ſei Alles gleich. Aber der Herzog jagt auch am Sonntag, wenn's ihn ankommt, und fragt nach keinem Pfarrer nichts. Ich hab ihn ſelber ſchon am Sonn¬ tag hier durchreiten ſehen. Und letzten Sommer hat man Seinen Schwager auch entſchuldigt, weil er an einem Sonntag Garben eingeführt hat, die von den wil¬ den Schweinen übel zugerichtet geweſen ſind. Da hat der Convent ein Einſehen gehabt und hat judicirt, es ſei ein Nothwerk geweſen. Ja, was! ſagte ein Bauer, bei ſo fürnehme Leut' hat man frei¬ lich ein Einſehen. Ich will doch nicht hoffen, rief ein Anderer, daß der Kirchencon¬ vent auch noch den wilden Säuen den Kopf heben ſollt', die uns das Feld verderben und die beſte Frucht wegfreſſen! Unſereins muß ſich das ganze Jahr hindurch ſchinden und plagen, damit man in Stuttgart in Saus und Braus leben kann, und man ſollt' nicht ein¬ mal ſeine Frucht einthun dürfen, eh die Beeſter ſie vollends ruinirt haben? Man hat nicht bloß mit dem Sonnenwirth und ſolchen Leuten ein Einſehen, bemerkte der Schütz dem vorigen Redner, ſondern auch mit dem gemeinen Mann. Wie im Heuet das Gewitter auf unſere Markung geſchlagen hat Göppingen zu und ein Hochwaſſer zu befürch¬ ten geweſen iſt, hat nicht da der Herr Amtmann am Sonntag früh ausſchellen laſſen, die Leute ſollen und müſſen ihr Heu ſogleich heim thun, daß und damit es nicht vom Waſſer fortgenommen werde? Ei, ich wollt', er hätt's draußen gelaſſen, erwiderte der Angere¬ dete, das Waſſer iſt nicht ſtärker worden, wie man hat vorausſehen können, und mit dem Heu hat man nachher ſeine liebe Noth gehabt.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/116>, abgerufen am 25.11.2024.