Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

daß ihm Solches an seinem Kinde widerfahren, daß sie die Beute des Unreinen und Ausgestoßenen werden sollte. Allen Grimm schüttete er über mich aus; ich aber schwieg still, denn es war Debora's Vater, und Debora weinte. Er trieb mich aus von seinem Hofe und hieß mich nimmer wiederkehren. Seitdem, es sind drei Tage her, habe ich sie nicht wiedergesehen.

Und was denkst du nun weiter zu thun? fragte Stuart, der, obgleich er einen Theil seiner Befürchtungen eingetroffen sah, dem jungen Mann doch mit lebhaftem Antheil zugehört hatte. -- Was zu thun? ich weiß es nicht, antwortete Dimitri. Ich kann nur sagen, daß ich Debora liebe und daß sie mich liebt, daß diese Liebe größer ist, als was den Griechen von der Jüdin scheidet, und daß sie nur mit dem Tode enden kann. -- Doch, fuhr er fort, indem ein schmerzliches Lächeln über seine ernsten Züge hinflog, ich weiß ja nicht, ob Euch daran liegen mag, der Vertraute eines Liebespaares zu sein; auch hatte ich Euch nicht deßhalb bei mir zu weilen ersucht, um Euch eine Beichte über den Zustand meines Gemüthes abzulegen. Euch selbst geht es an, was ich Euch zu sagen habe. Ich wollte Euch warnen, damit Ihr auf Eurer Hut sein möget. Schon seit einigen Tagen sehe ich Leute hier durch die Gassen schleichen, die die Hofmauer und die Thür des Juden mustern und mehrfach auch nach Eurem Gerüst hinaufdeuteten; ich kenne sie wohl, sie gehören zu den Janitscharen, die dem Pascha bei seinen

daß ihm Solches an seinem Kinde widerfahren, daß sie die Beute des Unreinen und Ausgestoßenen werden sollte. Allen Grimm schüttete er über mich aus; ich aber schwieg still, denn es war Debora's Vater, und Debora weinte. Er trieb mich aus von seinem Hofe und hieß mich nimmer wiederkehren. Seitdem, es sind drei Tage her, habe ich sie nicht wiedergesehen.

Und was denkst du nun weiter zu thun? fragte Stuart, der, obgleich er einen Theil seiner Befürchtungen eingetroffen sah, dem jungen Mann doch mit lebhaftem Antheil zugehört hatte. — Was zu thun? ich weiß es nicht, antwortete Dimitri. Ich kann nur sagen, daß ich Debora liebe und daß sie mich liebt, daß diese Liebe größer ist, als was den Griechen von der Jüdin scheidet, und daß sie nur mit dem Tode enden kann. — Doch, fuhr er fort, indem ein schmerzliches Lächeln über seine ernsten Züge hinflog, ich weiß ja nicht, ob Euch daran liegen mag, der Vertraute eines Liebespaares zu sein; auch hatte ich Euch nicht deßhalb bei mir zu weilen ersucht, um Euch eine Beichte über den Zustand meines Gemüthes abzulegen. Euch selbst geht es an, was ich Euch zu sagen habe. Ich wollte Euch warnen, damit Ihr auf Eurer Hut sein möget. Schon seit einigen Tagen sehe ich Leute hier durch die Gassen schleichen, die die Hofmauer und die Thür des Juden mustern und mehrfach auch nach Eurem Gerüst hinaufdeuteten; ich kenne sie wohl, sie gehören zu den Janitscharen, die dem Pascha bei seinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0060"/>
daß ihm Solches an seinem Kinde widerfahren, daß sie die Beute des                Unreinen und Ausgestoßenen werden sollte. Allen Grimm schüttete er über mich aus; ich                aber schwieg still, denn es war Debora's Vater, und Debora weinte. Er trieb mich aus                von seinem Hofe und hieß mich nimmer wiederkehren. Seitdem, es sind drei Tage her,                habe ich sie nicht wiedergesehen.</p><lb/>
        <p>Und was denkst du nun weiter zu thun? fragte Stuart, der, obgleich er einen Theil                seiner Befürchtungen eingetroffen sah, dem jungen Mann doch mit lebhaftem Antheil                zugehört hatte. &#x2014; Was zu thun? ich weiß es nicht, antwortete Dimitri. Ich kann nur                sagen, daß ich Debora liebe und daß sie mich liebt, daß diese Liebe größer ist, als                was den Griechen von der Jüdin scheidet, und daß sie nur mit dem Tode enden kann. &#x2014;                Doch, fuhr er fort, indem ein schmerzliches Lächeln über seine ernsten Züge hinflog,                ich weiß ja nicht, ob Euch daran liegen mag, der Vertraute eines Liebespaares zu                sein; auch hatte ich Euch nicht deßhalb bei mir zu weilen ersucht, um Euch eine                Beichte über den Zustand meines Gemüthes abzulegen. Euch selbst geht es an, was ich                Euch zu sagen habe. Ich wollte Euch warnen, damit Ihr auf Eurer Hut sein möget. Schon                seit einigen Tagen sehe ich Leute hier durch die Gassen schleichen, die die Hofmauer                und die Thür des Juden mustern und mehrfach auch nach Eurem Gerüst hinaufdeuteten;                ich kenne sie wohl, sie gehören zu den Janitscharen, die dem Pascha bei seinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] daß ihm Solches an seinem Kinde widerfahren, daß sie die Beute des Unreinen und Ausgestoßenen werden sollte. Allen Grimm schüttete er über mich aus; ich aber schwieg still, denn es war Debora's Vater, und Debora weinte. Er trieb mich aus von seinem Hofe und hieß mich nimmer wiederkehren. Seitdem, es sind drei Tage her, habe ich sie nicht wiedergesehen. Und was denkst du nun weiter zu thun? fragte Stuart, der, obgleich er einen Theil seiner Befürchtungen eingetroffen sah, dem jungen Mann doch mit lebhaftem Antheil zugehört hatte. — Was zu thun? ich weiß es nicht, antwortete Dimitri. Ich kann nur sagen, daß ich Debora liebe und daß sie mich liebt, daß diese Liebe größer ist, als was den Griechen von der Jüdin scheidet, und daß sie nur mit dem Tode enden kann. — Doch, fuhr er fort, indem ein schmerzliches Lächeln über seine ernsten Züge hinflog, ich weiß ja nicht, ob Euch daran liegen mag, der Vertraute eines Liebespaares zu sein; auch hatte ich Euch nicht deßhalb bei mir zu weilen ersucht, um Euch eine Beichte über den Zustand meines Gemüthes abzulegen. Euch selbst geht es an, was ich Euch zu sagen habe. Ich wollte Euch warnen, damit Ihr auf Eurer Hut sein möget. Schon seit einigen Tagen sehe ich Leute hier durch die Gassen schleichen, die die Hofmauer und die Thür des Juden mustern und mehrfach auch nach Eurem Gerüst hinaufdeuteten; ich kenne sie wohl, sie gehören zu den Janitscharen, die dem Pascha bei seinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:01:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:01:39Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/60
Zitationshilfe: Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kugler_incantada_1910/60>, abgerufen am 23.11.2024.