Kugler, Franz: Die Incantada. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 81–146. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.oft von außen gehemmte geistige Kraft in der Kunstverwaltung des preußischen Staates. In den Jahren 1848 bis gegen 1851 war es, wo der Dichter des "Skizzenbuches" (Berlin, G. Reimer, 1830), dessen poetischer Theil im Jahre 1840 vielfach vermehrt bei J. G. Cotta neu herausgegeben worden war, in dem Professor an der Kunstakademie und vortragenden Rath des Cultus- und Unterrichts-Ministeriums noch einmal sich regte und eine Zeitlang alle wissenschaftlichen Aufgaben zurückdrängte. Es war freilich nicht mehr der Lyriker, der "An der Saale hellem Strande" gesungen hatte, in jener schönen volksthümlichen Ungebundenheit, träumerischen Jugendlust und dem Hauch von tändelnder Schwermuth, der den letzten Romantikern eigen ist. Die Uebung, hartes Holz zu schnitzen, die Fülle von historischem Wissen, die in seinem Geiste sich zu scharf begrenzten Umrissen zusammengeschlossen hatte, endlich die männliche Reife des Gemüths und Charakters wiesen den Dichter jetzt an andere Aufgaben. So entstanden in rascher Folge eine Reihe Dramen und Novellen, die im Jahre 1851 und 52 unter dem Titel Belletristische Schriften von Franz Kugler, Stuttgart, Ebner und Seubert, in acht Bändchen erschienen sind und freilich neben den wissenschaftlichen Leistungen ihres Verfassers nur einen Achtungserfolg davontragen konnten. Und doch war, um nur von den beiden Novellenbändchen zu reden, auch hier ein Ton angeschlagen worden, der kräftig und lebensvoll genug war, um fortzuklingen und auf eigenthümliche Weise von Späteren aufgenommen und durchgebildet zu werden. Die Cultur-Novelle, die in unsern Tagen ihr eignes Gepräge gewonnen hat, lag hier nicht nur im Keim, sondern war bereits mit künstlerischem Bewußtsein entfaltet und gleichsam als ein Erker an dem gewaltigen Bau der Kunstgeschichte angeschlossen. Schon das Inhaltsverzeichniß zeugt dafür, daß der Erzähler durch den Forscher angeregt worden war: Werner von Tegernsee -- Novelle vom Meister Zingaro -- Tizian's Tochter (ein höchst anmuthiges Phantasiestück) -- der Etruskerkönig -- Die Incantada -- Genesius (jener römische Schauspieler, der sich mitten in einer das Christenthum persiflirenden Maskenkomödie als Christen bekennt und den Märtyrertod erleidet) -- ein oft von außen gehemmte geistige Kraft in der Kunstverwaltung des preußischen Staates. In den Jahren 1848 bis gegen 1851 war es, wo der Dichter des „Skizzenbuches“ (Berlin, G. Reimer, 1830), dessen poetischer Theil im Jahre 1840 vielfach vermehrt bei J. G. Cotta neu herausgegeben worden war, in dem Professor an der Kunstakademie und vortragenden Rath des Cultus- und Unterrichts-Ministeriums noch einmal sich regte und eine Zeitlang alle wissenschaftlichen Aufgaben zurückdrängte. Es war freilich nicht mehr der Lyriker, der „An der Saale hellem Strande“ gesungen hatte, in jener schönen volksthümlichen Ungebundenheit, träumerischen Jugendlust und dem Hauch von tändelnder Schwermuth, der den letzten Romantikern eigen ist. Die Uebung, hartes Holz zu schnitzen, die Fülle von historischem Wissen, die in seinem Geiste sich zu scharf begrenzten Umrissen zusammengeschlossen hatte, endlich die männliche Reife des Gemüths und Charakters wiesen den Dichter jetzt an andere Aufgaben. So entstanden in rascher Folge eine Reihe Dramen und Novellen, die im Jahre 1851 und 52 unter dem Titel Belletristische Schriften von Franz Kugler, Stuttgart, Ebner und Seubert, in acht Bändchen erschienen sind und freilich neben den wissenschaftlichen Leistungen ihres Verfassers nur einen Achtungserfolg davontragen konnten. Und doch war, um nur von den beiden Novellenbändchen zu reden, auch hier ein Ton angeschlagen worden, der kräftig und lebensvoll genug war, um fortzuklingen und auf eigenthümliche Weise von Späteren aufgenommen und durchgebildet zu werden. Die Cultur-Novelle, die in unsern Tagen ihr eignes Gepräge gewonnen hat, lag hier nicht nur im Keim, sondern war bereits mit künstlerischem Bewußtsein entfaltet und gleichsam als ein Erker an dem gewaltigen Bau der Kunstgeschichte angeschlossen. Schon das Inhaltsverzeichniß zeugt dafür, daß der Erzähler durch den Forscher angeregt worden war: Werner von Tegernsee — Novelle vom Meister Zingaro — Tizian's Tochter (ein höchst anmuthiges Phantasiestück) — der Etruskerkönig — Die Incantada — Genesius (jener römische Schauspieler, der sich mitten in einer das Christenthum persiflirenden Maskenkomödie als Christen bekennt und den Märtyrertod erleidet) — ein <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0006"/> oft von außen gehemmte geistige Kraft in der Kunstverwaltung des preußischen Staates. In den Jahren 1848 bis gegen 1851 war es, wo der Dichter des „Skizzenbuches“ (Berlin, G. Reimer, 1830), dessen poetischer Theil im Jahre 1840 vielfach vermehrt bei J. G. Cotta neu herausgegeben worden war, in dem Professor an der Kunstakademie und vortragenden Rath des Cultus- und Unterrichts-Ministeriums noch einmal sich regte und eine Zeitlang alle wissenschaftlichen Aufgaben zurückdrängte. Es war freilich nicht mehr der Lyriker, der „An der Saale hellem Strande“ gesungen hatte, in jener schönen volksthümlichen Ungebundenheit, träumerischen Jugendlust und dem Hauch von tändelnder Schwermuth, der den letzten Romantikern eigen ist. Die Uebung, hartes Holz zu schnitzen, die Fülle von historischem Wissen, die in seinem Geiste sich zu scharf begrenzten Umrissen zusammengeschlossen hatte, endlich die männliche Reife des Gemüths und Charakters wiesen den Dichter jetzt an andere Aufgaben. So entstanden in rascher Folge eine Reihe Dramen und Novellen, die im Jahre 1851 und 52 unter dem Titel Belletristische Schriften von Franz Kugler, Stuttgart, Ebner und Seubert, in acht Bändchen erschienen sind und freilich neben den wissenschaftlichen Leistungen ihres Verfassers nur einen Achtungserfolg davontragen konnten.</p><lb/> <p>Und doch war, um nur von den beiden Novellenbändchen zu reden, auch hier ein Ton angeschlagen worden, der kräftig und lebensvoll genug war, um fortzuklingen und auf eigenthümliche Weise von Späteren aufgenommen und durchgebildet zu werden. Die Cultur-Novelle, die in unsern Tagen ihr eignes Gepräge gewonnen hat, lag hier nicht nur im Keim, sondern war bereits mit künstlerischem Bewußtsein entfaltet und gleichsam als ein Erker an dem gewaltigen Bau der Kunstgeschichte angeschlossen. Schon das Inhaltsverzeichniß zeugt dafür, daß der Erzähler durch den Forscher angeregt worden war: Werner von Tegernsee — Novelle vom Meister Zingaro — Tizian's Tochter (ein höchst anmuthiges Phantasiestück) — der Etruskerkönig — Die Incantada — Genesius (jener römische Schauspieler, der sich mitten in einer das Christenthum persiflirenden Maskenkomödie als Christen bekennt und den Märtyrertod erleidet) — ein<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0006]
oft von außen gehemmte geistige Kraft in der Kunstverwaltung des preußischen Staates. In den Jahren 1848 bis gegen 1851 war es, wo der Dichter des „Skizzenbuches“ (Berlin, G. Reimer, 1830), dessen poetischer Theil im Jahre 1840 vielfach vermehrt bei J. G. Cotta neu herausgegeben worden war, in dem Professor an der Kunstakademie und vortragenden Rath des Cultus- und Unterrichts-Ministeriums noch einmal sich regte und eine Zeitlang alle wissenschaftlichen Aufgaben zurückdrängte. Es war freilich nicht mehr der Lyriker, der „An der Saale hellem Strande“ gesungen hatte, in jener schönen volksthümlichen Ungebundenheit, träumerischen Jugendlust und dem Hauch von tändelnder Schwermuth, der den letzten Romantikern eigen ist. Die Uebung, hartes Holz zu schnitzen, die Fülle von historischem Wissen, die in seinem Geiste sich zu scharf begrenzten Umrissen zusammengeschlossen hatte, endlich die männliche Reife des Gemüths und Charakters wiesen den Dichter jetzt an andere Aufgaben. So entstanden in rascher Folge eine Reihe Dramen und Novellen, die im Jahre 1851 und 52 unter dem Titel Belletristische Schriften von Franz Kugler, Stuttgart, Ebner und Seubert, in acht Bändchen erschienen sind und freilich neben den wissenschaftlichen Leistungen ihres Verfassers nur einen Achtungserfolg davontragen konnten.
Und doch war, um nur von den beiden Novellenbändchen zu reden, auch hier ein Ton angeschlagen worden, der kräftig und lebensvoll genug war, um fortzuklingen und auf eigenthümliche Weise von Späteren aufgenommen und durchgebildet zu werden. Die Cultur-Novelle, die in unsern Tagen ihr eignes Gepräge gewonnen hat, lag hier nicht nur im Keim, sondern war bereits mit künstlerischem Bewußtsein entfaltet und gleichsam als ein Erker an dem gewaltigen Bau der Kunstgeschichte angeschlossen. Schon das Inhaltsverzeichniß zeugt dafür, daß der Erzähler durch den Forscher angeregt worden war: Werner von Tegernsee — Novelle vom Meister Zingaro — Tizian's Tochter (ein höchst anmuthiges Phantasiestück) — der Etruskerkönig — Die Incantada — Genesius (jener römische Schauspieler, der sich mitten in einer das Christenthum persiflirenden Maskenkomödie als Christen bekennt und den Märtyrertod erleidet) — ein
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