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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schlug sie ihr Schürzchen vors Gesicht und bekämpfte ein lautes Schluchzen.

Der Gast wurde aufmerksam und fragte theilnehmend.

Das ist eine Sach'! gab der Sprecher niedergeschlagen Bescheid. Der Vater ist schon seit dem letzten Markttag vom Hause, aber unsre Leute, die von Liebstadt zurückkommen, sagen alle: er wäre nicht mehr dort; Andere behaupten gar, er hätte über Maxen nach Dresden gemacht. Kurz, das arme Nickelchen bildet sich ein, er denke auch nach Amerika.

Das wäre das Schlimmst noch nicht, sagte sein Nachbar, der Flurschütz mit der gespaltenen Oberlippe. Der Bursche bemühte sich um das Köpfchen der Weinenden und that ihr schön.

Was für ein Trost ist das, Er Unflath! fuhr der Junge des Doctors eifersuchtswüthig auf. Da tätschelt er an dem Mädchen herum und sagt ihr, es wäre das Schlimmste noch nicht. Bleib' Er ihr weg mit seiner stinkigen Pfeife, Er hasenschartiges Lutschmaul!

Ein Sturm erhob sich gegen die Dreistigkeit des Fremden, aber der Junge war in seinem Rechte und rief dazwischen: Seht ihr denn nicht, daß er ihr das Busentuch angezündet hat, der Platsch? und ritterlich genug ergriff er ein Glas Wasser und sprengte den Brand aus, ohne den Busen des Mädchens mit der Hand zu berühren.

Rudolf, sagte der Doctor verweisend, man kann aufmerksam sein gegen die Frauen, ohne grob zu sein gegen die Männer. Um den gestörten Augenblick zu verwischen, fuhr er fort: Was sagen denn eure Pastoren zu diesem Matzchen?

Wie's eben kommt, antworte der Wortführer. Mancher profitirte wohl selbst davon, wenn's mit der Religion harmonirte. So macht' es der Pastor in

schlug sie ihr Schürzchen vors Gesicht und bekämpfte ein lautes Schluchzen.

Der Gast wurde aufmerksam und fragte theilnehmend.

Das ist eine Sach'! gab der Sprecher niedergeschlagen Bescheid. Der Vater ist schon seit dem letzten Markttag vom Hause, aber unsre Leute, die von Liebstadt zurückkommen, sagen alle: er wäre nicht mehr dort; Andere behaupten gar, er hätte über Maxen nach Dresden gemacht. Kurz, das arme Nickelchen bildet sich ein, er denke auch nach Amerika.

Das wäre das Schlimmst noch nicht, sagte sein Nachbar, der Flurschütz mit der gespaltenen Oberlippe. Der Bursche bemühte sich um das Köpfchen der Weinenden und that ihr schön.

Was für ein Trost ist das, Er Unflath! fuhr der Junge des Doctors eifersuchtswüthig auf. Da tätschelt er an dem Mädchen herum und sagt ihr, es wäre das Schlimmste noch nicht. Bleib' Er ihr weg mit seiner stinkigen Pfeife, Er hasenschartiges Lutschmaul!

Ein Sturm erhob sich gegen die Dreistigkeit des Fremden, aber der Junge war in seinem Rechte und rief dazwischen: Seht ihr denn nicht, daß er ihr das Busentuch angezündet hat, der Platsch? und ritterlich genug ergriff er ein Glas Wasser und sprengte den Brand aus, ohne den Busen des Mädchens mit der Hand zu berühren.

Rudolf, sagte der Doctor verweisend, man kann aufmerksam sein gegen die Frauen, ohne grob zu sein gegen die Männer. Um den gestörten Augenblick zu verwischen, fuhr er fort: Was sagen denn eure Pastoren zu diesem Matzchen?

Wie's eben kommt, antworte der Wortführer. Mancher profitirte wohl selbst davon, wenn's mit der Religion harmonirte. So macht' es der Pastor in

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[0013] schlug sie ihr Schürzchen vors Gesicht und bekämpfte ein lautes Schluchzen. Der Gast wurde aufmerksam und fragte theilnehmend. Das ist eine Sach'! gab der Sprecher niedergeschlagen Bescheid. Der Vater ist schon seit dem letzten Markttag vom Hause, aber unsre Leute, die von Liebstadt zurückkommen, sagen alle: er wäre nicht mehr dort; Andere behaupten gar, er hätte über Maxen nach Dresden gemacht. Kurz, das arme Nickelchen bildet sich ein, er denke auch nach Amerika. Das wäre das Schlimmst noch nicht, sagte sein Nachbar, der Flurschütz mit der gespaltenen Oberlippe. Der Bursche bemühte sich um das Köpfchen der Weinenden und that ihr schön. Was für ein Trost ist das, Er Unflath! fuhr der Junge des Doctors eifersuchtswüthig auf. Da tätschelt er an dem Mädchen herum und sagt ihr, es wäre das Schlimmste noch nicht. Bleib' Er ihr weg mit seiner stinkigen Pfeife, Er hasenschartiges Lutschmaul! Ein Sturm erhob sich gegen die Dreistigkeit des Fremden, aber der Junge war in seinem Rechte und rief dazwischen: Seht ihr denn nicht, daß er ihr das Busentuch angezündet hat, der Platsch? und ritterlich genug ergriff er ein Glas Wasser und sprengte den Brand aus, ohne den Busen des Mädchens mit der Hand zu berühren. Rudolf, sagte der Doctor verweisend, man kann aufmerksam sein gegen die Frauen, ohne grob zu sein gegen die Männer. Um den gestörten Augenblick zu verwischen, fuhr er fort: Was sagen denn eure Pastoren zu diesem Matzchen? Wie's eben kommt, antworte der Wortführer. Mancher profitirte wohl selbst davon, wenn's mit der Religion harmonirte. So macht' es der Pastor in

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/13>, abgerufen am 24.11.2024.