vidualisirt, gewissenmaßen in einem scherzhaften Symbol dort ange¬ deutet ist, haben wir nun hier in einer verwandten Weise von unserm Helden zu berichten. Moorfeld vermochte -- wie nur ein paar der wahllosesten Beispiele uns gezeigt haben -- nirgends zum reinen Ge¬ fühle der Größe, die ihn umgab, durchzudringen, weil zwischen ihn und diese Größe immer ein Etwas trat, das ihm die Beleuchtung der¬ selben trübte, profanirte, ja nicht selten sogar in ihr Gegentheil ver¬ wandelte. Bis er nun zum deutlichen Bewußtsein gelangte, daß das ästhetische Medium es war, welches zwischen ihm und Amerika fehlte, glaubte er die Ursache jenes geheimen Mißverständnisses einseitig in sich selbst suchen zu müssen, als ermangelte er der Organe, zu be¬ wundern und zu genießen, was Hunderte vor ihm bewundert und ge¬ nossen zu haben meinten, oder Andere mindestens meinen gemacht. Selbst der physiologische Gedanke trat ihm nahe, ob veränderte Luft und Diät ihn nicht körperlich umgestimmt hätten; kurz wir sehen ihn in einer Gährung, in welcher er mit der Fremde einen durchaus un¬ gleichen und abmüdenden Kampf ringt. Noch können wir diesen Zustand keinen eigentlich unglücklichen nennen, denn er ist kein hoffnungsloser; er weiß, es muß eine Zeit kommen, da es zwischen ihm und dem Lande auf irgend eine Weise zum Durchbruch kommt: aber bis dieser Augenblick reif wird, liegt die Uebergangsperiode dazu mit einer Lähmung, mit einem Gefühle von Schwäche und Selbstverlorenheit auf ihm, das ihn tief melancholisch macht.
Oft weilt er einsiedlerisch zu Hause, oft stürzt er sich in's Straßen- und Hafengewühl: dieses wie jenes ohne Befriedigung. Dabei verfolgt ihn stets die Vorstellung, als gebe es außer dem sichtbaren Volksleben noch ein zweites unsichtbares, das ihm wie hinter einem Vorhange verbor¬ gen sei und dessen Enthüllung beselige. Gewiß liegt's im Urwald dieses Geheimniß von Amerika's Glück und Schönheit -- aber New¬ york, ein Sammelplatz von dreimalhunderttausend Menschen, welche Cultur treiben, sollte nichts davon zu verrathen haben? Im richtigen Winkel gesehen blitzt Thau und Schnee in ein Meer von Demanten auf, außer diesem Winkel sehen wir graue und gefrorene Wassertropfen. Nur ein Ruck, eine Wendung und der Zauber wird rings um ihn auflodern. Dieser Gedanke ist's, der unsern Freund fortwährend neckt, nach jedem Versuche ermüdend, zu jedem Versuch anregend.
vidualiſirt, gewiſſenmaßen in einem ſcherzhaften Symbol dort ange¬ deutet iſt, haben wir nun hier in einer verwandten Weiſe von unſerm Helden zu berichten. Moorfeld vermochte — wie nur ein paar der wahlloſeſten Beiſpiele uns gezeigt haben — nirgends zum reinen Ge¬ fühle der Größe, die ihn umgab, durchzudringen, weil zwiſchen ihn und dieſe Größe immer ein Etwas trat, das ihm die Beleuchtung der¬ ſelben trübte, profanirte, ja nicht ſelten ſogar in ihr Gegentheil ver¬ wandelte. Bis er nun zum deutlichen Bewußtſein gelangte, daß das äſthetiſche Medium es war, welches zwiſchen ihm und Amerika fehlte, glaubte er die Urſache jenes geheimen Mißverſtändniſſes einſeitig in ſich ſelbſt ſuchen zu müſſen, als ermangelte er der Organe, zu be¬ wundern und zu genießen, was Hunderte vor ihm bewundert und ge¬ noſſen zu haben meinten, oder Andere mindeſtens meinen gemacht. Selbſt der phyſiologiſche Gedanke trat ihm nahe, ob veränderte Luft und Diät ihn nicht körperlich umgeſtimmt hätten; kurz wir ſehen ihn in einer Gährung, in welcher er mit der Fremde einen durchaus un¬ gleichen und abmüdenden Kampf ringt. Noch können wir dieſen Zuſtand keinen eigentlich unglücklichen nennen, denn er iſt kein hoffnungsloſer; er weiß, es muß eine Zeit kommen, da es zwiſchen ihm und dem Lande auf irgend eine Weiſe zum Durchbruch kommt: aber bis dieſer Augenblick reif wird, liegt die Uebergangsperiode dazu mit einer Lähmung, mit einem Gefühle von Schwäche und Selbſtverlorenheit auf ihm, das ihn tief melancholiſch macht.
Oft weilt er einſiedleriſch zu Hauſe, oft ſtürzt er ſich in's Straßen- und Hafengewühl: dieſes wie jenes ohne Befriedigung. Dabei verfolgt ihn ſtets die Vorſtellung, als gebe es außer dem ſichtbaren Volksleben noch ein zweites unſichtbares, das ihm wie hinter einem Vorhange verbor¬ gen ſei und deſſen Enthüllung beſelige. Gewiß liegt's im Urwald dieſes Geheimniß von Amerika's Glück und Schönheit — aber New¬ york, ein Sammelplatz von dreimalhunderttauſend Menſchen, welche Cultur treiben, ſollte nichts davon zu verrathen haben? Im richtigen Winkel geſehen blitzt Thau und Schnee in ein Meer von Demanten auf, außer dieſem Winkel ſehen wir graue und gefrorene Waſſertropfen. Nur ein Ruck, eine Wendung und der Zauber wird rings um ihn auflodern. Dieſer Gedanke iſt's, der unſern Freund fortwährend neckt, nach jedem Verſuche ermüdend, zu jedem Verſuch anregend.
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vidualiſirt, gewiſſenmaßen in einem ſcherzhaften Symbol dort ange¬
deutet iſt, haben wir nun hier in einer verwandten Weiſe von unſerm
Helden zu berichten. Moorfeld vermochte — wie nur ein paar der
wahlloſeſten Beiſpiele uns gezeigt haben — nirgends zum reinen Ge¬
fühle der Größe, die ihn umgab, durchzudringen, weil zwiſchen ihn
und dieſe Größe immer ein Etwas trat, das ihm die Beleuchtung der¬
ſelben trübte, profanirte, ja nicht ſelten ſogar in ihr Gegentheil ver¬
wandelte. Bis er nun zum deutlichen Bewußtſein gelangte, daß das
äſthetiſche Medium es war, welches zwiſchen ihm und Amerika
fehlte, glaubte er die Urſache jenes geheimen Mißverſtändniſſes einſeitig
in ſich ſelbſt ſuchen zu müſſen, als ermangelte er der Organe, zu be¬
wundern und zu genießen, was Hunderte vor ihm bewundert und ge¬
noſſen zu haben meinten, oder Andere mindeſtens meinen gemacht.
Selbſt der phyſiologiſche Gedanke trat ihm nahe, ob veränderte Luft
und Diät ihn nicht körperlich umgeſtimmt hätten; kurz wir ſehen ihn
in einer Gährung, in welcher er mit der Fremde einen durchaus un¬
gleichen und abmüdenden Kampf ringt. Noch können wir dieſen Zuſtand
keinen eigentlich unglücklichen nennen, denn er iſt kein hoffnungsloſer;
er weiß, es muß eine Zeit kommen, da es zwiſchen ihm und dem
Lande auf irgend eine Weiſe zum Durchbruch kommt: aber bis dieſer
Augenblick reif wird, liegt die Uebergangsperiode dazu mit einer Lähmung,
mit einem Gefühle von Schwäche und Selbſtverlorenheit auf ihm, das
ihn tief melancholiſch macht.
Oft weilt er einſiedleriſch zu Hauſe, oft ſtürzt er ſich in's Straßen-
und Hafengewühl: dieſes wie jenes ohne Befriedigung. Dabei verfolgt ihn
ſtets die Vorſtellung, als gebe es außer dem ſichtbaren Volksleben noch
ein zweites unſichtbares, das ihm wie hinter einem Vorhange verbor¬
gen ſei und deſſen Enthüllung beſelige. Gewiß liegt's im Urwald
dieſes Geheimniß von Amerika's Glück und Schönheit — aber New¬
york, ein Sammelplatz von dreimalhunderttauſend Menſchen, welche
Cultur treiben, ſollte nichts davon zu verrathen haben? Im richtigen
Winkel geſehen blitzt Thau und Schnee in ein Meer von Demanten
auf, außer dieſem Winkel ſehen wir graue und gefrorene Waſſertropfen.
Nur ein Ruck, eine Wendung und der Zauber wird rings um ihn
auflodern. Dieſer Gedanke iſt's, der unſern Freund fortwährend neckt,
nach jedem Verſuche ermüdend, zu jedem Verſuch anregend.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/98>, abgerufen am 24.11.2024.
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