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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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zu putzen. Er beschäftigte sich anscheinend sehr harmlos damit. Die
Loafers blickten einander an, nickten sich zu, dann standen sie auf und
gingen sittsam zur Thür hinaus.

Der deutsche Kaiser fühlte sich sehr glücklich über die abgewendete
Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Pistolen fast wie lebendige Wesen.
Bronele dagegen erzählte ihm: Diese "Herrenbuben" seien nun schon zum
drittenmal da, und es wäre schändlich! Das hätte sie in Deutschland wissen
sollen! Vorige Woche wäre die Geschichte passirt, da ging ein Mädchen,
dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery.
Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreist. Das
Mädchen aber war längst wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches
Verhältniß mit einem deutschen Maurer, der sie heirathen wollte, dann
sollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute
Arbeit auf die Maurerei ist. Das Mädchen erwehrte sich darum ihres
Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete sie in einen
deutschen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte sie auch
in den Keller, bekam Streit mit den Deutschen und erstach Einen. Das
sei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erst. Die Amerikaner --
man könnte sich's nicht einbilden! -- schrien Zeter über den deutschen
Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu
lassen! Und da wäre ein Gesindel beisammen, es nenne sich Feuer¬
löschcompagnie und der Mörder sei ihr sauberer Hauptmann. Diese
Compagnie habe es durch spitzbübische Advocaten dahin gebracht, daß
derselbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie
hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand
unsers Volks wollten sie die Caution von den deutschen Wirthen zu¬
sammenbringen. Die sollten Buße thun. Sie strichen jetzt durch
ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater
sollte zehn Dollars zahlen. Aber sie wolle Fußschläge haben, wenn
er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe
nichts.

Die anwesenden Gäste waren mehr oder weniger vertraut mit die¬
ser Tagsbegebenheit und tauschten ihrerseits aus, was sie von neueren
Gerüchten und Stadtgesprächen darüber wußten. Das Gastzimmer ge¬
rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter diesen

D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 30

zu putzen. Er beſchäftigte ſich anſcheinend ſehr harmlos damit. Die
Loafers blickten einander an, nickten ſich zu, dann ſtanden ſie auf und
gingen ſittſam zur Thür hinaus.

Der deutſche Kaiſer fühlte ſich ſehr glücklich über die abgewendete
Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Piſtolen faſt wie lebendige Weſen.
Bronele dagegen erzählte ihm: Dieſe „Herrenbuben“ ſeien nun ſchon zum
drittenmal da, und es wäre ſchändlich! Das hätte ſie in Deutſchland wiſſen
ſollen! Vorige Woche wäre die Geſchichte paſſirt, da ging ein Mädchen,
dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery.
Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreiſt. Das
Mädchen aber war längſt wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches
Verhältniß mit einem deutſchen Maurer, der ſie heirathen wollte, dann
ſollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute
Arbeit auf die Maurerei iſt. Das Mädchen erwehrte ſich darum ihres
Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete ſie in einen
deutſchen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte ſie auch
in den Keller, bekam Streit mit den Deutſchen und erſtach Einen. Das
ſei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erſt. Die Amerikaner —
man könnte ſich's nicht einbilden! — ſchrien Zeter über den deutſchen
Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu
laſſen! Und da wäre ein Geſindel beiſammen, es nenne ſich Feuer¬
löſchcompagnie und der Mörder ſei ihr ſauberer Hauptmann. Dieſe
Compagnie habe es durch ſpitzbübiſche Advocaten dahin gebracht, daß
derſelbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie
hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand
unſers Volks wollten ſie die Caution von den deutſchen Wirthen zu¬
ſammenbringen. Die ſollten Buße thun. Sie ſtrichen jetzt durch
ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater
ſollte zehn Dollars zahlen. Aber ſie wolle Fußſchläge haben, wenn
er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe
nichts.

Die anweſenden Gäſte waren mehr oder weniger vertraut mit die¬
ſer Tagsbegebenheit und tauſchten ihrerſeits aus, was ſie von neueren
Gerüchten und Stadtgeſprächen darüber wußten. Das Gaſtzimmer ge¬
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[453/0471] zu putzen. Er beſchäftigte ſich anſcheinend ſehr harmlos damit. Die Loafers blickten einander an, nickten ſich zu, dann ſtanden ſie auf und gingen ſittſam zur Thür hinaus. Der deutſche Kaiſer fühlte ſich ſehr glücklich über die abgewendete Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Piſtolen faſt wie lebendige Weſen. Bronele dagegen erzählte ihm: Dieſe „Herrenbuben“ ſeien nun ſchon zum drittenmal da, und es wäre ſchändlich! Das hätte ſie in Deutſchland wiſſen ſollen! Vorige Woche wäre die Geſchichte paſſirt, da ging ein Mädchen, dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery. Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreiſt. Das Mädchen aber war längſt wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches Verhältniß mit einem deutſchen Maurer, der ſie heirathen wollte, dann ſollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute Arbeit auf die Maurerei iſt. Das Mädchen erwehrte ſich darum ihres Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete ſie in einen deutſchen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte ſie auch in den Keller, bekam Streit mit den Deutſchen und erſtach Einen. Das ſei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erſt. Die Amerikaner — man könnte ſich's nicht einbilden! — ſchrien Zeter über den deutſchen Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu laſſen! Und da wäre ein Geſindel beiſammen, es nenne ſich Feuer¬ löſchcompagnie und der Mörder ſei ihr ſauberer Hauptmann. Dieſe Compagnie habe es durch ſpitzbübiſche Advocaten dahin gebracht, daß derſelbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand unſers Volks wollten ſie die Caution von den deutſchen Wirthen zu¬ ſammenbringen. Die ſollten Buße thun. Sie ſtrichen jetzt durch ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater ſollte zehn Dollars zahlen. Aber ſie wolle Fußſchläge haben, wenn er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe nichts. Die anweſenden Gäſte waren mehr oder weniger vertraut mit die¬ ſer Tagsbegebenheit und tauſchten ihrerſeits aus, was ſie von neueren Gerüchten und Stadtgeſprächen darüber wußten. Das Gaſtzimmer ge¬ rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter dieſen D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 30

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/471>, abgerufen am 23.11.2024.