Was der Franzose sein Pavillon nannte, war eine Erderhebung, die sich wie eine natürliche Terrasse in den See auslud, gekrönt mit einem Hain von prachtvollen Ulmen.
Die Stelle bildete eine kleine Landzunge, aber die Erosion des Sees hatte beide Seiten derselben in tiefen Einschnitten versumpft, den Sumpf jedoch mit einer trügerischen Vegetation von Erlen-, Weiden-, Berberizen- und Thuja-Gestripp so reichlich überwuchert, daß der Reisende, der etwa einen festen Weg durch diese Au-Striche suchte, unfehlbar darin zu Grunde ging. Der Franzose führte Roß und Reiter den einzig praktikablen Zugang, einen kiesigen Pfad, der sanft aufwärts führte und nach einer kurzen Strecke die Spitze der Landzunge er¬ reichte. Diese Spitze war fast ein Vorgebirge.
Der Platz war ungemein wirthlich. Der Wald hatte hier, wo er unmittelbar in den See abstürzte, gleichsam seine trotzigste Kraft zu¬ sammengerafft und auf die Landzungenterrasse eine Fülle seines stol¬ zesten Holzes geworfen. Man stand wie in einer Kammer. Der Franzose hatte den Ausdruck Pavillon kaum scherzweise gebraucht. Er führte seinen Gast, man konnte sagen, in ein geheiztes Cabinet; denn in einem Winkel von drei dicht neben einanderstehenden Ulmen sah Moorfeld ein Feuer lodern, welches eine behagliche Wärme verbreitete. Die Zwischenräume der drei Bäume waren mit Reisig vollgeschichtet, und auf diese Weise eine vollkommen windfeste Wand hergestellt. Auf der andern Seite des Feuers dagegen schloß ein um die Baumstämme gepflöcktes Segeltuch den Raum ein, indeß am Boden ein Teppich aus Büffelhaut ausgespannt lag, hinter welchem ein Erdaufwurf dem darauf Sitzenden sybaritisch zur Rücklehne diente. Das Dach bildeten die zusammengedrängten Ulmenkronen fest und dicht wie ein Gewölbe. In ihren obersten Spitzen hörte man den Sturm rauschen, im See drunten klatschten die brandenden Wellen, -- in der Mitte von Bei¬ den dieser Raum voll Sicherheit war wie ein Ding des Zaubers.
Für die Höhe der Civilisation hat der Rückblick auf ihre Anfänge unter allen Umständen etwas wohlthuend Ergreifendes. Dieser Sänger in diesem Foyer war ein Rendezvous, das unserm Repräsentanten der europäischen Cultur mächtig und freundlich in die Seele griff. Er fühlte es zum erstenmale seit seinem zweitägigen Ritt wie einen Mo¬ ment des Friedens in sich.
Was der Franzoſe ſein Pavillon nannte, war eine Erderhebung, die ſich wie eine natürliche Terraſſe in den See auslud, gekrönt mit einem Hain von prachtvollen Ulmen.
Die Stelle bildete eine kleine Landzunge, aber die Eroſion des Sees hatte beide Seiten derſelben in tiefen Einſchnitten verſumpft, den Sumpf jedoch mit einer trügeriſchen Vegetation von Erlen-, Weiden-, Berberizen- und Thuja-Geſtripp ſo reichlich überwuchert, daß der Reiſende, der etwa einen feſten Weg durch dieſe Au-Striche ſuchte, unfehlbar darin zu Grunde ging. Der Franzoſe führte Roß und Reiter den einzig praktikablen Zugang, einen kieſigen Pfad, der ſanft aufwärts führte und nach einer kurzen Strecke die Spitze der Landzunge er¬ reichte. Dieſe Spitze war faſt ein Vorgebirge.
Der Platz war ungemein wirthlich. Der Wald hatte hier, wo er unmittelbar in den See abſtürzte, gleichſam ſeine trotzigſte Kraft zu¬ ſammengerafft und auf die Landzungenterraſſe eine Fülle ſeines ſtol¬ zeſten Holzes geworfen. Man ſtand wie in einer Kammer. Der Franzoſe hatte den Ausdruck Pavillon kaum ſcherzweiſe gebraucht. Er führte ſeinen Gaſt, man konnte ſagen, in ein geheiztes Cabinet; denn in einem Winkel von drei dicht neben einanderſtehenden Ulmen ſah Moorfeld ein Feuer lodern, welches eine behagliche Wärme verbreitete. Die Zwiſchenräume der drei Bäume waren mit Reiſig vollgeſchichtet, und auf dieſe Weiſe eine vollkommen windfeſte Wand hergeſtellt. Auf der andern Seite des Feuers dagegen ſchloß ein um die Baumſtämme gepflöcktes Segeltuch den Raum ein, indeß am Boden ein Teppich aus Büffelhaut ausgeſpannt lag, hinter welchem ein Erdaufwurf dem darauf Sitzenden ſybaritiſch zur Rücklehne diente. Das Dach bildeten die zuſammengedrängten Ulmenkronen feſt und dicht wie ein Gewölbe. In ihren oberſten Spitzen hörte man den Sturm rauſchen, im See drunten klatſchten die brandenden Wellen, — in der Mitte von Bei¬ den dieſer Raum voll Sicherheit war wie ein Ding des Zaubers.
Für die Höhe der Civiliſation hat der Rückblick auf ihre Anfänge unter allen Umſtänden etwas wohlthuend Ergreifendes. Dieſer Sänger in dieſem Foyer war ein Rendezvous, das unſerm Repräſentanten der europäiſchen Cultur mächtig und freundlich in die Seele griff. Er fühlte es zum erſtenmale ſeit ſeinem zweitägigen Ritt wie einen Mo¬ ment des Friedens in ſich.
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Was der Franzoſe ſein Pavillon nannte, war eine Erderhebung,
die ſich wie eine natürliche Terraſſe in den See auslud, gekrönt mit
einem Hain von prachtvollen Ulmen.
Die Stelle bildete eine kleine Landzunge, aber die Eroſion des
Sees hatte beide Seiten derſelben in tiefen Einſchnitten verſumpft,
den Sumpf jedoch mit einer trügeriſchen Vegetation von Erlen-, Weiden-,
Berberizen- und Thuja-Geſtripp ſo reichlich überwuchert, daß der Reiſende,
der etwa einen feſten Weg durch dieſe Au-Striche ſuchte, unfehlbar
darin zu Grunde ging. Der Franzoſe führte Roß und Reiter den
einzig praktikablen Zugang, einen kieſigen Pfad, der ſanft aufwärts
führte und nach einer kurzen Strecke die Spitze der Landzunge er¬
reichte. Dieſe Spitze war faſt ein Vorgebirge.
Der Platz war ungemein wirthlich. Der Wald hatte hier, wo er
unmittelbar in den See abſtürzte, gleichſam ſeine trotzigſte Kraft zu¬
ſammengerafft und auf die Landzungenterraſſe eine Fülle ſeines ſtol¬
zeſten Holzes geworfen. Man ſtand wie in einer Kammer. Der
Franzoſe hatte den Ausdruck Pavillon kaum ſcherzweiſe gebraucht. Er
führte ſeinen Gaſt, man konnte ſagen, in ein geheiztes Cabinet; denn
in einem Winkel von drei dicht neben einanderſtehenden Ulmen ſah
Moorfeld ein Feuer lodern, welches eine behagliche Wärme verbreitete.
Die Zwiſchenräume der drei Bäume waren mit Reiſig vollgeſchichtet,
und auf dieſe Weiſe eine vollkommen windfeſte Wand hergeſtellt. Auf
der andern Seite des Feuers dagegen ſchloß ein um die Baumſtämme
gepflöcktes Segeltuch den Raum ein, indeß am Boden ein Teppich aus
Büffelhaut ausgeſpannt lag, hinter welchem ein Erdaufwurf dem darauf
Sitzenden ſybaritiſch zur Rücklehne diente. Das Dach bildeten die
zuſammengedrängten Ulmenkronen feſt und dicht wie ein Gewölbe.
In ihren oberſten Spitzen hörte man den Sturm rauſchen, im See
drunten klatſchten die brandenden Wellen, — in der Mitte von Bei¬
den dieſer Raum voll Sicherheit war wie ein Ding des Zaubers.
Für die Höhe der Civiliſation hat der Rückblick auf ihre Anfänge
unter allen Umſtänden etwas wohlthuend Ergreifendes. Dieſer Sänger
in dieſem Foyer war ein Rendezvous, das unſerm Repräſentanten der
europäiſchen Cultur mächtig und freundlich in die Seele griff. Er
fühlte es zum erſtenmale ſeit ſeinem zweitägigen Ritt wie einen Mo¬
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/429>, abgerufen am 24.11.2024.
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