Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Moorfeld lobte das Häubchen im elegantesten Englisch. Er zeich¬
nete der Lady Morgan sogleich auf ein Pergamentblättchen seines
Notizbuches das Muster eines Bonnets von Madame Dasse in Paris
vor, welches kurz vor seiner Abreise nach Ohio den Ton der dies¬
jährigen Saison angegeben. Der Stoff glatter Tüll, erklärte er seine
Zeichnung, rechts eine Bausche mit einigen Rosen, links zwei Mara¬
bouts an die Wange herabfallend, hinten eine weiße Atlasschleife.
Der Fond recht tief am Scheitel zu tragen, mit einer Neigung gegen
die Stirn wäre es provinziell.

Die Lady Morgan maß ihren Gast mit erstaunten Blicken. Aber
Moorfeld beherrschte seine Miene vollkommen. Die Dame merkte
nichts und war ehrlich genug zu seufzen, das reizende Modenbild
werde sich in dieser "verdammten Wildniß" leider nicht wohl präsen¬
tiren lassen. Moorfeld seufzte mit. Er heftete sein Auge mit einem
bedeutungsvollen Ausdruck auf die arme Leidende, und warf, gleichsam
vom Mitgefühl abgepreßt, das Wort hin: Es könnte in Kurzem sich
Vieles ändern in dieser Wildniß. Mrs. Brubacker blickte aufmerksam.
Es ist wahr, es werden neuester Zeit starke Landkäufe hier gemacht,
sagte sie, zweifelhaft was sie eigentlich zu sagen habe. Mein Ankauf
ist nicht der Rede werth, antwortete Moorfeld, ohne Umstände das
Wort auf sich beziehend, und mit der vornehmsten Gleichgiltigkeit. Aber
für eine Probe, fuhr er fort, bedurfte es einstweilen nicht mehr. --
Für eine Probe? Von welcher Probe sprechen Sie, Sir? fragte Mrs.
Brubacker, indem sie anfing ganz so gespannt zu werden, wie Moor¬
feld beabsichtigte. Moorfeld schien zerstreut und tändelte mit dem
Bonnet. Wie hübsch sich das in einem elegant decorirten Salon,
unter strahlenden Girandolen und Candelabern, zur Tanzmusik eines
guten deutschen Orchesters ausnehmen wird! fantasirte er wie im
Traume vor sich hin. Die Farmersfrau machte ungeduldige Bewegun¬
gen. Ihr Geist ist bei deutschen Geigen und Flöten, mein Herr! sagte
sie empfindlich, aber doch nicht ohne ahnungsvolle Aufregung. Ah,
Madame, Sie sind nicht für den Urwald geboren! fuhr Moorfeld
plötzlich auf und sah seine Wirthin mit jener Dreistigkeit an, die den
Cavalier als Galan der Bürgersfrau auszuzeichnen pflegt. Die New¬
yorker Kaufmannstochter hatte darüber auch, wenn nicht ein deutliches
Gefühl, doch eine dunkle Ahnung und versuchte eine Miene aus den

Moorfeld lobte das Häubchen im eleganteſten Engliſch. Er zeich¬
nete der Lady Morgan ſogleich auf ein Pergamentblättchen ſeines
Notizbuches das Muſter eines Bonnets von Madame Daſſe in Paris
vor, welches kurz vor ſeiner Abreiſe nach Ohio den Ton der dies¬
jährigen Saiſon angegeben. Der Stoff glatter Tüll, erklärte er ſeine
Zeichnung, rechts eine Bauſche mit einigen Roſen, links zwei Mara¬
bouts an die Wange herabfallend, hinten eine weiße Atlasſchleife.
Der Fond recht tief am Scheitel zu tragen, mit einer Neigung gegen
die Stirn wäre es provinziell.

Die Lady Morgan maß ihren Gaſt mit erſtaunten Blicken. Aber
Moorfeld beherrſchte ſeine Miene vollkommen. Die Dame merkte
nichts und war ehrlich genug zu ſeufzen, das reizende Modenbild
werde ſich in dieſer „verdammten Wildniß“ leider nicht wohl präſen¬
tiren laſſen. Moorfeld ſeufzte mit. Er heftete ſein Auge mit einem
bedeutungsvollen Ausdruck auf die arme Leidende, und warf, gleichſam
vom Mitgefühl abgepreßt, das Wort hin: Es könnte in Kurzem ſich
Vieles ändern in dieſer Wildniß. Mrs. Brubacker blickte aufmerkſam.
Es iſt wahr, es werden neueſter Zeit ſtarke Landkäufe hier gemacht,
ſagte ſie, zweifelhaft was ſie eigentlich zu ſagen habe. Mein Ankauf
iſt nicht der Rede werth, antwortete Moorfeld, ohne Umſtände das
Wort auf ſich beziehend, und mit der vornehmſten Gleichgiltigkeit. Aber
für eine Probe, fuhr er fort, bedurfte es einſtweilen nicht mehr. —
Für eine Probe? Von welcher Probe ſprechen Sie, Sir? fragte Mrs.
Brubacker, indem ſie anfing ganz ſo geſpannt zu werden, wie Moor¬
feld beabſichtigte. Moorfeld ſchien zerſtreut und tändelte mit dem
Bonnet. Wie hübſch ſich das in einem elegant decorirten Salon,
unter ſtrahlenden Girandolen und Candelabern, zur Tanzmuſik eines
guten deutſchen Orcheſters ausnehmen wird! fantaſirte er wie im
Traume vor ſich hin. Die Farmersfrau machte ungeduldige Bewegun¬
gen. Ihr Geiſt iſt bei deutſchen Geigen und Flöten, mein Herr! ſagte
ſie empfindlich, aber doch nicht ohne ahnungsvolle Aufregung. Ah,
Madame, Sie ſind nicht für den Urwald geboren! fuhr Moorfeld
plötzlich auf und ſah ſeine Wirthin mit jener Dreiſtigkeit an, die den
Cavalier als Galan der Bürgersfrau auszuzeichnen pflegt. Die New¬
yorker Kaufmannstochter hatte darüber auch, wenn nicht ein deutliches
Gefühl, doch eine dunkle Ahnung und verſuchte eine Miene aus den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0360" n="342"/>
          <p>Moorfeld lobte das Häubchen im elegante&#x017F;ten Engli&#x017F;ch. Er zeich¬<lb/>
nete der Lady Morgan &#x017F;ogleich auf ein Pergamentblättchen &#x017F;eines<lb/>
Notizbuches das Mu&#x017F;ter eines Bonnets von Madame Da&#x017F;&#x017F;e in Paris<lb/>
vor, welches kurz vor &#x017F;einer Abrei&#x017F;e nach Ohio den Ton der dies¬<lb/>
jährigen Sai&#x017F;on angegeben. Der Stoff glatter Tüll, erklärte er &#x017F;eine<lb/>
Zeichnung, rechts eine Bau&#x017F;che mit einigen Ro&#x017F;en, links zwei Mara¬<lb/>
bouts an die Wange herabfallend, hinten eine weiße Atlas&#x017F;chleife.<lb/>
Der Fond recht tief am Scheitel zu tragen, mit einer Neigung gegen<lb/>
die Stirn wäre es provinziell.</p><lb/>
          <p>Die Lady Morgan maß ihren Ga&#x017F;t mit er&#x017F;taunten Blicken. Aber<lb/>
Moorfeld beherr&#x017F;chte &#x017F;eine Miene vollkommen. Die Dame merkte<lb/>
nichts und war ehrlich genug zu &#x017F;eufzen, das reizende Modenbild<lb/>
werde &#x017F;ich in die&#x017F;er &#x201E;verdammten Wildniß&#x201C; leider nicht wohl prä&#x017F;en¬<lb/>
tiren la&#x017F;&#x017F;en. Moorfeld &#x017F;eufzte mit. Er heftete &#x017F;ein Auge mit einem<lb/>
bedeutungsvollen Ausdruck auf die arme Leidende, und warf, gleich&#x017F;am<lb/>
vom Mitgefühl abgepreßt, das Wort hin: Es könnte in Kurzem &#x017F;ich<lb/>
Vieles ändern in die&#x017F;er Wildniß. Mrs. Brubacker blickte aufmerk&#x017F;am.<lb/>
Es i&#x017F;t wahr, es werden neue&#x017F;ter Zeit &#x017F;tarke Landkäufe hier gemacht,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, zweifelhaft was &#x017F;ie eigentlich zu &#x017F;agen habe. Mein Ankauf<lb/>
i&#x017F;t nicht der Rede werth, antwortete Moorfeld, ohne Um&#x017F;tände das<lb/>
Wort auf &#x017F;ich beziehend, und mit der vornehm&#x017F;ten Gleichgiltigkeit. Aber<lb/>
für eine <hi rendition="#g">Probe</hi>, fuhr er fort, bedurfte es ein&#x017F;tweilen nicht mehr. &#x2014;<lb/>
Für eine Probe? Von welcher Probe &#x017F;prechen Sie, Sir? fragte Mrs.<lb/>
Brubacker, indem &#x017F;ie anfing ganz &#x017F;o ge&#x017F;pannt zu werden, wie Moor¬<lb/>
feld beab&#x017F;ichtigte. Moorfeld &#x017F;chien zer&#x017F;treut und tändelte mit dem<lb/>
Bonnet. Wie hüb&#x017F;ch &#x017F;ich das in einem elegant decorirten Salon,<lb/>
unter &#x017F;trahlenden Girandolen und Candelabern, zur Tanzmu&#x017F;ik eines<lb/>
guten deut&#x017F;chen Orche&#x017F;ters ausnehmen wird! fanta&#x017F;irte er wie im<lb/>
Traume vor &#x017F;ich hin. Die Farmersfrau machte ungeduldige Bewegun¬<lb/>
gen. Ihr Gei&#x017F;t i&#x017F;t bei deut&#x017F;chen Geigen und Flöten, mein Herr! &#x017F;agte<lb/>
&#x017F;ie empfindlich, aber doch nicht ohne ahnungsvolle Aufregung. Ah,<lb/>
Madame, Sie &#x017F;ind nicht für den Urwald geboren! fuhr Moorfeld<lb/>
plötzlich auf und &#x017F;ah &#x017F;eine Wirthin mit jener Drei&#x017F;tigkeit an, die den<lb/>
Cavalier als Galan der Bürgersfrau auszuzeichnen pflegt. Die New¬<lb/>
yorker Kaufmannstochter hatte darüber auch, wenn nicht ein deutliches<lb/>
Gefühl, doch eine dunkle Ahnung und ver&#x017F;uchte eine Miene aus den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0360] Moorfeld lobte das Häubchen im eleganteſten Engliſch. Er zeich¬ nete der Lady Morgan ſogleich auf ein Pergamentblättchen ſeines Notizbuches das Muſter eines Bonnets von Madame Daſſe in Paris vor, welches kurz vor ſeiner Abreiſe nach Ohio den Ton der dies¬ jährigen Saiſon angegeben. Der Stoff glatter Tüll, erklärte er ſeine Zeichnung, rechts eine Bauſche mit einigen Roſen, links zwei Mara¬ bouts an die Wange herabfallend, hinten eine weiße Atlasſchleife. Der Fond recht tief am Scheitel zu tragen, mit einer Neigung gegen die Stirn wäre es provinziell. Die Lady Morgan maß ihren Gaſt mit erſtaunten Blicken. Aber Moorfeld beherrſchte ſeine Miene vollkommen. Die Dame merkte nichts und war ehrlich genug zu ſeufzen, das reizende Modenbild werde ſich in dieſer „verdammten Wildniß“ leider nicht wohl präſen¬ tiren laſſen. Moorfeld ſeufzte mit. Er heftete ſein Auge mit einem bedeutungsvollen Ausdruck auf die arme Leidende, und warf, gleichſam vom Mitgefühl abgepreßt, das Wort hin: Es könnte in Kurzem ſich Vieles ändern in dieſer Wildniß. Mrs. Brubacker blickte aufmerkſam. Es iſt wahr, es werden neueſter Zeit ſtarke Landkäufe hier gemacht, ſagte ſie, zweifelhaft was ſie eigentlich zu ſagen habe. Mein Ankauf iſt nicht der Rede werth, antwortete Moorfeld, ohne Umſtände das Wort auf ſich beziehend, und mit der vornehmſten Gleichgiltigkeit. Aber für eine Probe, fuhr er fort, bedurfte es einſtweilen nicht mehr. — Für eine Probe? Von welcher Probe ſprechen Sie, Sir? fragte Mrs. Brubacker, indem ſie anfing ganz ſo geſpannt zu werden, wie Moor¬ feld beabſichtigte. Moorfeld ſchien zerſtreut und tändelte mit dem Bonnet. Wie hübſch ſich das in einem elegant decorirten Salon, unter ſtrahlenden Girandolen und Candelabern, zur Tanzmuſik eines guten deutſchen Orcheſters ausnehmen wird! fantaſirte er wie im Traume vor ſich hin. Die Farmersfrau machte ungeduldige Bewegun¬ gen. Ihr Geiſt iſt bei deutſchen Geigen und Flöten, mein Herr! ſagte ſie empfindlich, aber doch nicht ohne ahnungsvolle Aufregung. Ah, Madame, Sie ſind nicht für den Urwald geboren! fuhr Moorfeld plötzlich auf und ſah ſeine Wirthin mit jener Dreiſtigkeit an, die den Cavalier als Galan der Bürgersfrau auszuzeichnen pflegt. Die New¬ yorker Kaufmannstochter hatte darüber auch, wenn nicht ein deutliches Gefühl, doch eine dunkle Ahnung und verſuchte eine Miene aus den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/360
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/360>, abgerufen am 23.11.2024.