Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Furchen des Ackers, die Bewässerungsrinnen der Wiesen gezogen wa¬
ren, der Schwung und Schluß in dem ganzen Feld- und Waldwuchs
umher, das Alles verrieth die Hand, die die Natur nicht beraubt, son¬
dern sinnig pflegt, die deutsche Hand, die das Genie hat, ihre Erde
so zu zieren, wie der Franzose seinen Menschen. Es war nach län¬
gerer Zeit wieder der erste deutsche Farm, der mir begegnete -- der Ge¬
danke, hier Einkehr zu halten, that mir in der Seele wohl. Meines
Wegs zog ein junger Mensch von wohlgefälligem Aeußern. Er saß
ritterlich in seinem Sattel, handhabte volle prächtige Glieder und sah
mit einem warmen, fast schwärmerischen Blick in die Welt hinaus;
mich überraschte seine Jünglingsschönheit. So, dacht' ich, müßten die
Cooper's und Irwing's aussehen, ein gewöhnlicher Amerikaner ist selten
schön; soll er der Sohn jenes Hauses sein, so sei mein Eingang
gesegnet.

Letzteres äußerte ich denn auch, indem ich das Gespräch anknüpfte.

Der Sohn dieses Hauses?! rief er schnell und mit Abscheu, Gott
bewahre mich davor!

Wie so? fragt' ich betreten, ist der Besitzer dieses Landgutes ein
schlechter unmoralischer Mensch?

Nein, war die Antwort.

Dann ist sein ganzes Verbrechen wohl nur, daß er ein Deutscher
ist? erwiderte ich nicht ohne Gereiztheit.

Ja, er ist ein Deutscher! bestätigte der Jüngling, aber mit ei¬
nem unnachahmlichen Zug von Verachtung; auch gebrauchte er nicht
das Wort German, sondern Dutchman.

Mir wallte das Blut, und nur ein Blick in sein schönes Auge
begütigte mich wieder so weit, daß ich dem Verächter mit Mäßigung
seine Gründe abfragen konnte.

Der Jüngling war mir willfährig, obwohl ich zu bemerken glaubte,
daß es mit Widerwillen gegen das, was er zu sprechen hatte, geschah.
Er zog die Zügel an, ließ sein Thier kurzen Schritt gehen und er¬
zählte mir Folgendes:

In Philadelphia war einst eine Schiffsladung von deutschen Pau¬
pers gelandet, unter andern eine Familie, die aus Mann, Frau, zwei
Knaben und einem Mädchen bestand. Sie wurden auf zeitweilige
Dienstbarkeit versteigert, wie es zur Schadloshaltung des Capitäns in

Furchen des Ackers, die Bewäſſerungsrinnen der Wieſen gezogen wa¬
ren, der Schwung und Schluß in dem ganzen Feld- und Waldwuchs
umher, das Alles verrieth die Hand, die die Natur nicht beraubt, ſon¬
dern ſinnig pflegt, die deutſche Hand, die das Genie hat, ihre Erde
ſo zu zieren, wie der Franzoſe ſeinen Menſchen. Es war nach län¬
gerer Zeit wieder der erſte deutſche Farm, der mir begegnete — der Ge¬
danke, hier Einkehr zu halten, that mir in der Seele wohl. Meines
Wegs zog ein junger Menſch von wohlgefälligem Aeußern. Er ſaß
ritterlich in ſeinem Sattel, handhabte volle prächtige Glieder und ſah
mit einem warmen, faſt ſchwärmeriſchen Blick in die Welt hinaus;
mich überraſchte ſeine Jünglingsſchönheit. So, dacht' ich, müßten die
Cooper's und Irwing's ausſehen, ein gewöhnlicher Amerikaner iſt ſelten
ſchön; ſoll er der Sohn jenes Hauſes ſein, ſo ſei mein Eingang
geſegnet.

Letzteres äußerte ich denn auch, indem ich das Geſpräch anknüpfte.

Der Sohn dieſes Hauſes?! rief er ſchnell und mit Abſcheu, Gott
bewahre mich davor!

Wie ſo? fragt' ich betreten, iſt der Beſitzer dieſes Landgutes ein
ſchlechter unmoraliſcher Menſch?

Nein, war die Antwort.

Dann iſt ſein ganzes Verbrechen wohl nur, daß er ein Deutſcher
iſt? erwiderte ich nicht ohne Gereiztheit.

Ja, er iſt ein Deutſcher! beſtätigte der Jüngling, aber mit ei¬
nem unnachahmlichen Zug von Verachtung; auch gebrauchte er nicht
das Wort German, ſondern Dutchman.

Mir wallte das Blut, und nur ein Blick in ſein ſchönes Auge
begütigte mich wieder ſo weit, daß ich dem Verächter mit Mäßigung
ſeine Gründe abfragen konnte.

Der Jüngling war mir willfährig, obwohl ich zu bemerken glaubte,
daß es mit Widerwillen gegen das, was er zu ſprechen hatte, geſchah.
Er zog die Zügel an, ließ ſein Thier kurzen Schritt gehen und er¬
zählte mir Folgendes:

In Philadelphia war einſt eine Schiffsladung von deutſchen Pau¬
pers gelandet, unter andern eine Familie, die aus Mann, Frau, zwei
Knaben und einem Mädchen beſtand. Sie wurden auf zeitweilige
Dienſtbarkeit verſteigert, wie es zur Schadloshaltung des Capitäns in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0306" n="288"/>
Furchen des Ackers, die Bewä&#x017F;&#x017F;erungsrinnen der Wie&#x017F;en gezogen wa¬<lb/>
ren, der Schwung und Schluß in dem ganzen Feld- und Waldwuchs<lb/>
umher, das Alles verrieth die Hand, die die Natur nicht beraubt, &#x017F;on¬<lb/>
dern &#x017F;innig pflegt, die <hi rendition="#g">deut&#x017F;che</hi> Hand, die das Genie hat, ihre Erde<lb/>
&#x017F;o zu zieren, wie der Franzo&#x017F;e &#x017F;einen Men&#x017F;chen. Es war nach län¬<lb/>
gerer Zeit wieder der er&#x017F;te deut&#x017F;che Farm, der mir begegnete &#x2014; der Ge¬<lb/>
danke, hier Einkehr zu halten, that mir in der Seele wohl. Meines<lb/>
Wegs zog ein junger Men&#x017F;ch von wohlgefälligem Aeußern. Er &#x017F;<lb/>
ritterlich in &#x017F;einem Sattel, handhabte volle prächtige Glieder und &#x017F;ah<lb/>
mit einem warmen, fa&#x017F;t &#x017F;chwärmeri&#x017F;chen Blick in die Welt hinaus;<lb/>
mich überra&#x017F;chte &#x017F;eine Jünglings&#x017F;chönheit. So, dacht' ich, müßten die<lb/>
Cooper's und Irwing's aus&#x017F;ehen, ein gewöhnlicher Amerikaner i&#x017F;t &#x017F;elten<lb/>
&#x017F;chön; &#x017F;oll er der Sohn jenes Hau&#x017F;es &#x017F;ein, &#x017F;o &#x017F;ei mein Eingang<lb/>
ge&#x017F;egnet.</p><lb/>
            <p>Letzteres äußerte ich denn auch, indem ich das Ge&#x017F;präch anknüpfte.</p><lb/>
            <p>Der Sohn die&#x017F;es Hau&#x017F;es?! rief er &#x017F;chnell und mit Ab&#x017F;cheu, Gott<lb/>
bewahre mich davor!</p><lb/>
            <p>Wie &#x017F;o? fragt' ich betreten, i&#x017F;t der Be&#x017F;itzer die&#x017F;es Landgutes ein<lb/>
&#x017F;chlechter unmorali&#x017F;cher Men&#x017F;ch?</p><lb/>
            <p>Nein, war die Antwort.</p><lb/>
            <p>Dann i&#x017F;t &#x017F;ein ganzes Verbrechen wohl nur, daß er ein Deut&#x017F;cher<lb/>
i&#x017F;t? erwiderte ich nicht ohne Gereiztheit.</p><lb/>
            <p>Ja, er i&#x017F;t ein <hi rendition="#g">Deut&#x017F;cher</hi>! be&#x017F;tätigte der Jüngling, aber mit ei¬<lb/>
nem unnachahmlichen Zug von Verachtung; auch gebrauchte er nicht<lb/>
das Wort German, &#x017F;ondern Dutchman.</p><lb/>
            <p>Mir wallte das Blut, und nur ein Blick in &#x017F;ein &#x017F;chönes Auge<lb/>
begütigte mich wieder &#x017F;o weit, daß ich dem Verächter mit Mäßigung<lb/>
&#x017F;eine Gründe abfragen konnte.</p><lb/>
            <p>Der Jüngling war mir willfährig, obwohl ich zu bemerken glaubte,<lb/>
daß es mit Widerwillen gegen das, was er zu &#x017F;prechen hatte, ge&#x017F;chah.<lb/>
Er zog die Zügel an, ließ &#x017F;ein Thier kurzen Schritt gehen und er¬<lb/>
zählte mir Folgendes:</p><lb/>
            <p>In Philadelphia war ein&#x017F;t eine Schiffsladung von deut&#x017F;chen Pau¬<lb/>
pers gelandet, unter andern eine Familie, die aus Mann, Frau, zwei<lb/>
Knaben und einem Mädchen be&#x017F;tand. Sie wurden auf zeitweilige<lb/>
Dien&#x017F;tbarkeit ver&#x017F;teigert, wie es zur Schadloshaltung des Capitäns in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0306] Furchen des Ackers, die Bewäſſerungsrinnen der Wieſen gezogen wa¬ ren, der Schwung und Schluß in dem ganzen Feld- und Waldwuchs umher, das Alles verrieth die Hand, die die Natur nicht beraubt, ſon¬ dern ſinnig pflegt, die deutſche Hand, die das Genie hat, ihre Erde ſo zu zieren, wie der Franzoſe ſeinen Menſchen. Es war nach län¬ gerer Zeit wieder der erſte deutſche Farm, der mir begegnete — der Ge¬ danke, hier Einkehr zu halten, that mir in der Seele wohl. Meines Wegs zog ein junger Menſch von wohlgefälligem Aeußern. Er ſaß ritterlich in ſeinem Sattel, handhabte volle prächtige Glieder und ſah mit einem warmen, faſt ſchwärmeriſchen Blick in die Welt hinaus; mich überraſchte ſeine Jünglingsſchönheit. So, dacht' ich, müßten die Cooper's und Irwing's ausſehen, ein gewöhnlicher Amerikaner iſt ſelten ſchön; ſoll er der Sohn jenes Hauſes ſein, ſo ſei mein Eingang geſegnet. Letzteres äußerte ich denn auch, indem ich das Geſpräch anknüpfte. Der Sohn dieſes Hauſes?! rief er ſchnell und mit Abſcheu, Gott bewahre mich davor! Wie ſo? fragt' ich betreten, iſt der Beſitzer dieſes Landgutes ein ſchlechter unmoraliſcher Menſch? Nein, war die Antwort. Dann iſt ſein ganzes Verbrechen wohl nur, daß er ein Deutſcher iſt? erwiderte ich nicht ohne Gereiztheit. Ja, er iſt ein Deutſcher! beſtätigte der Jüngling, aber mit ei¬ nem unnachahmlichen Zug von Verachtung; auch gebrauchte er nicht das Wort German, ſondern Dutchman. Mir wallte das Blut, und nur ein Blick in ſein ſchönes Auge begütigte mich wieder ſo weit, daß ich dem Verächter mit Mäßigung ſeine Gründe abfragen konnte. Der Jüngling war mir willfährig, obwohl ich zu bemerken glaubte, daß es mit Widerwillen gegen das, was er zu ſprechen hatte, geſchah. Er zog die Zügel an, ließ ſein Thier kurzen Schritt gehen und er¬ zählte mir Folgendes: In Philadelphia war einſt eine Schiffsladung von deutſchen Pau¬ pers gelandet, unter andern eine Familie, die aus Mann, Frau, zwei Knaben und einem Mädchen beſtand. Sie wurden auf zeitweilige Dienſtbarkeit verſteigert, wie es zur Schadloshaltung des Capitäns in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/306
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/306>, abgerufen am 10.05.2024.