Cöleste stand da in tiefe Purpurglut getaucht. Sie stand da in einem Momente ihrer höchsten Mädchen-Schönheit. Freude, Scham, Stolz, der tiefste Kern ihres weiblichen Bewußtseins geschmeichelt, wie es die Galanterie der Alltäglichkeit auch bei geräuschvollerer Ostentation nimmermehr in ihren Mitteln hat -- der ganze Nimbus ihres Ge¬ schlechtes umspielte das reizende Mädchen. Sie wagte nicht zu Moor¬ feld das Auge zu erheben. Er hatte sie erkannt -- der Ton seiner Stimme, der ganze Accent seines Vortrages verrieth ihr's. Und wenn sie jetzt den letzten Schritt nach dem Winkel zurückthat, so geschah es kaum noch im conventionellen Sinne, -- es war der natürliche Aus¬ druck des Augenblicks; sie bebte zurück wie eine Venus verschämt vor ihrer eigenen Schönheit flüchtet.
Die "Cour des Winkels" war jetzt zu Ende. Aber die Snobs waren wüthend. Mr. Howland sann auf eine neue Tücke, seinem Nebenbuhler beizukommen. Und isolirt wie er sich sah, fing er zu decla¬ miren an:
Ich steh' auf hohem Berg' allein --
auf einmal blickte Cöleste auf zu ihm. Der Dandy copirte jetzt ganz Moorfeld's Attitüde von zuvor. Er warf sich in ein Air von Be¬ geisterung, welches das Vorgeben durchschimmern ließ, den dichterischen Ausdruck allegorisch zu gebrauchen, er heftete seinen Blick schwärmerisch auf Cölesten und declamirte aus ihrem Auge heraus:
Ich steh' auf hohem Berg' allein In meinem Schmerz und denke dein; Ein Brünnlein rinnt zu meinem Fuß Und lispelt leis: ich muß, ich muß In's grüne Thal hinab von hier, Dort grüß' ich heimlich sie von dir!
O Brünnlein, Brünnlein hell und klar Gleichst meinen Thränen ganz und gar: Es weint der Berg dich stumm und still Weil noch sein Lenz nicht kommen will; O riesle, riesle fort in's Thal Und sag' ihr das viel tausendmal.
Cöleſte ſtand da in tiefe Purpurglut getaucht. Sie ſtand da in einem Momente ihrer höchſten Mädchen-Schönheit. Freude, Scham, Stolz, der tiefſte Kern ihres weiblichen Bewußtſeins geſchmeichelt, wie es die Galanterie der Alltäglichkeit auch bei geräuſchvollerer Oſtentation nimmermehr in ihren Mitteln hat — der ganze Nimbus ihres Ge¬ ſchlechtes umſpielte das reizende Mädchen. Sie wagte nicht zu Moor¬ feld das Auge zu erheben. Er hatte ſie erkannt — der Ton ſeiner Stimme, der ganze Accent ſeines Vortrages verrieth ihr's. Und wenn ſie jetzt den letzten Schritt nach dem Winkel zurückthat, ſo geſchah es kaum noch im conventionellen Sinne, — es war der natürliche Aus¬ druck des Augenblicks; ſie bebte zurück wie eine Venus verſchämt vor ihrer eigenen Schönheit flüchtet.
Die „Cour des Winkels” war jetzt zu Ende. Aber die Snobs waren wüthend. Mr. Howland ſann auf eine neue Tücke, ſeinem Nebenbuhler beizukommen. Und iſolirt wie er ſich ſah, fing er zu decla¬ miren an:
Ich ſteh' auf hohem Berg' allein —
auf einmal blickte Cöleſte auf zu ihm. Der Dandy copirte jetzt ganz Moorfeld's Attitüde von zuvor. Er warf ſich in ein Air von Be¬ geiſterung, welches das Vorgeben durchſchimmern ließ, den dichteriſchen Ausdruck allegoriſch zu gebrauchen, er heftete ſeinen Blick ſchwärmeriſch auf Cöleſten und declamirte aus ihrem Auge heraus:
Ich ſteh' auf hohem Berg' allein In meinem Schmerz und denke dein; Ein Brünnlein rinnt zu meinem Fuß Und lispelt leis: ich muß, ich muß In's grüne Thal hinab von hier, Dort grüß' ich heimlich ſie von dir!
O Brünnlein, Brünnlein hell und klar Gleichſt meinen Thränen ganz und gar: Es weint der Berg dich ſtumm und ſtill Weil noch ſein Lenz nicht kommen will; O riesle, riesle fort in's Thal Und ſag' ihr das viel tauſendmal.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0265"n="247"/><p>Cöleſte ſtand da in tiefe Purpurglut getaucht. Sie ſtand da in<lb/>
einem Momente ihrer höchſten Mädchen-Schönheit. Freude, Scham,<lb/>
Stolz, der tiefſte Kern ihres weiblichen Bewußtſeins geſchmeichelt, wie<lb/>
es die Galanterie der Alltäglichkeit auch bei geräuſchvollerer Oſtentation<lb/>
nimmermehr in ihren Mitteln hat — der ganze Nimbus ihres Ge¬<lb/>ſchlechtes umſpielte das reizende Mädchen. Sie wagte nicht zu Moor¬<lb/>
feld das Auge zu erheben. Er hatte ſie erkannt — der Ton ſeiner<lb/>
Stimme, der ganze Accent ſeines Vortrages verrieth ihr's. Und wenn<lb/>ſie jetzt den letzten Schritt nach dem Winkel zurückthat, ſo geſchah es<lb/>
kaum noch im conventionellen Sinne, — es war der natürliche Aus¬<lb/>
druck des Augenblicks; ſie bebte zurück wie eine Venus verſchämt vor<lb/>
ihrer eigenen Schönheit flüchtet.</p><lb/><p>Die „Cour des Winkels” war jetzt zu Ende. Aber die Snobs<lb/>
waren wüthend. Mr. Howland ſann auf eine neue Tücke, ſeinem<lb/>
Nebenbuhler beizukommen. Und iſolirt wie er ſich ſah, fing er zu decla¬<lb/>
miren an:<lb/><lgtype="poem"><l>Ich ſteh' auf hohem Berg' allein —</l></lg><lb/>
auf einmal blickte Cöleſte auf zu ihm. Der Dandy copirte jetzt ganz<lb/>
Moorfeld's Attitüde von zuvor. Er warf ſich in ein Air von Be¬<lb/>
geiſterung, welches das Vorgeben durchſchimmern ließ, den dichteriſchen<lb/>
Ausdruck allegoriſch zu gebrauchen, er heftete ſeinen Blick ſchwärmeriſch<lb/>
auf Cöleſten und declamirte aus ihrem Auge heraus:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Ich ſteh' auf hohem Berg' allein</l><lb/><l>In meinem Schmerz und denke dein;</l><lb/><l>Ein Brünnlein rinnt zu meinem Fuß</l><lb/><l>Und lispelt leis: ich muß, ich muß</l><lb/><l>In's grüne Thal hinab von hier,</l><lb/><l>Dort grüß' ich heimlich ſie von dir!</l><lb/></lg><lgn="2"><l>O Brünnlein, Brünnlein hell und klar</l><lb/><l>Gleichſt meinen Thränen ganz und gar:</l><lb/><l>Es weint der Berg dich ſtumm und ſtill</l><lb/><l>Weil noch ſein Lenz nicht kommen will;</l><lb/><l>O riesle, riesle fort in's Thal</l><lb/><l>Und ſag' ihr das viel tauſendmal.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[247/0265]
Cöleſte ſtand da in tiefe Purpurglut getaucht. Sie ſtand da in
einem Momente ihrer höchſten Mädchen-Schönheit. Freude, Scham,
Stolz, der tiefſte Kern ihres weiblichen Bewußtſeins geſchmeichelt, wie
es die Galanterie der Alltäglichkeit auch bei geräuſchvollerer Oſtentation
nimmermehr in ihren Mitteln hat — der ganze Nimbus ihres Ge¬
ſchlechtes umſpielte das reizende Mädchen. Sie wagte nicht zu Moor¬
feld das Auge zu erheben. Er hatte ſie erkannt — der Ton ſeiner
Stimme, der ganze Accent ſeines Vortrages verrieth ihr's. Und wenn
ſie jetzt den letzten Schritt nach dem Winkel zurückthat, ſo geſchah es
kaum noch im conventionellen Sinne, — es war der natürliche Aus¬
druck des Augenblicks; ſie bebte zurück wie eine Venus verſchämt vor
ihrer eigenen Schönheit flüchtet.
Die „Cour des Winkels” war jetzt zu Ende. Aber die Snobs
waren wüthend. Mr. Howland ſann auf eine neue Tücke, ſeinem
Nebenbuhler beizukommen. Und iſolirt wie er ſich ſah, fing er zu decla¬
miren an:
Ich ſteh' auf hohem Berg' allein —
auf einmal blickte Cöleſte auf zu ihm. Der Dandy copirte jetzt ganz
Moorfeld's Attitüde von zuvor. Er warf ſich in ein Air von Be¬
geiſterung, welches das Vorgeben durchſchimmern ließ, den dichteriſchen
Ausdruck allegoriſch zu gebrauchen, er heftete ſeinen Blick ſchwärmeriſch
auf Cöleſten und declamirte aus ihrem Auge heraus:
Ich ſteh' auf hohem Berg' allein
In meinem Schmerz und denke dein;
Ein Brünnlein rinnt zu meinem Fuß
Und lispelt leis: ich muß, ich muß
In's grüne Thal hinab von hier,
Dort grüß' ich heimlich ſie von dir!
O Brünnlein, Brünnlein hell und klar
Gleichſt meinen Thränen ganz und gar:
Es weint der Berg dich ſtumm und ſtill
Weil noch ſein Lenz nicht kommen will;
O riesle, riesle fort in's Thal
Und ſag' ihr das viel tauſendmal.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/265>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.