Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

kleine chinesische Thuja und die königliche Magnolia vermischen nach¬
barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der süßathmende Orangen¬
hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬
büschel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von
Wohlgerüchen. Wasserfälle, die sich unaufhörlich ihr eigenes Grab
wühlen, contrastiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Gischt
fröhlich gegen Himmel spritzen und wetteifern im Aushauch erquickender
Kühle. Dort schlummert ein Wiesengrund sanft in eines Stromes
traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬
bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore
und Dächer; sie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüsse
hinweg, und hängen Blumenbrücken zwischen den dichtbewachsenen Ufern
auf. Mimosenbäume folgen den Windungen mäandrischer Flußränder
und umsäumen sie malerisch mit Doppelcolonnaden: der Abend sinkt
nieder auf sie; sie falten schlaftrunken ihre Blätter zusammen. Seine
Blätter schließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige
Blume, die das Leben bedeutet, das keusche Mysterium der Weiblichkeit.
Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos
herab, -- der Wanderer hält es für eine Geistererscheinung in
Dämmerlüften, aber das Nachtgespenst hat keine Schrecken hier; denn
jeder Lebendige fühlt, dieser Boden müsse noch den abgeschiedenen Geist
festhalten, wie er den genießenden Sinnenmenschen beglückt hat.

Moorfeld hatte im Flusse dieser Schilderung Cölesten ununter¬
brochen ins Auge gesehen und ein leiser, lächelnder Zug sagte das
Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus diesem Auge
heraus und nicht aus einer Reiseerinnerung dichtete, daß sie selbst
das Motiv dieser Arabesken, daß sie selbst Cuba sei.

Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorschrei¬
tenden Bewegungen versucht, aus welchen Cöleste erkannte, daß der
Fremde mit der "Cour des Winkels" bekannt sei. Sie gab unver¬
merkt diesen Bewegungen nach.

Das Alles war stummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die
Beschreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die
Dandies on short allowance gebärdeten sich dabei wie Vergiftete.
Einer derselben (er mochte den Gedanken irgendwo gelesen haben)
antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!

kleine chineſiſche Thuja und die königliche Magnolia vermiſchen nach¬
barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der ſüßathmende Orangen¬
hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬
büſchel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von
Wohlgerüchen. Waſſerfälle, die ſich unaufhörlich ihr eigenes Grab
wühlen, contraſtiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Giſcht
fröhlich gegen Himmel ſpritzen und wetteifern im Aushauch erquickender
Kühle. Dort ſchlummert ein Wieſengrund ſanft in eines Stromes
traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬
bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore
und Dächer; ſie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüſſe
hinweg, und hängen Blumenbrücken zwiſchen den dichtbewachſenen Ufern
auf. Mimoſenbäume folgen den Windungen mäandriſcher Flußränder
und umſäumen ſie maleriſch mit Doppelcolonnaden: der Abend ſinkt
nieder auf ſie; ſie falten ſchlaftrunken ihre Blätter zuſammen. Seine
Blätter ſchließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige
Blume, die das Leben bedeutet, das keuſche Myſterium der Weiblichkeit.
Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos
herab, — der Wanderer hält es für eine Geiſtererſcheinung in
Dämmerlüften, aber das Nachtgeſpenſt hat keine Schrecken hier; denn
jeder Lebendige fühlt, dieſer Boden müſſe noch den abgeſchiedenen Geiſt
feſthalten, wie er den genießenden Sinnenmenſchen beglückt hat.

Moorfeld hatte im Fluſſe dieſer Schilderung Cöleſten ununter¬
brochen ins Auge geſehen und ein leiſer, lächelnder Zug ſagte das
Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus dieſem Auge
heraus und nicht aus einer Reiſeerinnerung dichtete, daß ſie ſelbſt
das Motiv dieſer Arabesken, daß ſie ſelbſt Cuba ſei.

Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorſchrei¬
tenden Bewegungen verſucht, aus welchen Cöleſte erkannte, daß der
Fremde mit der „Cour des Winkels“ bekannt ſei. Sie gab unver¬
merkt dieſen Bewegungen nach.

Das Alles war ſtummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die
Beſchreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die
Dandies on short allowance gebärdeten ſich dabei wie Vergiftete.
Einer derſelben (er mochte den Gedanken irgendwo geleſen haben)
antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="234"/>
kleine chine&#x017F;i&#x017F;che Thuja und die königliche Magnolia vermi&#x017F;chen nach¬<lb/>
barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der &#x017F;üßathmende Orangen¬<lb/>
hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬<lb/>&#x017F;chel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von<lb/>
Wohlgerüchen. Wa&#x017F;&#x017F;erfälle, die &#x017F;ich unaufhörlich ihr eigenes Grab<lb/>
wühlen, contra&#x017F;tiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Gi&#x017F;cht<lb/>
fröhlich gegen Himmel &#x017F;pritzen und wetteifern im Aushauch erquickender<lb/>
Kühle. Dort &#x017F;chlummert ein Wie&#x017F;engrund &#x017F;anft in eines Stromes<lb/>
traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬<lb/>
bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore<lb/>
und Dächer; &#x017F;ie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
hinweg, und hängen Blumenbrücken zwi&#x017F;chen den dichtbewach&#x017F;enen Ufern<lb/>
auf. Mimo&#x017F;enbäume folgen den Windungen mäandri&#x017F;cher Flußränder<lb/>
und um&#x017F;äumen &#x017F;ie maleri&#x017F;ch mit Doppelcolonnaden: der Abend &#x017F;inkt<lb/>
nieder auf &#x017F;ie; &#x017F;ie falten &#x017F;chlaftrunken ihre Blätter zu&#x017F;ammen. Seine<lb/>
Blätter &#x017F;chließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige<lb/>
Blume, die das Leben bedeutet, das keu&#x017F;che My&#x017F;terium der Weiblichkeit.<lb/>
Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos<lb/>
herab, &#x2014; der Wanderer hält es für eine Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinung in<lb/>
Dämmerlüften, aber das Nachtge&#x017F;pen&#x017F;t hat keine Schrecken hier; denn<lb/>
jeder Lebendige fühlt, die&#x017F;er Boden mü&#x017F;&#x017F;e noch den abge&#x017F;chiedenen Gei&#x017F;t<lb/>
fe&#x017F;thalten, wie er den genießenden Sinnenmen&#x017F;chen beglückt hat.</p><lb/>
          <p>Moorfeld hatte im Flu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er Schilderung Cöle&#x017F;ten ununter¬<lb/>
brochen ins Auge ge&#x017F;ehen und ein lei&#x017F;er, lächelnder Zug &#x017F;agte das<lb/>
Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus die&#x017F;em Auge<lb/>
heraus und nicht aus einer Rei&#x017F;eerinnerung dichtete, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Motiv die&#x017F;er Arabesken, daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t Cuba &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vor&#x017F;chrei¬<lb/>
tenden Bewegungen ver&#x017F;ucht, aus welchen Cöle&#x017F;te erkannte, daß der<lb/>
Fremde mit der &#x201E;Cour des Winkels&#x201C; bekannt &#x017F;ei. Sie gab unver¬<lb/>
merkt die&#x017F;en Bewegungen nach.</p><lb/>
          <p>Das Alles war &#x017F;tummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die<lb/>
Be&#x017F;chreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die<lb/><hi rendition="#aq">Dandies on short allowance</hi> gebärdeten &#x017F;ich dabei wie Vergiftete.<lb/>
Einer der&#x017F;elben (er mochte den Gedanken irgendwo gele&#x017F;en haben)<lb/>
antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0252] kleine chineſiſche Thuja und die königliche Magnolia vermiſchen nach¬ barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der ſüßathmende Orangen¬ hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬ büſchel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von Wohlgerüchen. Waſſerfälle, die ſich unaufhörlich ihr eigenes Grab wühlen, contraſtiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Giſcht fröhlich gegen Himmel ſpritzen und wetteifern im Aushauch erquickender Kühle. Dort ſchlummert ein Wieſengrund ſanft in eines Stromes traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬ bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore und Dächer; ſie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüſſe hinweg, und hängen Blumenbrücken zwiſchen den dichtbewachſenen Ufern auf. Mimoſenbäume folgen den Windungen mäandriſcher Flußränder und umſäumen ſie maleriſch mit Doppelcolonnaden: der Abend ſinkt nieder auf ſie; ſie falten ſchlaftrunken ihre Blätter zuſammen. Seine Blätter ſchließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige Blume, die das Leben bedeutet, das keuſche Myſterium der Weiblichkeit. Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos herab, — der Wanderer hält es für eine Geiſtererſcheinung in Dämmerlüften, aber das Nachtgeſpenſt hat keine Schrecken hier; denn jeder Lebendige fühlt, dieſer Boden müſſe noch den abgeſchiedenen Geiſt feſthalten, wie er den genießenden Sinnenmenſchen beglückt hat. Moorfeld hatte im Fluſſe dieſer Schilderung Cöleſten ununter¬ brochen ins Auge geſehen und ein leiſer, lächelnder Zug ſagte das Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus dieſem Auge heraus und nicht aus einer Reiſeerinnerung dichtete, daß ſie ſelbſt das Motiv dieſer Arabesken, daß ſie ſelbſt Cuba ſei. Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorſchrei¬ tenden Bewegungen verſucht, aus welchen Cöleſte erkannte, daß der Fremde mit der „Cour des Winkels“ bekannt ſei. Sie gab unver¬ merkt dieſen Bewegungen nach. Das Alles war ſtummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die Beſchreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die Dandies on short allowance gebärdeten ſich dabei wie Vergiftete. Einer derſelben (er mochte den Gedanken irgendwo geleſen haben) antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/252
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/252>, abgerufen am 23.11.2024.