wie ein Symbol deutend, ruft er aus: Ja, nur Amerika hat Tag, Europa das Phosphorlicht seiner faulenden Stoffe! --
Inzwischen treibt das Fahrzeug dem Lande immer näher. Die Scenen der Bai werden reicher und bunter. Schiffe von allen Grö¬ ßen und Formen -- im Ocean nur durch's Fernrohr gesehen, durch's Sprachrohr angesprochen -- bewundert man jetzt in der Nähe; gleich Delphinenschaaren erfüllten sie zu Hunderten das majestätische Wasser- Bassin. Zwischen ihnen tummeln sich kleine verwegene Ruderboote und verschwinden in jedem Augenblicke aus dem Gesichte, so oft eine frische Brise über den Meeresspiegel haucht. Aber immer sind sie wieder oben, lustig, geschäftig, rastlos wie die Bienen. Es ist auch ein Bienenvolk, das nach Honig ausschwärmt. Die Repporters der Zeitungen sind's, welche meilenweit den einlaufenden Schiffen entgegen¬ kommen. Sie scheinen die Honneurs der neuen Welt zu machen, den Fremden ihre Dienste anzubieten, verfolgen aber nur den Zweck, sich selbst allerlei Seeberichte und Reisenotizen von ihnen einzusammeln. Weniger artig verhüllen ihre Honiggier die Runners, die Clerks der Makler, der Agenten, der Gastwirthe. Zu Ballen und Rießen bom¬ bardiren sie das Schiff mit ihren Annoncen, entern, erstürmen es und möchten es in die Sclaverei ihrer Firma gerne mit den geringst-mög¬ lichen Umständen schleppen. Bei dieser Gelegenheit geht mancher Wahn in die Brüche, daß man sein Englisch in bester Aussprache einstudirt habe. Indeß verständigt man sich doch zuletzt, läßt sich hier in ein Geschäft ein, belegt dort eine Nummer im Gasthaus. Auch unserm Helden präsentirt ein geschäftssüchtiger Runner die Karte seines Hotels. Aber er bringt seine eigene Adresse mit, und dieser Sorge enthoben, wendet er sich von dem Beschwerlichen ab, denn das Einclariren des Schiffes unterhält jetzt seine Aufmerksamkeit. Er ver¬ nimmt die letzten Commando's des Lootsen, das letzte Segel sieht er von den Matrosen beilegen, das Schiff geht vor seine Hafen- Barriere. Ein leiser Schauer durchrieselt ihn, indem die schwere Anker¬ kette über die Winde rasselt. Ach, nur der Reiche reist, gleich dem Elfen Puck "schweifend über Land und Meer" -- aber wie Viele heftet diese Kette bleibend an den Boden, für den sie vielleicht ihr Letztes eingesetzt! Da flattern sie hin Alle mit der gleichen Hoffnung, Jeder mit seinem besonderen Schicksale! Ein Nest voll halbbesiederter
wie ein Symbol deutend, ruft er aus: Ja, nur Amerika hat Tag, Europa das Phosphorlicht ſeiner faulenden Stoffe! —
Inzwiſchen treibt das Fahrzeug dem Lande immer näher. Die Scenen der Bai werden reicher und bunter. Schiffe von allen Grö¬ ßen und Formen — im Ocean nur durch's Fernrohr geſehen, durch's Sprachrohr angeſprochen — bewundert man jetzt in der Nähe; gleich Delphinenſchaaren erfüllten ſie zu Hunderten das majeſtätiſche Waſſer- Baſſin. Zwiſchen ihnen tummeln ſich kleine verwegene Ruderboote und verſchwinden in jedem Augenblicke aus dem Geſichte, ſo oft eine friſche Briſe über den Meeresſpiegel haucht. Aber immer ſind ſie wieder oben, luſtig, geſchäftig, raſtlos wie die Bienen. Es iſt auch ein Bienenvolk, das nach Honig ausſchwärmt. Die Repporters der Zeitungen ſind's, welche meilenweit den einlaufenden Schiffen entgegen¬ kommen. Sie ſcheinen die Honneurs der neuen Welt zu machen, den Fremden ihre Dienſte anzubieten, verfolgen aber nur den Zweck, ſich ſelbſt allerlei Seeberichte und Reiſenotizen von ihnen einzuſammeln. Weniger artig verhüllen ihre Honiggier die Runners, die Clerks der Makler, der Agenten, der Gaſtwirthe. Zu Ballen und Rießen bom¬ bardiren ſie das Schiff mit ihren Annoncen, entern, erſtürmen es und möchten es in die Sclaverei ihrer Firma gerne mit den geringſt-mög¬ lichen Umſtänden ſchleppen. Bei dieſer Gelegenheit geht mancher Wahn in die Brüche, daß man ſein Engliſch in beſter Ausſprache einſtudirt habe. Indeß verſtändigt man ſich doch zuletzt, läßt ſich hier in ein Geſchäft ein, belegt dort eine Nummer im Gaſthaus. Auch unſerm Helden präſentirt ein geſchäftsſüchtiger Runner die Karte ſeines Hotels. Aber er bringt ſeine eigene Adreſſe mit, und dieſer Sorge enthoben, wendet er ſich von dem Beſchwerlichen ab, denn das Einclariren des Schiffes unterhält jetzt ſeine Aufmerkſamkeit. Er ver¬ nimmt die letzten Commando's des Lootſen, das letzte Segel ſieht er von den Matroſen beilegen, das Schiff geht vor ſeine Hafen- Barriere. Ein leiſer Schauer durchrieſelt ihn, indem die ſchwere Anker¬ kette über die Winde raſſelt. Ach, nur der Reiche reist, gleich dem Elfen Puck „ſchweifend über Land und Meer” — aber wie Viele heftet dieſe Kette bleibend an den Boden, für den ſie vielleicht ihr Letztes eingeſetzt! Da flattern ſie hin Alle mit der gleichen Hoffnung, Jeder mit ſeinem beſonderen Schickſale! Ein Neſt voll halbbeſiederter
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wie ein Symbol deutend, ruft er aus: Ja, nur Amerika hat Tag,
Europa das Phosphorlicht ſeiner faulenden Stoffe! —
Inzwiſchen treibt das Fahrzeug dem Lande immer näher. Die
Scenen der Bai werden reicher und bunter. Schiffe von allen Grö¬
ßen und Formen — im Ocean nur durch's Fernrohr geſehen, durch's
Sprachrohr angeſprochen — bewundert man jetzt in der Nähe; gleich
Delphinenſchaaren erfüllten ſie zu Hunderten das majeſtätiſche Waſſer-
Baſſin. Zwiſchen ihnen tummeln ſich kleine verwegene Ruderboote
und verſchwinden in jedem Augenblicke aus dem Geſichte, ſo oft eine
friſche Briſe über den Meeresſpiegel haucht. Aber immer ſind ſie
wieder oben, luſtig, geſchäftig, raſtlos wie die Bienen. Es iſt auch
ein Bienenvolk, das nach Honig ausſchwärmt. Die Repporters der
Zeitungen ſind's, welche meilenweit den einlaufenden Schiffen entgegen¬
kommen. Sie ſcheinen die Honneurs der neuen Welt zu machen, den
Fremden ihre Dienſte anzubieten, verfolgen aber nur den Zweck, ſich
ſelbſt allerlei Seeberichte und Reiſenotizen von ihnen einzuſammeln.
Weniger artig verhüllen ihre Honiggier die Runners, die Clerks der
Makler, der Agenten, der Gaſtwirthe. Zu Ballen und Rießen bom¬
bardiren ſie das Schiff mit ihren Annoncen, entern, erſtürmen es und
möchten es in die Sclaverei ihrer Firma gerne mit den geringſt-mög¬
lichen Umſtänden ſchleppen. Bei dieſer Gelegenheit geht mancher
Wahn in die Brüche, daß man ſein Engliſch in beſter Ausſprache
einſtudirt habe. Indeß verſtändigt man ſich doch zuletzt, läßt ſich hier
in ein Geſchäft ein, belegt dort eine Nummer im Gaſthaus. Auch
unſerm Helden präſentirt ein geſchäftsſüchtiger Runner die Karte
ſeines Hotels. Aber er bringt ſeine eigene Adreſſe mit, und dieſer
Sorge enthoben, wendet er ſich von dem Beſchwerlichen ab, denn das
Einclariren des Schiffes unterhält jetzt ſeine Aufmerkſamkeit. Er ver¬
nimmt die letzten Commando's des Lootſen, das letzte Segel ſieht
er von den Matroſen beilegen, das Schiff geht vor ſeine Hafen-
Barriere. Ein leiſer Schauer durchrieſelt ihn, indem die ſchwere Anker¬
kette über die Winde raſſelt. Ach, nur der Reiche reist, gleich dem
Elfen Puck „ſchweifend über Land und Meer” — aber wie Viele
heftet dieſe Kette bleibend an den Boden, für den ſie vielleicht ihr
Letztes eingeſetzt! Da flattern ſie hin Alle mit der gleichen Hoffnung,
Jeder mit ſeinem beſonderen Schickſale! Ein Neſt voll halbbeſiederter
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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