Thier wohl befinden. Die Thiere erzieht er zu Menschen und die Menschen bringt er einander näher. Letzteres hat ihm so eben meinen Dank erworben; wir wollen Sr. Lordschaft darum mit Anerkennung gedenken. Ich sage, Sr. Lordschaft, und darin liegt meine Erkennt¬ lichkeit schon. Denn eigentlich ist er ein jüngerer Sohn seines Hauses und ein noch jüngerer Sohn der Fortuna, welche seinen Maßstab am grünen Tische einst so verjüngte, daß es Se. Herrlichkeit seitdem vorzog, in unsrer Mushroom-Aristokratie der erste, statt im Londoner-Westend der zweite oder zweihundertste zu sein. Nun, er ist willkommen! Sind wir doch alle ein Volk von Flüchtlingen hier; die politischen Flücht¬ linge des Pharao dürfen auch nicht fehlen. Damit war der Gegen¬ stand, so viel hier nöthig, abgefertigt; das Saitenspiel der Göttin Medisance sollte vorerst nicht weiter ausklingen über dieses dankbare Thema. Moorfeld's Aufmerksamkeit war bei den Kunstsammlungen Bennet's. Er machte auch gar kein Hehl daraus, daß er wie ein Wilder, oder wie ein neugieriges Kind diese Säle durchschreite, er ge¬ nieße wieder das erste jugendliche Gefühl seiner Gesundheit hier; in Newyork lähme der Schlag eine ganze Menschheitsseite, und wirklich sei die Stadt so unbefangen, das Haus Bennet ungefähr wie die Adresse eines berühmten Arztes zu nennen. Die Bevölkerung sei stolz darauf, aber ohne das Gefühl, ähnliche Ehren erwerben zu sollen, jeder Ein¬ zelne bezahle seine ästhetische Schuld höchst sorglos mit einer Anwei¬ sung auf Mr. Bennet. Und doch gab es eine Zeit, antwortete Bennet, indem das geschmeichelte Lächeln seines Antlitzes schnell dem Ernste, ja einem gewissen Zug von Kummer wich, doch gab es eine Zeit, wo die Sache ganz anders lag. Ich habe eine seltsame Position zu meinen Mitbürgern. Sie lieben mich und meine Richtung eigentlich nicht, aber sie schmeichelt ihrem Nationalstolze. Einen guten Ruck zur Versöhnung würde ich vielleicht thun, wenn ich meine Samm¬ lungen geradezu Bennet's Museum oder noch besser amerikanisches Museum taufte. In der That haben mir Wohlmeinende diesen Schritt wiederholt gerathen. Als ob die Cabinetstücke eines Privatmanns zu solchem Titel berechtigt wären! Aber dergleichen bedenkt man hier wenig. Wenn's nur klingt. Und dann bekenn' ich aufrichtig, daß mich die Aussicht disgustirt, einem gewissen Spectakel-Humbug zu ver¬ fallen, den ich von diesen Räumen nicht abhalten könnte, wenn ich
Thier wohl befinden. Die Thiere erzieht er zu Menſchen und die Menſchen bringt er einander näher. Letzteres hat ihm ſo eben meinen Dank erworben; wir wollen Sr. Lordſchaft darum mit Anerkennung gedenken. Ich ſage, Sr. Lordſchaft, und darin liegt meine Erkennt¬ lichkeit ſchon. Denn eigentlich iſt er ein jüngerer Sohn ſeines Hauſes und ein noch jüngerer Sohn der Fortuna, welche ſeinen Maßſtab am grünen Tiſche einſt ſo verjüngte, daß es Se. Herrlichkeit ſeitdem vorzog, in unſrer Mushroom-Ariſtokratie der erſte, ſtatt im Londoner-Weſtend der zweite oder zweihundertſte zu ſein. Nun, er iſt willkommen! Sind wir doch alle ein Volk von Flüchtlingen hier; die politiſchen Flücht¬ linge des Pharao dürfen auch nicht fehlen. Damit war der Gegen¬ ſtand, ſo viel hier nöthig, abgefertigt; das Saitenſpiel der Göttin Mediſance ſollte vorerſt nicht weiter ausklingen über dieſes dankbare Thema. Moorfeld's Aufmerkſamkeit war bei den Kunſtſammlungen Bennet's. Er machte auch gar kein Hehl daraus, daß er wie ein Wilder, oder wie ein neugieriges Kind dieſe Säle durchſchreite, er ge¬ nieße wieder das erſte jugendliche Gefühl ſeiner Geſundheit hier; in Newyork lähme der Schlag eine ganze Menſchheitsſeite, und wirklich ſei die Stadt ſo unbefangen, das Haus Bennet ungefähr wie die Adreſſe eines berühmten Arztes zu nennen. Die Bevölkerung ſei ſtolz darauf, aber ohne das Gefühl, ähnliche Ehren erwerben zu ſollen, jeder Ein¬ zelne bezahle ſeine äſthetiſche Schuld höchſt ſorglos mit einer Anwei¬ ſung auf Mr. Bennet. Und doch gab es eine Zeit, antwortete Bennet, indem das geſchmeichelte Lächeln ſeines Antlitzes ſchnell dem Ernſte, ja einem gewiſſen Zug von Kummer wich, doch gab es eine Zeit, wo die Sache ganz anders lag. Ich habe eine ſeltſame Poſition zu meinen Mitbürgern. Sie lieben mich und meine Richtung eigentlich nicht, aber ſie ſchmeichelt ihrem Nationalſtolze. Einen guten Ruck zur Verſöhnung würde ich vielleicht thun, wenn ich meine Samm¬ lungen geradezu Bennet's Muſeum oder noch beſſer amerikaniſches Muſeum taufte. In der That haben mir Wohlmeinende dieſen Schritt wiederholt gerathen. Als ob die Cabinetſtücke eines Privatmanns zu ſolchem Titel berechtigt wären! Aber dergleichen bedenkt man hier wenig. Wenn's nur klingt. Und dann bekenn' ich aufrichtig, daß mich die Ausſicht disguſtirt, einem gewiſſen Spectakel-Humbug zu ver¬ fallen, den ich von dieſen Räumen nicht abhalten könnte, wenn ich
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Thier wohl befinden. Die Thiere erzieht er zu Menſchen und die
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gedenken. Ich ſage, Sr. Lordſchaft, und darin liegt meine Erkennt¬
lichkeit ſchon. Denn eigentlich iſt er ein jüngerer Sohn ſeines Hauſes
und ein noch jüngerer Sohn der Fortuna, welche ſeinen Maßſtab am
grünen Tiſche einſt ſo verjüngte, daß es Se. Herrlichkeit ſeitdem vorzog,
in unſrer Mushroom-Ariſtokratie der erſte, ſtatt im Londoner-Weſtend
der zweite oder zweihundertſte zu ſein. Nun, er iſt willkommen! Sind
wir doch alle ein Volk von Flüchtlingen hier; die politiſchen Flücht¬
linge des Pharao dürfen auch nicht fehlen. Damit war der Gegen¬
ſtand, ſo viel hier nöthig, abgefertigt; das Saitenſpiel der Göttin
Mediſance ſollte vorerſt nicht weiter ausklingen über dieſes dankbare
Thema. Moorfeld's Aufmerkſamkeit war bei den Kunſtſammlungen
Bennet's. Er machte auch gar kein Hehl daraus, daß er wie ein
Wilder, oder wie ein neugieriges Kind dieſe Säle durchſchreite, er ge¬
nieße wieder das erſte jugendliche Gefühl ſeiner Geſundheit hier; in
Newyork lähme der Schlag eine ganze Menſchheitsſeite, und wirklich
ſei die Stadt ſo unbefangen, das Haus Bennet ungefähr wie die Adreſſe
eines berühmten Arztes zu nennen. Die Bevölkerung ſei ſtolz darauf,
aber ohne das Gefühl, ähnliche Ehren erwerben zu ſollen, jeder Ein¬
zelne bezahle ſeine äſthetiſche Schuld höchſt ſorglos mit einer Anwei¬
ſung auf Mr. Bennet. Und doch gab es eine Zeit, antwortete Bennet,
indem das geſchmeichelte Lächeln ſeines Antlitzes ſchnell dem Ernſte,
ja einem gewiſſen Zug von Kummer wich, doch gab es eine Zeit,
wo die Sache ganz anders lag. Ich habe eine ſeltſame Poſition zu
meinen Mitbürgern. Sie lieben mich und meine Richtung eigentlich
nicht, aber ſie ſchmeichelt ihrem Nationalſtolze. Einen guten Ruck
zur Verſöhnung würde ich vielleicht thun, wenn ich meine Samm¬
lungen geradezu Bennet's Muſeum oder noch beſſer amerikaniſches
Muſeum taufte. In der That haben mir Wohlmeinende dieſen Schritt
wiederholt gerathen. Als ob die Cabinetſtücke eines Privatmanns zu
ſolchem Titel berechtigt wären! Aber dergleichen bedenkt man hier
wenig. Wenn's nur klingt. Und dann bekenn' ich aufrichtig, daß
mich die Ausſicht disguſtirt, einem gewiſſen Spectakel-Humbug zu ver¬
fallen, den ich von dieſen Räumen nicht abhalten könnte, wenn ich
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/204>, abgerufen am 22.11.2024.
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