Aber Moorfeld fuhr in seiner Ergriffenheit fort: Und mich wollten Sie geschont haben! Herr, wie spannt sich Ihnen selbst noch eine Ader für das Land, über welches Sie so schreiben konnten?
Weil handeln immer mehr werth ist als schreiben, antwortete Ben¬ thal, und in diesem Lande darf ich handeln.
Dämon von einem Manne! Aber ich begreife Sie doch nicht. Wie sagten Sie gestern? "Amerika's Schönheit ist Amerika's Idee" -- "Washing¬ ton bedeutet höheres als Rom und Athen, es ist das Capitol der Weltfreiheit." -- Und das Alles durften Sie sagen mit diesem Manuscript im Pulte?
Wir bemerken wohl, antwortete Benthal, es ist hier nicht von der nächsten, sondern von der fernen Zukunft Amerika's die Rede. Für unsre Zeiten bleibt die Sternbanner-Republik das Kleinod der Welt. Amerika ist die Baumschule, in welcher die Freiheitsbäume Europa's gezogen werden; Amerika ist die große Cisterne, welche die Erde grün erhält in den Hundstagen des Absolutismus. Diesen Beruf habe ich im Auge, wenn ich spreche wie gestern. Von Amerika's Gegen¬ wart kann ich nicht groß genug denken. Seh ich aber dunkler in Amerika's Zukunft, so benimmt mir das nicht die Spannung mei¬ ner Adern, wie Sie sagen, denn in dieser Zukunft erblicke ich wieder eine andere Größe -- unsre, die deutsche Größe. Das nämlich ist meine Ueberzeugung und mein Wissen, wie ich von den Fingern mei¬ ner Hand, wie ich von den Haaren meines Hauptes weiß: dieses Amerika geht nicht zu Grunde bis Deutschland seine Stuart-Periode durchgekämpft, bis es seine Revolutionen, hinter welchen seine Einheit und Freiheit liegt, vollendet hat. Wie England ein Gefäß des äu¬ ßersten Elends war, als es die Besiegten und Geächteten seiner Bürger¬ kriege an dieses Gestade warf, so kämpft Deutschland dieselbe Ge¬ schichts-Periode heute durch, so werden deutsche Auswanderer jetzt Amerika erfüllen und sich über die angelsächsischen herlagern als eine secundäre über die primäre Schichte. Unser neunzehntes Jahrhundert ist das siebzehnte der Engländer. Deutschland zeugt von heute an keine andere Generationen mehr, als Hambacher Jugend. Die erste, vielleicht auch die zweite wird unterliegen, aber die dritte, längstens die vierte wird uns jenen Zustand erkämpft haben, den in England das Haus Oranien bedeutete. Und wahrlich, so lange kann ich warten. So lange soll deutsches Volksthum in dem Leben, das ich
Aber Moorfeld fuhr in ſeiner Ergriffenheit fort: Und mich wollten Sie geſchont haben! Herr, wie ſpannt ſich Ihnen ſelbſt noch eine Ader für das Land, über welches Sie ſo ſchreiben konnten?
Weil handeln immer mehr werth iſt als ſchreiben, antwortete Ben¬ thal, und in dieſem Lande darf ich handeln.
Dämon von einem Manne! Aber ich begreife Sie doch nicht. Wie ſagten Sie geſtern? „Amerika's Schönheit iſt Amerika's Idee“ — „Waſhing¬ ton bedeutet höheres als Rom und Athen, es iſt das Capitol der Weltfreiheit.“ — Und das Alles durften Sie ſagen mit dieſem Manuſcript im Pulte?
Wir bemerken wohl, antwortete Benthal, es iſt hier nicht von der nächſten, ſondern von der fernen Zukunft Amerika's die Rede. Für unſre Zeiten bleibt die Sternbanner-Republik das Kleinod der Welt. Amerika iſt die Baumſchule, in welcher die Freiheitsbäume Europa's gezogen werden; Amerika iſt die große Ciſterne, welche die Erde grün erhält in den Hundstagen des Abſolutismus. Dieſen Beruf habe ich im Auge, wenn ich ſpreche wie geſtern. Von Amerika's Gegen¬ wart kann ich nicht groß genug denken. Seh ich aber dunkler in Amerika's Zukunft, ſo benimmt mir das nicht die Spannung mei¬ ner Adern, wie Sie ſagen, denn in dieſer Zukunft erblicke ich wieder eine andere Größe — unſre, die deutſche Größe. Das nämlich iſt meine Ueberzeugung und mein Wiſſen, wie ich von den Fingern mei¬ ner Hand, wie ich von den Haaren meines Hauptes weiß: dieſes Amerika geht nicht zu Grunde bis Deutſchland ſeine Stuart-Periode durchgekämpft, bis es ſeine Revolutionen, hinter welchen ſeine Einheit und Freiheit liegt, vollendet hat. Wie England ein Gefäß des äu¬ ßerſten Elends war, als es die Beſiegten und Geächteten ſeiner Bürger¬ kriege an dieſes Geſtade warf, ſo kämpft Deutſchland dieſelbe Ge¬ ſchichts-Periode heute durch, ſo werden deutſche Auswanderer jetzt Amerika erfüllen und ſich über die angelſächſiſchen herlagern als eine ſecundäre über die primäre Schichte. Unſer neunzehntes Jahrhundert iſt das ſiebzehnte der Engländer. Deutſchland zeugt von heute an keine andere Generationen mehr, als Hambacher Jugend. Die erſte, vielleicht auch die zweite wird unterliegen, aber die dritte, längſtens die vierte wird uns jenen Zuſtand erkämpft haben, den in England das Haus Oranien bedeutete. Und wahrlich, ſo lange kann ich warten. So lange ſoll deutſches Volksthum in dem Leben, das ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0193"n="175"/><p>Aber Moorfeld fuhr in ſeiner Ergriffenheit fort: Und <hirendition="#g">mich</hi><lb/>
wollten Sie geſchont haben! Herr, wie ſpannt ſich Ihnen ſelbſt noch<lb/>
eine Ader für das Land, über welches Sie ſo ſchreiben konnten?</p><lb/><p>Weil handeln immer mehr werth iſt als ſchreiben, antwortete Ben¬<lb/>
thal, und in dieſem Lande darf ich handeln.</p><lb/><p>Dämon von einem <hirendition="#g">Manne</hi>! Aber ich begreife Sie doch nicht. Wie<lb/>ſagten Sie geſtern? „Amerika's Schönheit iſt Amerika's Idee“—„Waſhing¬<lb/>
ton bedeutet höheres als Rom und Athen, es iſt das Capitol der Weltfreiheit.“<lb/>— Und das Alles durften Sie ſagen mit dieſem Manuſcript im Pulte?</p><lb/><p>Wir bemerken wohl, antwortete Benthal, es iſt hier nicht von der<lb/>
nächſten, ſondern von der fernen Zukunft Amerika's die Rede. Für<lb/>
unſre Zeiten bleibt die Sternbanner-Republik das Kleinod der Welt.<lb/>
Amerika iſt die Baumſchule, in welcher die Freiheitsbäume Europa's<lb/>
gezogen werden; Amerika iſt die große Ciſterne, welche die Erde grün<lb/>
erhält in den Hundstagen des Abſolutismus. Dieſen Beruf habe ich<lb/>
im Auge, wenn ich ſpreche wie geſtern. Von Amerika's <hirendition="#g">Gegen</hi>¬<lb/><hirendition="#g">wart</hi> kann ich nicht groß genug denken. Seh ich aber dunkler in<lb/>
Amerika's <hirendition="#g">Zukunft</hi>, ſo benimmt mir das nicht die Spannung mei¬<lb/>
ner Adern, wie Sie ſagen, denn in dieſer Zukunft erblicke ich wieder<lb/>
eine andere Größe — unſre, die <hirendition="#g">deutſche</hi> Größe. Das nämlich iſt<lb/>
meine Ueberzeugung und mein Wiſſen, wie ich von den Fingern mei¬<lb/>
ner Hand, wie ich von den Haaren meines Hauptes weiß: dieſes<lb/>
Amerika geht nicht zu Grunde bis Deutſchland ſeine Stuart-Periode<lb/>
durchgekämpft, bis es ſeine Revolutionen, hinter welchen ſeine Einheit<lb/>
und Freiheit liegt, vollendet hat. Wie England ein Gefäß des äu¬<lb/>
ßerſten Elends war, als es die Beſiegten und Geächteten ſeiner Bürger¬<lb/>
kriege an dieſes Geſtade warf, ſo kämpft Deutſchland dieſelbe Ge¬<lb/>ſchichts-Periode heute durch, ſo werden deutſche Auswanderer jetzt<lb/>
Amerika erfüllen und ſich über die angelſächſiſchen herlagern als eine<lb/>ſecundäre über die primäre Schichte. Unſer neunzehntes Jahrhundert<lb/>
iſt das ſiebzehnte der Engländer. Deutſchland zeugt von heute an<lb/>
keine andere Generationen mehr, als Hambacher Jugend. Die erſte,<lb/>
vielleicht auch die zweite wird unterliegen, aber die dritte, längſtens<lb/>
die vierte wird uns jenen Zuſtand erkämpft haben, den in England<lb/><hirendition="#g">das Haus Oranien</hi> bedeutete. Und wahrlich, ſo lange kann ich<lb/>
warten. So lange ſoll deutſches Volksthum in dem Leben, das ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0193]
Aber Moorfeld fuhr in ſeiner Ergriffenheit fort: Und mich
wollten Sie geſchont haben! Herr, wie ſpannt ſich Ihnen ſelbſt noch
eine Ader für das Land, über welches Sie ſo ſchreiben konnten?
Weil handeln immer mehr werth iſt als ſchreiben, antwortete Ben¬
thal, und in dieſem Lande darf ich handeln.
Dämon von einem Manne! Aber ich begreife Sie doch nicht. Wie
ſagten Sie geſtern? „Amerika's Schönheit iſt Amerika's Idee“ — „Waſhing¬
ton bedeutet höheres als Rom und Athen, es iſt das Capitol der Weltfreiheit.“
— Und das Alles durften Sie ſagen mit dieſem Manuſcript im Pulte?
Wir bemerken wohl, antwortete Benthal, es iſt hier nicht von der
nächſten, ſondern von der fernen Zukunft Amerika's die Rede. Für
unſre Zeiten bleibt die Sternbanner-Republik das Kleinod der Welt.
Amerika iſt die Baumſchule, in welcher die Freiheitsbäume Europa's
gezogen werden; Amerika iſt die große Ciſterne, welche die Erde grün
erhält in den Hundstagen des Abſolutismus. Dieſen Beruf habe ich
im Auge, wenn ich ſpreche wie geſtern. Von Amerika's Gegen¬
wart kann ich nicht groß genug denken. Seh ich aber dunkler in
Amerika's Zukunft, ſo benimmt mir das nicht die Spannung mei¬
ner Adern, wie Sie ſagen, denn in dieſer Zukunft erblicke ich wieder
eine andere Größe — unſre, die deutſche Größe. Das nämlich iſt
meine Ueberzeugung und mein Wiſſen, wie ich von den Fingern mei¬
ner Hand, wie ich von den Haaren meines Hauptes weiß: dieſes
Amerika geht nicht zu Grunde bis Deutſchland ſeine Stuart-Periode
durchgekämpft, bis es ſeine Revolutionen, hinter welchen ſeine Einheit
und Freiheit liegt, vollendet hat. Wie England ein Gefäß des äu¬
ßerſten Elends war, als es die Beſiegten und Geächteten ſeiner Bürger¬
kriege an dieſes Geſtade warf, ſo kämpft Deutſchland dieſelbe Ge¬
ſchichts-Periode heute durch, ſo werden deutſche Auswanderer jetzt
Amerika erfüllen und ſich über die angelſächſiſchen herlagern als eine
ſecundäre über die primäre Schichte. Unſer neunzehntes Jahrhundert
iſt das ſiebzehnte der Engländer. Deutſchland zeugt von heute an
keine andere Generationen mehr, als Hambacher Jugend. Die erſte,
vielleicht auch die zweite wird unterliegen, aber die dritte, längſtens
die vierte wird uns jenen Zuſtand erkämpft haben, den in England
das Haus Oranien bedeutete. Und wahrlich, ſo lange kann ich
warten. So lange ſoll deutſches Volksthum in dem Leben, das ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/193>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.