Das Programm bestand aus Forderungen einer socialistischen Ar¬ beiter-Organisation. Die Sprache war ohne Schwung und prophe¬ tische Salbung, ohne das Kostüm des europäischen Ikarismus, sie war klar und einfach wie eine Möglichkeit. Und doch war es nichts ge¬ ringeres als eine jener Schuldforderungen der Besitzlosen an die Be¬ sitzenden, welche mit dem Bankerott beantwortet werden. Sie klang aber viel eher wie eine fürstliche Cabinetsordre, welche Degradation verhängt. Sie sprach wie ein trockener Machtgebrauch, wie eine simple Pflichtübung. Es wurde mir sehr leicht, mich zu belehren.
Was sind die Workies?
Die Workies sind eine Verbindung von Arbeitern. Sie sind nicht nur in Newyork, sondern in allen größeren Städten verbreitet. Sie verfügen über eine gut redigirte Presse und über Straßenecken so viel sie deren begehren. Kein Hausbesitzer wagt, ihre Plakate zu beleidigen.
Was fordern die Workies?
Die Workies fordern streng genommen nur Eins: Gleiche und allgemeine Erziehung. Es ist falsch, sagen sie, wenn man behauptet, wir hätten keine privilegirte Aristokratie im Lande. Wir haben viel¬ mehr die gehässigste Sorte derselben, die Aristokratie der Kenntnisse. Wir nennen sie die gehässigste, weil sie vor unsern Augen täglich und stündlich wird und nicht im mildernden Dämmer der Geschichte ge¬ worden ist. Jedes Kind, welches zur Schule geht, begründet sich eine Herrschaft über dasjenige, welches zur Fabrik geht. Der Arbeiter ist von der Gelegenheit höheren Unterrichts abgeschnitten, d. h. er ist von den höheren Staatsämtern ausgeschlossen. Die Staatsämter wer¬ den in der That unter eine kleine Klasse der Gesellschaft vertheilt; diejenigen dagegen, welche die Kraft des Landes ausmachen, gelangen nie zur Aussicht, aus den Regierten unter die Regenten einzutreten. Das ist eine Unvollkommenheit. Diese Unvollkommenheit muß abge¬ stellt werden, erklären die Workies, wenn die Freiheit eines Ameri¬ kaners mehr als ein eitler Schall sein soll. Sie erklären feierlichst nicht eher ruhen zu wollen, als bis jeder Bürger in der Union den¬ selben Grad der Bildung erlange, wie sein Mitbürger. Eh' aber die Workies von diesem Programm die obere Gränze erreichen, begnügen sie sich (und das ist das Bedenkliche an der Sache) mit der untern Gränze. Bis sie in höhere Bildungsregionen aufsteigen, ziehen sie die
Das Programm beſtand aus Forderungen einer ſocialiſtiſchen Ar¬ beiter-Organiſation. Die Sprache war ohne Schwung und prophe¬ tiſche Salbung, ohne das Koſtüm des europäiſchen Ikarismus, ſie war klar und einfach wie eine Möglichkeit. Und doch war es nichts ge¬ ringeres als eine jener Schuldforderungen der Beſitzloſen an die Be¬ ſitzenden, welche mit dem Bankerott beantwortet werden. Sie klang aber viel eher wie eine fürſtliche Cabinetsordre, welche Degradation verhängt. Sie ſprach wie ein trockener Machtgebrauch, wie eine ſimple Pflichtübung. Es wurde mir ſehr leicht, mich zu belehren.
Was ſind die Workies?
Die Workies ſind eine Verbindung von Arbeitern. Sie ſind nicht nur in Newyork, ſondern in allen größeren Städten verbreitet. Sie verfügen über eine gut redigirte Preſſe und über Straßenecken ſo viel ſie deren begehren. Kein Hausbeſitzer wagt, ihre Plakate zu beleidigen.
Was fordern die Workies?
Die Workies fordern ſtreng genommen nur Eins: Gleiche und allgemeine Erziehung. Es iſt falſch, ſagen ſie, wenn man behauptet, wir hätten keine privilegirte Ariſtokratie im Lande. Wir haben viel¬ mehr die gehäſſigſte Sorte derſelben, die Ariſtokratie der Kenntniſſe. Wir nennen ſie die gehäſſigſte, weil ſie vor unſern Augen täglich und ſtündlich wird und nicht im mildernden Dämmer der Geſchichte ge¬ worden iſt. Jedes Kind, welches zur Schule geht, begründet ſich eine Herrſchaft über dasjenige, welches zur Fabrik geht. Der Arbeiter iſt von der Gelegenheit höheren Unterrichts abgeſchnitten, d. h. er iſt von den höheren Staatsämtern ausgeſchloſſen. Die Staatsämter wer¬ den in der That unter eine kleine Klaſſe der Geſellſchaft vertheilt; diejenigen dagegen, welche die Kraft des Landes ausmachen, gelangen nie zur Ausſicht, aus den Regierten unter die Regenten einzutreten. Das iſt eine Unvollkommenheit. Dieſe Unvollkommenheit muß abge¬ ſtellt werden, erklären die Workies, wenn die Freiheit eines Ameri¬ kaners mehr als ein eitler Schall ſein ſoll. Sie erklären feierlichſt nicht eher ruhen zu wollen, als bis jeder Bürger in der Union den¬ ſelben Grad der Bildung erlange, wie ſein Mitbürger. Eh' aber die Workies von dieſem Programm die obere Gränze erreichen, begnügen ſie ſich (und das iſt das Bedenkliche an der Sache) mit der untern Gränze. Bis ſie in höhere Bildungsregionen aufſteigen, ziehen ſie die
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Das Programm beſtand aus Forderungen einer ſocialiſtiſchen Ar¬
beiter-Organiſation. Die Sprache war ohne Schwung und prophe¬
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klar und einfach wie eine Möglichkeit. Und doch war es nichts ge¬
ringeres als eine jener Schuldforderungen der Beſitzloſen an die Be¬
ſitzenden, welche mit dem Bankerott beantwortet werden. Sie klang
aber viel eher wie eine fürſtliche Cabinetsordre, welche Degradation
verhängt. Sie ſprach wie ein trockener Machtgebrauch, wie eine ſimple
Pflichtübung. Es wurde mir ſehr leicht, mich zu belehren.
Was ſind die Workies?
Die Workies ſind eine Verbindung von Arbeitern. Sie ſind
nicht nur in Newyork, ſondern in allen größeren Städten verbreitet.
Sie verfügen über eine gut redigirte Preſſe und über Straßenecken ſo
viel ſie deren begehren. Kein Hausbeſitzer wagt, ihre Plakate zu beleidigen.
Was fordern die Workies?
Die Workies fordern ſtreng genommen nur Eins: Gleiche und
allgemeine Erziehung. Es iſt falſch, ſagen ſie, wenn man behauptet,
wir hätten keine privilegirte Ariſtokratie im Lande. Wir haben viel¬
mehr die gehäſſigſte Sorte derſelben, die Ariſtokratie der Kenntniſſe.
Wir nennen ſie die gehäſſigſte, weil ſie vor unſern Augen täglich und
ſtündlich wird und nicht im mildernden Dämmer der Geſchichte ge¬
worden iſt. Jedes Kind, welches zur Schule geht, begründet ſich
eine Herrſchaft über dasjenige, welches zur Fabrik geht. Der Arbeiter
iſt von der Gelegenheit höheren Unterrichts abgeſchnitten, d. h. er iſt
von den höheren Staatsämtern ausgeſchloſſen. Die Staatsämter wer¬
den in der That unter eine kleine Klaſſe der Geſellſchaft vertheilt;
diejenigen dagegen, welche die Kraft des Landes ausmachen, gelangen
nie zur Ausſicht, aus den Regierten unter die Regenten einzutreten.
Das iſt eine Unvollkommenheit. Dieſe Unvollkommenheit muß abge¬
ſtellt werden, erklären die Workies, wenn die Freiheit eines Ameri¬
kaners mehr als ein eitler Schall ſein ſoll. Sie erklären feierlichſt
nicht eher ruhen zu wollen, als bis jeder Bürger in der Union den¬
ſelben Grad der Bildung erlange, wie ſein Mitbürger. Eh' aber die
Workies von dieſem Programm die obere Gränze erreichen, begnügen
ſie ſich (und das iſt das Bedenkliche an der Sache) mit der untern
Gränze. Bis ſie in höhere Bildungsregionen aufſteigen, ziehen ſie die
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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