vergnügt. Nicht Malvine, Möwe muß sie heißen, sagte er, als er ihr eine Zeitlang so zugesehen. Das Kind reichte ihm die Hand und lächelte ihn freundlich an. Sie schien zu glauben, er habe sie mit einem großen Ehrentitel beschenkt.
Benthal hatte inzwischen einige Octavblätter von feinem Postpapier aus seiner Mappe geholt und leitete jetzt seine Lectüre mit folgenden Worten ein: Eine der ersten Zeitungen Newyorks machte unlängst mit einem Leitartikel Aufsehen, welcher die politische und sociale Entwick¬ lung Amerika's seit dem letzten Kriege behandelte. Der Haufe fand sich von seinem Sclaven, den er die freie Presse nennt, so maßlos darin geschmeichelt, daß der wirklich freie Mann unwillkürlich in Op¬ position dagegen gerieth. Ich will nun eben nicht sagen, daß dies mein Fall war, aber ich fühlte doch mein Recht die Sache auf meine Weise anzuschauen. Genug, die Gelegenheit war mir ein Antrieb, einiges von dem niederzuschreiben, was ich dem Lobredner mündlich entgegnet hätte; da ich aber gern Zwecke vor Augen habe, so schrieb ich gleich auf Postpapier, und werde nun den Artikel, der die hiesige Lynch-Censur doch nicht passiren würde, vielleicht an Cotta für die Augsburger Allgemeine schicken. Ich würde es als eine Art Sühne betrachten für unsre politisch-liberalen Schönfärbereien von weiland. Meine Hambacher Collegen werden freilich wieder einmal Verrath wittern, aber -- amicus Platonis u. s. w.
Moorfeld nickte schweigend vor sich hin. Er saß still und in sich gekehrt. Benthal begann:
"Zur Beurtheilung des Bestandes der nordamerikanischen Gesellschaft.
Als ich vom Havrer Landungsplatze meinen Gang durch Newyork antrat, war die erste Neuigkeit, die mich anzog, ein riesiges Plakat an der Ecke der Greenwich- und Liberty-Street. Ein Verein "the Workies" genannt, lud zu einer Generalversammlung ein. Was sind das für Leute? fragte ich zwei Bürger, welche vorübergingen. Tollhäusler! sagte der Eine, ein Deutscher; Lichtzieher, die Präsidenten werden wollen, lächelte giftig der Andere, ein Amerikaner. Ich aber pflanzte mich auf und studirte nun selbst das jener Einladung beige¬ fügte Programm der Workies.
vergnügt. Nicht Malvine, Möwe muß ſie heißen, ſagte er, als er ihr eine Zeitlang ſo zugeſehen. Das Kind reichte ihm die Hand und lächelte ihn freundlich an. Sie ſchien zu glauben, er habe ſie mit einem großen Ehrentitel beſchenkt.
Benthal hatte inzwiſchen einige Octavblätter von feinem Poſtpapier aus ſeiner Mappe geholt und leitete jetzt ſeine Lectüre mit folgenden Worten ein: Eine der erſten Zeitungen Newyorks machte unlängſt mit einem Leitartikel Aufſehen, welcher die politiſche und ſociale Entwick¬ lung Amerika's ſeit dem letzten Kriege behandelte. Der Haufe fand ſich von ſeinem Sclaven, den er die freie Preſſe nennt, ſo maßlos darin geſchmeichelt, daß der wirklich freie Mann unwillkürlich in Op¬ poſition dagegen gerieth. Ich will nun eben nicht ſagen, daß dies mein Fall war, aber ich fühlte doch mein Recht die Sache auf meine Weiſe anzuſchauen. Genug, die Gelegenheit war mir ein Antrieb, einiges von dem niederzuſchreiben, was ich dem Lobredner mündlich entgegnet hätte; da ich aber gern Zwecke vor Augen habe, ſo ſchrieb ich gleich auf Poſtpapier, und werde nun den Artikel, der die hieſige Lynch-Cenſur doch nicht paſſiren würde, vielleicht an Cotta für die Augsburger Allgemeine ſchicken. Ich würde es als eine Art Sühne betrachten für unſre politiſch-liberalen Schönfärbereien von weiland. Meine Hambacher Collegen werden freilich wieder einmal Verrath wittern, aber — amicus Platonis u. ſ. w.
Moorfeld nickte ſchweigend vor ſich hin. Er ſaß ſtill und in ſich gekehrt. Benthal begann:
„Zur Beurtheilung des Beſtandes der nordamerikaniſchen Geſellſchaft.
Als ich vom Havrer Landungsplatze meinen Gang durch Newyork antrat, war die erſte Neuigkeit, die mich anzog, ein rieſiges Plakat an der Ecke der Greenwich- und Liberty-Street. Ein Verein „the Workies“ genannt, lud zu einer Generalverſammlung ein. Was ſind das für Leute? fragte ich zwei Bürger, welche vorübergingen. Tollhäusler! ſagte der Eine, ein Deutſcher; Lichtzieher, die Präſidenten werden wollen, lächelte giftig der Andere, ein Amerikaner. Ich aber pflanzte mich auf und ſtudirte nun ſelbſt das jener Einladung beige¬ fügte Programm der Workies.
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vergnügt. Nicht Malvine, Möwe muß ſie heißen, ſagte er, als er
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lächelte ihn freundlich an. Sie ſchien zu glauben, er habe ſie mit
einem großen Ehrentitel beſchenkt.
Benthal hatte inzwiſchen einige Octavblätter von feinem Poſtpapier
aus ſeiner Mappe geholt und leitete jetzt ſeine Lectüre mit folgenden
Worten ein: Eine der erſten Zeitungen Newyorks machte unlängſt mit
einem Leitartikel Aufſehen, welcher die politiſche und ſociale Entwick¬
lung Amerika's ſeit dem letzten Kriege behandelte. Der Haufe fand
ſich von ſeinem Sclaven, den er die freie Preſſe nennt, ſo maßlos
darin geſchmeichelt, daß der wirklich freie Mann unwillkürlich in Op¬
poſition dagegen gerieth. Ich will nun eben nicht ſagen, daß dies
mein Fall war, aber ich fühlte doch mein Recht die Sache auf meine
Weiſe anzuſchauen. Genug, die Gelegenheit war mir ein Antrieb,
einiges von dem niederzuſchreiben, was ich dem Lobredner mündlich
entgegnet hätte; da ich aber gern Zwecke vor Augen habe, ſo ſchrieb
ich gleich auf Poſtpapier, und werde nun den Artikel, der die hieſige
Lynch-Cenſur doch nicht paſſiren würde, vielleicht an Cotta für die
Augsburger Allgemeine ſchicken. Ich würde es als eine Art Sühne
betrachten für unſre politiſch-liberalen Schönfärbereien von weiland.
Meine Hambacher Collegen werden freilich wieder einmal Verrath
wittern, aber — amicus Platonis u. ſ. w.
Moorfeld nickte ſchweigend vor ſich hin. Er ſaß ſtill und in ſich
gekehrt. Benthal begann:
„Zur Beurtheilung des Beſtandes der nordamerikaniſchen
Geſellſchaft.
Als ich vom Havrer Landungsplatze meinen Gang durch Newyork
antrat, war die erſte Neuigkeit, die mich anzog, ein rieſiges Plakat an
der Ecke der Greenwich- und Liberty-Street. Ein Verein „the
Workies“ genannt, lud zu einer Generalverſammlung ein. Was
ſind das für Leute? fragte ich zwei Bürger, welche vorübergingen.
Tollhäusler! ſagte der Eine, ein Deutſcher; Lichtzieher, die Präſidenten
werden wollen, lächelte giftig der Andere, ein Amerikaner. Ich aber
pflanzte mich auf und ſtudirte nun ſelbſt das jener Einladung beige¬
fügte Programm der Workies.
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/184>, abgerufen am 22.11.2024.
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