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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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nicht. Sie wissen das besser als ich. Sie haben es gestern so schön
gesagt, daß man in Amerika nur Eins und ein Einziges ist -- ein
Mann! Wohlan, will es dieser Mann statt mit Mr. Mockingbird mit
mir und meinem Urwald versuchen? -- Der Bettler hält Ihnen seinen
Hut hin. Meine Hand, wenn Sie das Gold Ihrer Fähigkeiten drein¬
legen wollen, steht Ihnen stets offen.

Diesmal blickten die Frauen nicht mehr auf, und selbst Benthal
sagte mit niedergeschlagenem Auge: Es läßt Ihnen wohl, Herr Doctor,
mit lachendem Munde Geschichte zu machen. Was Sie da sprechen,
ist so wichtig, daß Prosaiker nicht ermangeln würden, es wirklich wich¬
tig zu traktiren. Aber der höhere Mensch, welcher weiß, daß wir nur
beginnen können, und daß unermeßliche Schicksale weiter führen was
sich aller Voraussicht entzieht, der hat Recht, wenn er seine Saatkörner
auswirft, wie Bonbons im römischen Carneval. Ihre Worte sind das
Signal zu einer neuen Richtung meines Lebens. Sie sind ein Wende¬
punkt in einer oder mehreren Biographien. Daß die Wendung eine
glückliche ist -- wer möchte vor dem Gegenbild von Mr. Mocking¬
bird's Volksschule daran zweifeln? Der Zweifel liegt hier anderswo.
Ich sehe in Ihren Worten allerdings den Hut, den Sie mir hinhalten.
Aber -- soll ich was hineinwerfen, oder -- soll ich was herausholen?
Das ist die Frage hier. Es ist eine Ehren-Frage. Reizend verwirrt,
nehmen sich solche Fragen denn doch auch prosaisch gelöst nicht schlecht aus.

Moorfeld verbiß sein Lächeln, er wußte wohl was er für einen
Charakter vor sich hatte, und war gefaßt darauf, daß ihm ein bischen
Metaphern-Spiel nicht so leicht durchgehen würde. Mit ganz verän¬
dertem Tone sagte er daher: Der Mann, der in Hambach nicht ge¬
fragt hat, ob er in einem Kerker verfaulen wird, sollte in Ohio nicht
fragen, ob er emporblühen wird. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich
muthe Ihnen nicht zu, die Ehre Ihres Unglücks an den nächstbesten
hergelaufenen Freund zu verkaufen. Was Sie der Nation geopfert
haben, darf Ihnen nur die Nation vergüten, und ich habe kein Mandat
von Deutschland. Es ist nicht der Rede werth, was ich Ihnen biete.
Ein paar Kornähren zur Nahrung, ein paar Schafe zur Kleidung
und rings herum starre Wildniß, das ist kein Lebensglück. Halten
Sie es dafür, so setzt dieses Dafürhalten Ihr Verdienst, nicht das meinige.
Sie denken dabei an ihre große Productionskraft, welche die rohe

nicht. Sie wiſſen das beſſer als ich. Sie haben es geſtern ſo ſchön
geſagt, daß man in Amerika nur Eins und ein Einziges iſt — ein
Mann! Wohlan, will es dieſer Mann ſtatt mit Mr. Mockingbird mit
mir und meinem Urwald verſuchen? — Der Bettler hält Ihnen ſeinen
Hut hin. Meine Hand, wenn Sie das Gold Ihrer Fähigkeiten drein¬
legen wollen, ſteht Ihnen ſtets offen.

Diesmal blickten die Frauen nicht mehr auf, und ſelbſt Benthal
ſagte mit niedergeſchlagenem Auge: Es läßt Ihnen wohl, Herr Doctor,
mit lachendem Munde Geſchichte zu machen. Was Sie da ſprechen,
iſt ſo wichtig, daß Proſaiker nicht ermangeln würden, es wirklich wich¬
tig zu traktiren. Aber der höhere Menſch, welcher weiß, daß wir nur
beginnen können, und daß unermeßliche Schickſale weiter führen was
ſich aller Vorausſicht entzieht, der hat Recht, wenn er ſeine Saatkörner
auswirft, wie Bonbons im römiſchen Carneval. Ihre Worte ſind das
Signal zu einer neuen Richtung meines Lebens. Sie ſind ein Wende¬
punkt in einer oder mehreren Biographien. Daß die Wendung eine
glückliche iſt — wer möchte vor dem Gegenbild von Mr. Mocking¬
bird's Volksſchule daran zweifeln? Der Zweifel liegt hier anderswo.
Ich ſehe in Ihren Worten allerdings den Hut, den Sie mir hinhalten.
Aber — ſoll ich was hineinwerfen, oder — ſoll ich was herausholen?
Das iſt die Frage hier. Es iſt eine Ehren-Frage. Reizend verwirrt,
nehmen ſich ſolche Fragen denn doch auch proſaiſch gelöſt nicht ſchlecht aus.

Moorfeld verbiß ſein Lächeln, er wußte wohl was er für einen
Charakter vor ſich hatte, und war gefaßt darauf, daß ihm ein bischen
Metaphern-Spiel nicht ſo leicht durchgehen würde. Mit ganz verän¬
dertem Tone ſagte er daher: Der Mann, der in Hambach nicht ge¬
fragt hat, ob er in einem Kerker verfaulen wird, ſollte in Ohio nicht
fragen, ob er emporblühen wird. Mißverſtehen Sie mich nicht. Ich
muthe Ihnen nicht zu, die Ehre Ihres Unglücks an den nächſtbeſten
hergelaufenen Freund zu verkaufen. Was Sie der Nation geopfert
haben, darf Ihnen nur die Nation vergüten, und ich habe kein Mandat
von Deutſchland. Es iſt nicht der Rede werth, was ich Ihnen biete.
Ein paar Kornähren zur Nahrung, ein paar Schafe zur Kleidung
und rings herum ſtarre Wildniß, das iſt kein Lebensglück. Halten
Sie es dafür, ſo ſetzt dieſes Dafürhalten Ihr Verdienſt, nicht das meinige.
Sie denken dabei an ihre große Productionskraft, welche die rohe

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[162/0180] nicht. Sie wiſſen das beſſer als ich. Sie haben es geſtern ſo ſchön geſagt, daß man in Amerika nur Eins und ein Einziges iſt — ein Mann! Wohlan, will es dieſer Mann ſtatt mit Mr. Mockingbird mit mir und meinem Urwald verſuchen? — Der Bettler hält Ihnen ſeinen Hut hin. Meine Hand, wenn Sie das Gold Ihrer Fähigkeiten drein¬ legen wollen, ſteht Ihnen ſtets offen. Diesmal blickten die Frauen nicht mehr auf, und ſelbſt Benthal ſagte mit niedergeſchlagenem Auge: Es läßt Ihnen wohl, Herr Doctor, mit lachendem Munde Geſchichte zu machen. Was Sie da ſprechen, iſt ſo wichtig, daß Proſaiker nicht ermangeln würden, es wirklich wich¬ tig zu traktiren. Aber der höhere Menſch, welcher weiß, daß wir nur beginnen können, und daß unermeßliche Schickſale weiter führen was ſich aller Vorausſicht entzieht, der hat Recht, wenn er ſeine Saatkörner auswirft, wie Bonbons im römiſchen Carneval. Ihre Worte ſind das Signal zu einer neuen Richtung meines Lebens. Sie ſind ein Wende¬ punkt in einer oder mehreren Biographien. Daß die Wendung eine glückliche iſt — wer möchte vor dem Gegenbild von Mr. Mocking¬ bird's Volksſchule daran zweifeln? Der Zweifel liegt hier anderswo. Ich ſehe in Ihren Worten allerdings den Hut, den Sie mir hinhalten. Aber — ſoll ich was hineinwerfen, oder — ſoll ich was herausholen? Das iſt die Frage hier. Es iſt eine Ehren-Frage. Reizend verwirrt, nehmen ſich ſolche Fragen denn doch auch proſaiſch gelöſt nicht ſchlecht aus. Moorfeld verbiß ſein Lächeln, er wußte wohl was er für einen Charakter vor ſich hatte, und war gefaßt darauf, daß ihm ein bischen Metaphern-Spiel nicht ſo leicht durchgehen würde. Mit ganz verän¬ dertem Tone ſagte er daher: Der Mann, der in Hambach nicht ge¬ fragt hat, ob er in einem Kerker verfaulen wird, ſollte in Ohio nicht fragen, ob er emporblühen wird. Mißverſtehen Sie mich nicht. Ich muthe Ihnen nicht zu, die Ehre Ihres Unglücks an den nächſtbeſten hergelaufenen Freund zu verkaufen. Was Sie der Nation geopfert haben, darf Ihnen nur die Nation vergüten, und ich habe kein Mandat von Deutſchland. Es iſt nicht der Rede werth, was ich Ihnen biete. Ein paar Kornähren zur Nahrung, ein paar Schafe zur Kleidung und rings herum ſtarre Wildniß, das iſt kein Lebensglück. Halten Sie es dafür, ſo ſetzt dieſes Dafürhalten Ihr Verdienſt, nicht das meinige. Sie denken dabei an ihre große Productionskraft, welche die rohe

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/180>, abgerufen am 27.04.2024.