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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

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Nichts wäre falscher als aus diesen Notizen zu schließen" N002
ich hätte eine irgendwie negative Haltung zu meiner Zeit" meinem N003
Leben, meinem Lande" Wer weiß, daß er in einer Übergangszeit lebt, N004
ln der nur die ersten ganz rudimentären Anfänge einer sozialisti- N005
schen Gesellschaft aufgebaut werden, kann nicht viel anderes er- N006
warten, auch wenn sein Zorn gegen alles Palsohe und Schlechte N007
täglich frisch und kraftvoll sein muß, so als ob ihm das alles N008
ln einer Gesellschaftsordnung begegnet, die eigentlich perfekt N009
sein mUßte.

N001
Dresden, 17*1"1969

N001
Binar der vielen unsinnigen "Grundsätze", die hei uns ständig N002
wiederholt werden, ist, daß es bei uns keine antagonistischen N003
Widerspruche gäbe" Das gilt auf gesellschaftlichem Gebiet sicher N004
fUr den vollendeten Sozialismus. Aber davon sind wir noch so un- N005
endlich weit entfernt, und da weiterhin so überaus ungünstige N006
Uberbauzustände bei uns herrschen, so muß man sagen, daß, gemes- N007
sen an den Möglichkeiten der Übergangszeit, es geradezu an ant- N008
agonistischen Widersprüchen wimmelt. Wie kann es auoh anders sein N009
in einem Lande, in dem an die Stelle des demokratischen Zentralis- N010
mus administrative Diktatur tritt, an die Stelle von Vertrauen N011
Entfremdung, an die Stelle von sachlicher Verwaltung Bürokratie, N012
an die Stelle der Identität von Wissen und Macht eins Spaltung N013
von Wissen und Maoht, an die Stelle von Humanität falsch verstan- N014
dene Disziplin und Kritik nur nach unten" Noch tausend solcher N015
vorangehenden Gesellschaftsordnungen eigentümlicher antagonisti- N016
scher Gegensätze könnte man aufzeichnen, antagonistischer Gegen- N017
sätze zwischen den Keimen des Neuen und den gewaltigen Überresten N018
des Alten!

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Nichts wäre falscher als aus diesen Notizen zu schließen« N002
ich hätte eine irgendwie negative Haltung zu meiner Zeit« meinem N003
Leben, meinem Lande» Wer weiß, daß er in einer Übergangszeit lebt, N004
ln der nur die ersten ganz rudimentären Anfänge einer sozialisti- N005
schen Gesellschaft aufgebaut werden, kann nicht viel anderes er- N006
warten, auch wenn sein Zorn gegen alles Palsohe und Schlechte N007
täglich frisch und kraftvoll sein muß, so als ob ihm das alles N008
ln einer Gesellschaftsordnung begegnet, die eigentlich perfekt N009
sein mUßte.

N001
Dresden, 17*1«1969

N001
Binar der vielen unsinnigen "Grundsätze", die hei uns ständig N002
wiederholt werden, ist, daß es bei uns keine antagonistischen N003
Widerspruche gäbe» Das gilt auf gesellschaftlichem Gebiet sicher N004
fUr den vollendeten Sozialismus. Aber davon sind wir noch so un- N005
endlich weit entfernt, und da weiterhin so überaus ungünstige N006
Uberbauzustände bei uns herrschen, so muß man sagen, daß, gemes- N007
sen an den Möglichkeiten der Übergangszeit, es geradezu an ant- N008
agonistischen Widersprüchen wimmelt. Wie kann es auoh anders sein N009
in einem Lande, in dem an die Stelle des demokratischen Zentralis- N010
mus administrative Diktatur tritt, an die Stelle von Vertrauen N011
Entfremdung, an die Stelle von sachlicher Verwaltung Bürokratie, N012
an die Stelle der Identität von Wissen und Macht eins Spaltung N013
von Wissen und Maoht, an die Stelle von Humanität falsch verstan- N014
dene Disziplin und Kritik nur nach unten» Noch tausend solcher N015
vorangehenden Gesellschaftsordnungen eigentümlicher antagonisti- N016
scher Gegensätze könnte man aufzeichnen, antagonistischer Gegen- N017
sätze zwischen den Keimen des Neuen und den gewaltigen Überresten N018
des Alten!

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[7/0399] N001 Nichts wäre falscher als aus diesen Notizen zu schließen« N002 ich hätte eine irgendwie negative Haltung zu meiner Zeit« meinem N003 Leben, meinem Lande» Wer weiß, daß er in einer Übergangszeit lebt, N004 ln der nur die ersten ganz rudimentären Anfänge einer sozialisti- N005 schen Gesellschaft aufgebaut werden, kann nicht viel anderes er- N006 warten, auch wenn sein Zorn gegen alles Palsohe und Schlechte N007 täglich frisch und kraftvoll sein muß, so als ob ihm das alles N008 ln einer Gesellschaftsordnung begegnet, die eigentlich perfekt N009 sein mUßte. N001 Dresden, 17*1«1969 N001 Binar der vielen unsinnigen "Grundsätze", die hei uns ständig N002 wiederholt werden, ist, daß es bei uns keine antagonistischen N003 Widerspruche gäbe» Das gilt auf gesellschaftlichem Gebiet sicher N004 fUr den vollendeten Sozialismus. Aber davon sind wir noch so un- N005 endlich weit entfernt, und da weiterhin so überaus ungünstige N006 Uberbauzustände bei uns herrschen, so muß man sagen, daß, gemes- N007 sen an den Möglichkeiten der Übergangszeit, es geradezu an ant- N008 agonistischen Widersprüchen wimmelt. Wie kann es auoh anders sein N009 in einem Lande, in dem an die Stelle des demokratischen Zentralis- N010 mus administrative Diktatur tritt, an die Stelle von Vertrauen N011 Entfremdung, an die Stelle von sachlicher Verwaltung Bürokratie, N012 an die Stelle der Identität von Wissen und Macht eins Spaltung N013 von Wissen und Maoht, an die Stelle von Humanität falsch verstan- N014 dene Disziplin und Kritik nur nach unten» Noch tausend solcher N015 vorangehenden Gesellschaftsordnungen eigentümlicher antagonisti- N016 scher Gegensätze könnte man aufzeichnen, antagonistischer Gegen- N017 sätze zwischen den Keimen des Neuen und den gewaltigen Überresten N018 des Alten!

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Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/399>, abgerufen am 28.09.2024.