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Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zubeugen, wollen wir Beide in der Nacht ihn hieher durch den Garten in sein Zimmer tragen.

Und so geschah es; der Mond selbst verhüllte sein Antlitz während des traurigen Zuges. Dann wurden die verbrannten Kleidungsstücke beseitigt und die Leiche ins Bett gelegt.

Als Mads allein blieb, betrachtete er mit immer nasseren Augen den Todten. So, so, am Strande, sagte er endlich dumpf. Gott Lob, daß das Denken nicht an mir ist, denn es könnte mich wirr im Kopfe machen. Dort ist es nicht geheuer; allein das Wort des Lieutenants ist mir genug; mir soll die Hölle selbst keine Silbe entreißen.

Den folgenden Morgen hieß es schon überall, daß man den Lieutenant An-- todt von einem Blutsturz im Bette gefunden; der herbeigerufene Arzt sollte es ausgesagt haben. Woldemar fiel es nun anheim, seinen Nachlaß zu ordnen und die Beerdigung zu besorgen. Die Behörden theilten ihm Holger's Testament mit. Er hatte der Braut des Freundes sein nicht unbedeutendes Vermögen vermacht.

Noch denselben Abend, bleich wie eine Leiche, als wäre er seit jener Stunde zehn Jahre älter geworden, trat Woldemar ernst, aber sehr mild in ihr Zimmer.

Sie hatte schon die Trauerbotschaft gehört und sie schmerzlich empfunden, denn Holger war ihr um seiner selbst willen werth; und noch mehr, weil jeder Gegenstand, der dem Geliebten nahe steht, dem Liebenden

zubeugen, wollen wir Beide in der Nacht ihn hieher durch den Garten in sein Zimmer tragen.

Und so geschah es; der Mond selbst verhüllte sein Antlitz während des traurigen Zuges. Dann wurden die verbrannten Kleidungsstücke beseitigt und die Leiche ins Bett gelegt.

Als Mads allein blieb, betrachtete er mit immer nasseren Augen den Todten. So, so, am Strande, sagte er endlich dumpf. Gott Lob, daß das Denken nicht an mir ist, denn es könnte mich wirr im Kopfe machen. Dort ist es nicht geheuer; allein das Wort des Lieutenants ist mir genug; mir soll die Hölle selbst keine Silbe entreißen.

Den folgenden Morgen hieß es schon überall, daß man den Lieutenant An— todt von einem Blutsturz im Bette gefunden; der herbeigerufene Arzt sollte es ausgesagt haben. Woldemar fiel es nun anheim, seinen Nachlaß zu ordnen und die Beerdigung zu besorgen. Die Behörden theilten ihm Holger's Testament mit. Er hatte der Braut des Freundes sein nicht unbedeutendes Vermögen vermacht.

Noch denselben Abend, bleich wie eine Leiche, als wäre er seit jener Stunde zehn Jahre älter geworden, trat Woldemar ernst, aber sehr mild in ihr Zimmer.

Sie hatte schon die Trauerbotschaft gehört und sie schmerzlich empfunden, denn Holger war ihr um seiner selbst willen werth; und noch mehr, weil jeder Gegenstand, der dem Geliebten nahe steht, dem Liebenden

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[0097] zubeugen, wollen wir Beide in der Nacht ihn hieher durch den Garten in sein Zimmer tragen. Und so geschah es; der Mond selbst verhüllte sein Antlitz während des traurigen Zuges. Dann wurden die verbrannten Kleidungsstücke beseitigt und die Leiche ins Bett gelegt. Als Mads allein blieb, betrachtete er mit immer nasseren Augen den Todten. So, so, am Strande, sagte er endlich dumpf. Gott Lob, daß das Denken nicht an mir ist, denn es könnte mich wirr im Kopfe machen. Dort ist es nicht geheuer; allein das Wort des Lieutenants ist mir genug; mir soll die Hölle selbst keine Silbe entreißen. Den folgenden Morgen hieß es schon überall, daß man den Lieutenant An— todt von einem Blutsturz im Bette gefunden; der herbeigerufene Arzt sollte es ausgesagt haben. Woldemar fiel es nun anheim, seinen Nachlaß zu ordnen und die Beerdigung zu besorgen. Die Behörden theilten ihm Holger's Testament mit. Er hatte der Braut des Freundes sein nicht unbedeutendes Vermögen vermacht. Noch denselben Abend, bleich wie eine Leiche, als wäre er seit jener Stunde zehn Jahre älter geworden, trat Woldemar ernst, aber sehr mild in ihr Zimmer. Sie hatte schon die Trauerbotschaft gehört und sie schmerzlich empfunden, denn Holger war ihr um seiner selbst willen werth; und noch mehr, weil jeder Gegenstand, der dem Geliebten nahe steht, dem Liebenden

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/97>, abgerufen am 06.05.2024.