Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

an die Brust und drückte los. Holger lag ohne einen Seufzer in seinen Armen verschieden.

Nach einem flüchtigen düstern Blick auf den einsamen Weg trug Woldemar die Leiche bis vor den Flecken; dann ließ er den Freund hinter das Buschwerk nieder, bedeckte ihn mit dem Mantel und ging in die Stadt nach Holger's Wohnung. Dort rief er Mads.

Dein Lieutenant, flüsterte er, ist plötzlich gestorben. St! mache keinen Lärm.

Habe ich es nicht gedacht? sagte Mads, die Hände faltend.

Wie so?

Seit wir ans Land gekommen sind, hat er sich immer geklagt. Es ist auch kein Wunder, er dachte nie an sich selbst; er sehe einen Blutsturz voraus, sagte er, und hat auch schon sein Testament bei dem Gericht niedergelegt. Wo ist er denn gestorben?

Auf dem Strandwege, erwiderte Woldemar, dessen Gedanken durch Madsens Worte eine bestimmte Richtung nahmen. -- Was er vorausgesehen, ist eingetroffen, obgleich sein Blut nicht so wie du denkst geflossen ist. Allein bist du, wie ich glaube, unsers Vertrauens werth, so laß es dir genug sein, daß er in meinen, in seines Freundes Armen gestorben ist, und grübele nicht über die Wunde, die nur du und ich an seiner Brust erblicken werden. Um jedem Geschwätz vor-

an die Brust und drückte los. Holger lag ohne einen Seufzer in seinen Armen verschieden.

Nach einem flüchtigen düstern Blick auf den einsamen Weg trug Woldemar die Leiche bis vor den Flecken; dann ließ er den Freund hinter das Buschwerk nieder, bedeckte ihn mit dem Mantel und ging in die Stadt nach Holger's Wohnung. Dort rief er Mads.

Dein Lieutenant, flüsterte er, ist plötzlich gestorben. St! mache keinen Lärm.

Habe ich es nicht gedacht? sagte Mads, die Hände faltend.

Wie so?

Seit wir ans Land gekommen sind, hat er sich immer geklagt. Es ist auch kein Wunder, er dachte nie an sich selbst; er sehe einen Blutsturz voraus, sagte er, und hat auch schon sein Testament bei dem Gericht niedergelegt. Wo ist er denn gestorben?

Auf dem Strandwege, erwiderte Woldemar, dessen Gedanken durch Madsens Worte eine bestimmte Richtung nahmen. — Was er vorausgesehen, ist eingetroffen, obgleich sein Blut nicht so wie du denkst geflossen ist. Allein bist du, wie ich glaube, unsers Vertrauens werth, so laß es dir genug sein, daß er in meinen, in seines Freundes Armen gestorben ist, und grübele nicht über die Wunde, die nur du und ich an seiner Brust erblicken werden. Um jedem Geschwätz vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096"/>
an die Brust und      drückte los. Holger lag ohne einen Seufzer in seinen Armen verschieden.</p><lb/>
        <p>Nach einem flüchtigen düstern Blick auf den einsamen Weg trug Woldemar die Leiche bis vor den      Flecken; dann ließ er den Freund hinter das Buschwerk nieder, bedeckte ihn mit dem Mantel und      ging in die Stadt nach Holger's Wohnung. Dort rief er Mads.</p><lb/>
        <p>Dein Lieutenant, flüsterte er, ist plötzlich gestorben. St! mache keinen Lärm.</p><lb/>
        <p>Habe ich es nicht gedacht? sagte Mads, die Hände faltend.</p><lb/>
        <p>Wie so?</p><lb/>
        <p>Seit wir ans Land gekommen sind, hat er sich immer geklagt. Es ist auch kein Wunder, er      dachte nie an sich selbst; er sehe einen Blutsturz voraus, sagte er, und hat auch schon sein      Testament bei dem Gericht niedergelegt. Wo ist er denn gestorben?</p><lb/>
        <p>Auf dem Strandwege, erwiderte Woldemar, dessen Gedanken durch Madsens Worte eine bestimmte      Richtung nahmen. &#x2014; Was er vorausgesehen, ist eingetroffen, obgleich sein Blut nicht so wie du      denkst geflossen ist. Allein bist du, wie ich glaube, unsers Vertrauens werth, so laß es dir      genug sein, daß er in meinen, in seines Freundes Armen gestorben ist, und grübele nicht über      die Wunde, die nur du und ich an seiner Brust erblicken werden. Um jedem Geschwätz vor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] an die Brust und drückte los. Holger lag ohne einen Seufzer in seinen Armen verschieden. Nach einem flüchtigen düstern Blick auf den einsamen Weg trug Woldemar die Leiche bis vor den Flecken; dann ließ er den Freund hinter das Buschwerk nieder, bedeckte ihn mit dem Mantel und ging in die Stadt nach Holger's Wohnung. Dort rief er Mads. Dein Lieutenant, flüsterte er, ist plötzlich gestorben. St! mache keinen Lärm. Habe ich es nicht gedacht? sagte Mads, die Hände faltend. Wie so? Seit wir ans Land gekommen sind, hat er sich immer geklagt. Es ist auch kein Wunder, er dachte nie an sich selbst; er sehe einen Blutsturz voraus, sagte er, und hat auch schon sein Testament bei dem Gericht niedergelegt. Wo ist er denn gestorben? Auf dem Strandwege, erwiderte Woldemar, dessen Gedanken durch Madsens Worte eine bestimmte Richtung nahmen. — Was er vorausgesehen, ist eingetroffen, obgleich sein Blut nicht so wie du denkst geflossen ist. Allein bist du, wie ich glaube, unsers Vertrauens werth, so laß es dir genug sein, daß er in meinen, in seines Freundes Armen gestorben ist, und grübele nicht über die Wunde, die nur du und ich an seiner Brust erblicken werden. Um jedem Geschwätz vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/96
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/96>, abgerufen am 06.05.2024.